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Schenker-Verkauf: Wie Deutschland sein Tafelsilber verscherbelt

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Es ist 1984
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Die Deutsche Bahn verkauft sein profitables Tochterunternehmen Schenker an den dänischen Logistiker DSV. Dieser ist bekannt für aggressive Expansionsstrategien. Damit begeht die Bundesregierung einen kapitalen Fehler, denn die strukturellen Probleme der Bahn werden so nicht gelöst.
Zusammengefasst

Ein Beitrag von Julian Marius Plutz

Am 1. Februar 1864 passierte das, was sich über die Jahrzehnte bereits angedeutet hatte: Preußische und österreichische Truppen entschieden, in Schleswig einzumarschieren. Um die staatliche Zugehörigkeit der Region Schleswig-Holstein entbrannte ein Krieg. Bis dato führten die Dänen die Geschicke in dem heutigen Bundesland, das etwas lakonisch den Beinamen „Echter Norden“ trägt. Die Zugehörigkeit von Schleswig zu Deutschland war gewissermaßen denklogisch. Zwar hatte der Landstrich neben dänischen auch schwedische Einflüsse, dennoch hieß die informelle Amtssprache Deutsch bzw. Plattdeutsch, was sich auch auf die kulturelle Prägung auswirkte.
Dänemark war in seiner Geschichte immer wieder darauf bedacht, Ländereien hinzuzugewinnen – was kein Wunder ist, denn die Landesgrenzen sind begrenzt. Das Land ist nicht größer als Rheinland-Pfalz und Hessen zusammen. Dieser expansive Gedanke spiegelt sich auch heute noch wider. Nur werden im 21. Jahrhundert keine Kriege mehr ausgefochten, sondern Firmen gekauft. Jüngstes Beispiel: Der dänische Logistikkonzern DSV übernimmt für mehr als 14 Milliarden Euro die Deutsche-Bahn-Tochter Schenker.

Schenker gilt als Cashcow

„Der Verkauf von DB Schenker an DSV ermöglicht unserer Logistiktochter eine klare Wachstumsperspektive“, so Bahnchef Richard Lutz gegenüber dem Handelsblatt. DSV behauptet nun, in den nächsten drei bis fünf Jahren rund eine Milliarde Euro in Deutschland zu investieren. Die Gewerkschaft ver.di befürchtet jedoch, dass zwischen 5.000 und 15.000 Stellen gestrichen werden könnten. Allerdings wird dies erst nach zwei Jahren geschehen, denn dann läuft die Beschäftigungsgarantie für deutsche Arbeitnehmer aus. So lange haben Mitarbeiter Zeit, sich eine neue Stelle zu suchen, wenn sie für ihr Arbeitsleben Planungssicherheit haben möchten.

Schenker galt für die Deutsche Bahn als Cashcow. Trotz weltweiter Einbußen verzeichnet das Unternehmen einen Gesamtumsatz von mehr als 19 Milliarden Euro. Damit erwirtschaftete der Logistiker zwar weniger Umsatz als im Vorjahr, was jedoch auch daran liegt, dass Schenker im Jahr 2023 kräftig in die Infrastruktur investiert hat. Wie man es dreht und wendet: Das Unternehmen gehörte zum Tafelsilber der Deutschen Bahn, einem Konzern, dessen einziger Anteilseigner der deutsche Staat ist. Umso verwunderlicher ist es, dass das Wirtschaftsministerium dem Geschäft überhaupt zugestimmt hat.

Preise werden dennoch erhöht

Von Seiten der Regierung heißt es: Die Deutsche Bahn benötigt die finanziellen Mittel, um das marode Schienennetz zu erneuern. Und in der Tat gibt es dort massiven Handlungsbedarf. Doch weshalb nutzt man nicht ein profitables Unternehmen wie Schenker genau für die Erneuerung und Erweiterung der Infrastruktur? Ein Unternehmen, das bei guter Führung regelmäßig für einen hohen Ertrag sorgt, gilt als nachhaltiger gegenüber einem einmaligen Verkauf, mit dem die Deutsche Bahn an Innovationskraft und wirtschaftlicher Potenz verliert.

Am Ende wird die Zeche genau einer bezahlen: Der Kunde, der auf die Bahn angewiesen ist. Das hat die Konzernleitung auch schon angekündigt. So dürfen sich Fahrgäste im Fernverkehr ab Mitte Dezember teilweise auf höhere Preise einstellen. Die Flexpreise werden durchschnittlich um 5,9 Prozent teurer, der Preis für die BahnCard 100 wird um durchschnittlich 6,6 Prozent angehoben, wie der bundeseigene Konzern heute mitteilte. Auch Zeitkarten werden um 5,9 Prozent teurer. Die Aussicht auf mehr als 14 Milliarden Euro frisches Geld aus dem Verkauf hat offenkundig keine Auswirkungen auf die Preise.

Auch BlackRock mischt bei dem Verkauf mit

Da selbst DSV keinen zweistelligen Milliardenbetrag auf dem Festgeldkonto parat hat, sammelt der dänische Logistiker gerade fleißig Euros. Ein bekannter Investor sticht hier besonders ins Auge: BlackRock. Der Vermögensverwalter investiert rund 1,1 Milliarden Dollar in das Geschäft. BlackRock ist in der Vergangenheit immer wieder mit fragwürdigen Einflussnahmen bis in die Politik aufgefallen. Das börsennotierte Unternehmen gilt als bestens vernetzt. Friedrich Merz, der mögliche nächste deutsche Kanzler, bekleidete bis ins Jahr 2020 den Vorsitz des Aufsichtsrates im US-amerikanischen Unternehmen.

Die Milliarden, die BlackRock innerhalb kürzester Zeit zur Verfügung gestellt hat, dürften wohl das Zünglein an der Waage gewesen sein, weshalb der US-Konzern den Vorzug gegenüber anderen Investoren erhielt. An dem Geschäft waren insgesamt fünf Banken beteiligt: BNP Paribas, Danske Bank, HSBC, JP Morgan und Nordea. Das Grundkapital erhöht sich damit um 12,4 Prozent. Man darf gespannt sein, wie tragfähig der Deal auf lange Sicht sein wird.

Der Verkauf wird die strukturellen Probleme der Bahn nicht lösen

Es ist nicht das erste Mal, dass sich DSV mit einer aggressiven Expansionsstrategie am deutschsprachigen Markt bedient. Im Jahr 2019 übernahmen die Dänen den Schweizer Konkurrenten Panalpina. Nur zwei Jahre später war von Panalpina nichts mehr übrig, nicht einmal mehr der Name. Das Betriebsklima bei DSV gilt laut Brancheninsidern zwar als professionell, aber unterkühlt. So hätten die vielen Veränderungen der letzten Jahre in der Struktur sowie auch im persönlichen Umgang Spuren hinterlassen.

Ob es den mehr als 70.000 Schenker-Mitarbeitern ebenso ergehen wird und wie viele davon langfristig übrig bleiben, ist unklar. Klar ist dagegen: Die Bundesregierung macht mit dem Verkauf einen großen Fehler. Die Abspaltung des profitabelsten Unternehmensteils wird den Wasserkopf und die strukturellen Defizite der Deutschen Bahn nicht retten. Es ist eher ein Spiel auf Zeit, wann die Kunden und der Steuerzahler das nächste Mal das unprofitable Unternehmen, das de facto ein Staatskonzern ist, retten müssen.

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