Haintz.Media

Bild:
elitäre Doppelmoral
Quelle:
KI-generiert

Migration ja – aber nicht zu mir. Der grünbürgerliche Widerspruch

Bild:
Quelle:

Beitrag teilen:

Mehr aus der Kategorie:

Wohlstand für alle - außer für euch
Moderne Aula, alte Ordnung
BKA Aktionstag gegen „Hass und Hetze“
Grünbürger wählen Vielfalt, leben aber Segregation. Während sie Migration lautstark fordern, schicken sie ihre Kinder auf Privatschulen ohne Migranten und wohnen in Vierteln, in denen „Buntheit“ ein Fremdwort bleibt. Ihre Weltoffenheit endet dort, wo sie beginnen müsste: im eigenen Alltag.
Zusammengefasst

Viele deutsche Wohlstandsfamilien stecken in einem abenteuerlichen Widerspruch. Die merkelsche Willkommenskultur endet dort, wo es konkret wird. Etwa am Schultor der Waldorfschule. Oder an der Grundstücksgrenze der Gründerzeitvilla im grünbürgerlichen Kiez. Während die grün wählende Oberschicht unermüdlich für mehr Migration plädiert, leben ihre Kinder in schulischer Parallelwelt. Keine überfüllten Klassen mit hohem Migrantenanteil, kein täglicher interkultureller Nahkampf, sondern heilpädagogisches Basteln mit biodynamischer Ökokost, was immer das auch ist. Vielfalt – aber bitte nicht im Klassenraum.

Es ist eine moralische Farce, die sich als Tugend tarnt. Man demonstriert Haltung, wählt weltoffen und klimabewusst, steht gegen „rechts“ und für sogenannte Flüchtlinge – aber lebt abgeschottet. Während man sich für Seenotrettung stark macht, werden die Kinder in jene Schulen geschickt, in denen Migranten bestenfalls in Broschüren auftauchen.

Statistisch lässt sich diese Lebenspraxis belegen. In Deutschland besuchen rund »neun Prozent« der Schülerinnen und Schüler eine Privatschule. Dort ist der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund auffallend niedriger als an öffentlichen Schulen. Laut Bildungsberichten liegt der Anteil an privaten Grundschulen bei »etwa 28 Prozent« – in öffentlichen Einrichtungen hingegen bei knapp 38 Prozent. Privatschulen fungieren damit nicht nur als pädagogisches Experimentierfeld, sondern auch als Filter gegen die soziale Realität. Wer es sich leisten kann, schafft seine Kinder in eine angenehm homogene Bildungsumgebung – und zwar fernab jener gesellschaftlichen Veränderungen, die man rhetorisch bejaht.

Dabei sind es nicht in erster Linie konservative Bildungsbürger oder AfD-Sympathisanten, die ihre Kinder aus dem Migrantenumfeld entfernen. Es sind die gut verdienenden, akademisch geprägten Milieus, die sich als moralisches Rückgrat der Republik inszenieren. Familien mit hohen Bildungsabschlüssen und „progressivem Wertekanon“ sind in Privatschulen überproportional vertreten. Bildungsferne Schichten hingegen sind dort deutlich unterrepräsentiert – ebenso wie migrantische Kinder. Integration findet also genau dort nicht statt, wo sie besonders glaubwürdig wäre: im Alltag derer, die sie einfordern.

Der moralische Anspruch lebt dort, wo seine Realisierung nicht nötig ist

Dazu passt, dass ein signifikanter Teil der Grünen-Wählerschaft ein ambivalentes Verhältnis zur Migration pflegt. »Eine YouGov-Umfrage« im Auftrag der WELT offenbarte, dass 29 Prozent der Grün-Wähler Grenzzäune gegen illegale Migration befürworten. 36 Prozent finden, dass die Zuwanderung in den letzten zehn Jahren zu hoch war. Und 25 Prozent glauben, dass die meisten Migranten integrationsunwillig seien. Das sind keine radikalen Ausreißer, sondern Zahlen, die einen stillen Dissens zwischen Ideologie und Alltagsbewusstsein offenlegen.

