Das Kapital ist ein scheues Reh, weiß der Finanzwirt. Viele Deutsche wissen sich in Deutschland nicht mehr zu helfen und suchen ihr Heil woanders. Ganz besonders beliebt ist es, ausländische Gesellschaften zu gründen, um sich dem Zugriff der deutschen Steuerbehörden zu entziehen. Solche Gesellschaften werden gerne “offshore”, also in weit entfernten Steueroasen, angesiedelt, so z. B. auf Zypern. Dazu gibt es vielerorts Angebote von Pionieren, die fertige Lösungen einschließlich Einbürgerungen und manchem mehr anbieten.
Solche Lösungen sind ein weites Feld. Die wenigsten haben wirklich Hand und Fuß. Oft kommt das böse Erwachen erst spät und damit umso heftiger. Das begegnet mir in »meiner Kanzlei« immer wieder. Die Mühlen der Finanzverwaltung mahlen langsam, wenn sie aber einmal zuschlagen, dann werden im Falle der Steuerhinterziehung zehn Veranlagungsjahre zurück geprüft und verzinst. Das wird teuer.
Besonders schwierig sind die Fälle, bei denen zwar eine ausländische Gesellschaft gegründet wird, über die dann alle Geschäftstätigkeiten eines Steuerpflichtigen abgewickelt werden, die tatsächliche Geschäftsführung aber in Deutschland verbleibt. Wer in Deutschland seinen Lebensmittelpunkt hat, der ist in Deutschland mit seinem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig. Ein Unternehmen, dessen Betriebsleitung in Deutschland tatsächlich ausgeführt wird, ist mit seinem Welteinkommen in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Es kommt also nicht auf einen formalen Firmensitz an, sondern auf die tatsächlichen Tätigkeiten. Viele übersehen das.
Weil die Finanzverwaltung weiß, dass viele in diese Falle tappen, hat sie ein großes Interesse daran, nachzuweisen, dass eine ausländische Gesellschaft, wenn sie in Deutschland Geschäfte tätigt, ihre Geschäftsleitung eben nicht im Ausland, sondern hierzulande hat und damit in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist. Die Finanzverwaltung hat aber Schwierigkeiten, diese unbeschränkte Steuerpflicht nachzuweisen, denn ohne diesen Nachweis ist sie örtlich nicht zuständig und kann deshalb keine Betriebsprüfung durchführen. Hier darf sich ausnahmsweise einmal die Behörde so fühlen wie der „Hauptmann von Köpenick“. Ohne Betriebsprüfung kein Beweis und ohne Beweis keine Betriebsprüfung. Umso mehr freut sich ein Betriebsprüfer, wenn er irgendwoher doch Beweismittel dafür bekommt, dass ein angeblich ausländisches Unternehmen in Deutschland ansässig ist.
Mit seinem »Beschluss vom 23. April 2025, IB 51/22«, hat der Bundesfinanzhof (BFH) hierzu eine interessante Entscheidung getroffen. Klägerin in dem Verfahren war eine zypriotische Kapitalgesellschaft. Diese wiederum war Tochtergesellschaft einer in Deutschland ansässigen GmbH. Bei der in Deutschland ansässigen Muttergesellschaft führte das Finanzamt eine Betriebsprüfung durch. Bei dieser Betriebsprüfung hatte der Prüfer den Verdacht, dass die Tochtergesellschaft tatsächlich nicht von Zypern aus, sondern von Deutschland aus geleitet werde, hatte dafür jedoch keine Beweise. Er richtete daher ein Amtshilfeersuchen an die Staatsanwaltschaft, die zeitgleich gegen die Gesellschafter der GmbH ein Strafverfahren wegen Wertpapierverstößen führte. Im Rahmen dieses Strafverfahrens war aufgrund eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses eine Festplatte der GmbH sichergestellt worden, die insbesondere auch den gesamten E-Mail-Verkehr der Gesellschaft enthielt. Der Betriebsprüfer versprach sich, bei der Auswertung des E-Mail-Verkehrs Beweise dafür zu finden, dass die Geschäfte der zypriotischen Gesellschaft nicht auf Zypern, sondern in Deutschland abgewickelt wurden.
Die Staatsanwaltschaft gab daraufhin den gespiegelten Datensatz der gesamten Festplatte an den Betriebsprüfer zur Auswertung heraus. Der Betriebsprüfer fand bei der Auswertung Beweise dafür, dass die zypriotische Gesellschaft tatsächlich in Deutschland ihren Leitungssitz hatte, und behandelte sie als in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig.
Hiergegen klagte die zypriotische Gesellschaft mit der Begründung, dass die Weitergabe der Festplatte und des E-Mail-Verkehrs durch die Staatsanwaltschaft an die Betriebsprüfung unzulässig gewesen sei. Der Bundesfinanzhof gab ihr darin Recht.
Gemäß § 393 Abs. 3 Satz 1 Abgabenordnung darf das Finanzamt alle Beweismittel, die ihm rechtmäßig zur Kenntnis gelangen, für die steuerliche Auswertung verwenden. Dies gilt auch dann, wenn es sich um Zufallsfunde handelt. Zufallsfunde sind solche Beweismittel, die bei einer rechtmäßigen Ermittlungstätigkeit entdeckt werden, obwohl diese Ermittlungstätigkeit einen anderen Verdacht zum Gegenstand hatte.