Man will offen sein – aber nicht betroffen. Man ist für Vielfalt – aber nicht in der eigenen Straße. Not in my Backyard, heißt die Devise. Man lädt die Welt zum Bleiben ein, aber wohnt dann lieber da, wo sie nie ankommt. So wird Migration zum moralischen Alibi: Die Forderung nach offenen Grenzen ist Ausdruck eines distinktiven Selbstbildes, nicht gelebter Realität. Es geht um das Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen – nicht darum, die Folgen der eigenen Haltung mitzutragen.

Diese kognitive Dissonanz – das Auseinanderfallen von Anspruch und Wirklichkeit – ist der blinde Fleck der grünbürgerlichen Bildungsbürger. Sie leben in Blasen, in denen Diversität zwar ästhetisch geschätzt wird, aber kaum praktische Konsequenzen hat. Multikulti ist dort ein kulinarisches oder musikalisches Erlebnis – kein täglicher sozialer Aushandlungsprozess. Die Bekenntnisse zur Vielfalt sind groß, aber oft rein symbolisch. Man isst syrisch, wählt grün, schaut Arte – aber das Kind soll bitte nicht mit zu vielen „Problemkindern“ im Klassenzimmer sitzen.

Wer Migration will, muss sie auch leben

Gerade in den urbanen Zentren Deutschlands zeigt sich dieser Widerspruch in aller Klarheit. In Berlin etwa sind in Bezirken wie Zehlendorf, Prenzlauer Berg oder Charlottenburg die Wahlergebnisse der Grünen besonders stark – ebenso wie der Anteil an Privatschülern. Gleichzeitig ist dort die Quote an Menschen mit Migrationshintergrund deutlich geringer als in Bezirken wie Neukölln, Wedding oder Marzahn. Der moralische Anspruch lebt dort, wo seine Realisierung nicht nötig ist.

Dieser Widerspruch ist nicht nur heuchlerisch, sondern gefährlich. Denn er delegitimiert Migrationspolitik als ehrliche Auseinandersetzung. Wenn jene, die sie am lautesten fordern, ihre Kinder vor ihr in Schutz bringen, entsteht eine fatale Schieflage: Die Lasten tragen jene, die sich keine Ausweichstrategien leisten können – Menschen in öffentlichen Schulen, in Brennpunktvierteln, im städtischen Alltag. Soziale Spannungen, Schulprobleme, Integrationsdruck – all das trifft nicht die moralisch Hochgerüsteten, sondern jene, die sich nicht entziehen können.

Die grün-progressive Elite verteidigt eine Idee, die sie nicht lebt. Sie fordert Zusammenhalt, aber betreibt Separierung. Sie spricht von Gerechtigkeit, aber praktiziert Bildungsapartheid. Diese Diskrepanz nährt den gesellschaftlichen Vertrauensverlust – und lässt jene stärker werden, die genau auf diesen Widerspruch hinweisen, wenn auch aus oft falschen Motiven.

Wer Migration will, muss sie auch leben. Wer Vielfalt predigt, muss sie auch aushalten. Wer Gleichheit fordert, muss die eigenen Privilegien hinterfragen – nicht nur rhetorisch, sondern konkret. Andernfalls wird die Integration zu einem Projekt der Anderen – und die offene Gesellschaft zu einem exklusiven Club derer, die es sich leisten können. „Ich wähle grün, weil ich es mir leisten kann“, bleibt deren wohlstandsverwahrlostes Motto. 

Beitrag teilen:

Unterstützen Sie uns!

Helfen Sie mit, freien Journalismus zu erhalten

5

10

25

50

No posts found
Picture of Julian Marius Plutz

Julian Marius Plutz

Julian Marius Plutz ist 1987 geboren und freier Autor, u.a. für Achgut und die Jüdische Rundschau. Zu seinen Themenschwerpunkten gehören neben dem politischen Zeitgeschehen: Arbeitsmarkt, jüdisches Leben und die LGBTQ-Ideologie.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

No posts found

Buch-Empfehlung

Soennichsen