Die Staatsanwaltschaft darf gemäß § 110 Strafprozessordnung die von ihr rechtmäßig erlangten Beweismittel aber nur im Sinne des Durchsuchungsbeschlusses auswerten. Da der Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachtes der Wertpapiervergehen ergangen war, waren alle anderen Daten, also auch der E-Mail-Verkehr zu steuerlichen Fragen im Sinne des Datenschutzes, privat. Aus Datenschutzgründen darf die Staatsanwaltschaft diese Daten nicht ungefiltert an andere Behörden herausgeben. Hierauf beruht die Entscheidung des Bundesfinanzhofes. Gemäß dieser Entscheidung hätte die Staatsanwaltschaft vor der Herausgabe der Festplattendaten sämtliche Daten herausfiltern müssen, die nicht mit dem Vorwurf zu tun hatten, auf dem der Durchsuchungsbeschluss beruhte.
Der Betriebsprüfer wiederum war nur mit der GmbH befasst, nicht mit der zypriotischen Gesellschaft. Und eine Betriebsprüfung ist keine Fahndungsprüfung. Der Betriebsprüfer ist nicht befugt, Daten zu beschlagnahmen und ins Blaue hinein vollumfänglich auszuwerten. Nicht einmal die Steuerfahndung oder die Staatsanwaltschaft dürfen ins Blaue prüfen, wohl aber, wenn ein Anfangsverdacht bezüglich einer Steuerstraftat vorliegt. Indem die Staatsanwaltschaft die Daten ungefiltert an den Betriebsprüfer zur Auswertung weitergab, versetzte sie ihn in die Lage eines Staatsanwaltes oder Fahndungsprüfers. Mehr noch: Er war nun in der Lage, ohne konkretes Verdachtsmoment den gesamten E-Mail-Verkehr zu durchforsten, um einen Anfangsverdacht erst festzustellen. Der Bundesfinanzhof sieht darin mit Recht die Kompetenz des Betriebsprüfers überschritten.
In der Konsequenz sind die mit der Auswertung der Festplatte gewonnenen Beweismittel nicht verwertbar. Wegen dieses Verwertungsverbotes wurde das Verfahren an das Finanzgericht zurückverwiesen. Dieses muss nun die Sache neu entscheiden und darf dabei sowohl die Beweismittel aus der Festplatte als auch mittelbar hierdurch gewonnene Erkenntnisse nicht verwerten.
Obwohl nach Auswertung der Festplatte also klar ist, dass die zypriotische Gesellschaft tatsächlich in Deutschland steuerpflichtig war, dürfte das Finanzgericht nunmehr gegenteilig entscheiden, weil es schlicht nicht wissen darf, was es nicht hätte sehen dürfen.
Für die zypriotische Gesellschaft ist das ein großer Erfolg, aber auch ein großes Glück. Es hätte nämlich anders kommen können, wenn die beteiligten Behörden richtig gehandelt hätten.
Damit das Finanzamt die deutsche Steuerpflicht der zypriotischen Gesellschaft hätte feststellen können, wäre es erforderlich gewesen, dass die Finanzverwaltung tatsächliche Hinweise gefunden hätte, die den Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung begründet hätten. Solche Tatsachen waren dem Finanzamt zwar nicht bekannt. Hätte aber die Staatsanwaltschaft, statt die Festplatte ungeprüft an das Finanzamt herauszugeben, ihrerseits im Wege des Zufallsfundes Beweise dafür gefunden, dass die Geschäftsleitung der zypriotischen Gesellschaft tatsächlich in Deutschland lag, dann hätte sie den Anfangsverdacht für eine Steuerhinterziehung herleiten, ein entsprechendes Verfahren eröffnen und die Daten an die Steuerfahndung zur weiteren Ermittlung übergeben können. Zwar ist in dem Beschluss des Bundesfinanzhofes nicht davon die Rede, dass gegen die Verantwortlichen ein Steuerstrafverfahren geführt worden wäre, ein Hinterziehungsvorsatz wäre aber leicht zu begründen gewesen.
All das ergibt sich zwar nicht direkt, aber indirekt aus dem Beschluss des Bundesfinanzhofes. Es ist also davon auszugehen, dass die Ermittlungsbehörden in Zukunft wissen, wie sie es besser machen. Für jemanden, der in Deutschland Geschäfte treibt und sie über eine Offshore-Gesellschaft abrechnet, sind das nicht unbedingt gute Nachrichten.
Eine Antwort
Prävention von Streit auf der Skala von Datenträgerbeschlagnahmung bis Datenraub (durch sich de facto selbst legalisierende Regierungen [1]):
https://www.s-f-n.org/sicherheitshinweise/datenschutz/computer/echtzeitverschluesselung/
Relativierungen, Hintertüren:
Forensic scientist discovers backdoors running on 600 million iOS devices:
engadget.com/2014-07-21-forensic-scientist-discovers-backdoors-running-on-600-million-io.html
S-f-N.org/blogs/it-tipps/googles-software-ist-schadsoftware/
Zwanganwendung bei Fingerabdruck oder Gesichtsbiometrie:
S-f-N.org/blogs/it-tipps/erzwungener-fingerabdruck-zwecks-entsperrung-des-mobiltelefons/
[1] „Juni 2025 – „BRD-Diktatur: Gesichert linksextrem““
Quelle: Deutsche-Stimme.de
Mitte-Parteien sagen Nein zur bundesweiten Volks-Abstimmung:
swissinfo.ch/ger/wirtschaft/deutschland-superwahlen-merkel-direkte-demokratie-parteien-2021/46891886