Jüngst erschien bei „Welt” ein Interview zu dem Thema mit Wolfgang Bosbach. In der Untertitelung wurde eben der entscheidende Unterschied ‚vergessen‘, den der CDU-Politiker deutlich hervorhob: „Es geht um den politischen Islam, den Islamismus und den Salafismus”, nicht um die friedliche Ausübung der Religion, die von den „allermeisten Muslime[n] in unserem Land” praktiziert wird.
Was hat es mit dieser tendenziösen Berichterstattung auf sich?
Wir wiesen erst kürzlich darauf hin, dass „vereinfachte, irreführende oder zweideutige Formulierungen” zu einem Denken führen, das von „‚die gegen uns‘ und ‚wir gegen die‘” geprägt ist. Das führt nicht zum Frieden, sondern zu „Spaltung und [damit der] Grundlage für zivile Unruhen, Bürgerkriege und Glaubenskriege”.
Politisierung von Religion widerspricht dem Grundgesetz
Das Konzept der Vermischung von Religion und Staatlichkeit widerspricht ganz klar dem der Demokratie. Es ist schon insofern gefährlich, als dass es der im Grundgesetz verankerten Religionsfreiheit entgegensteht. Zudem basiert Religion auf dem Prinzip des Glaubens und ist insofern ideologisch zu bewerten. Es darf unter keinen Umständen mit Wissen verwechselt werden.
„Politischer Islam ist ein modernes Phänomen, das danach strebt Religion zu benutzen, um das politische System zu gestalten. Seine Ursprünge liegen in […] als gescheitert wahrgenommenen säkularistischen Ideologien.“1
Gudrun Krämer: Political Islam
Je strenger der Umgang mit Religion, desto mehr neigen Anhänger dazu, eben diese Unterscheidung nicht mehr zu machen. Die eigene Interpretation der jeweiligen religiösen Schrift wird als sakrosankt erachtet. Wer dem daraus resultierenden Bild nicht entspricht, gilt sehr schnell als Sünder, welcher allgemeinhin nach den entsprechenden Schriften in irgend einer Form zu bestrafen ist.
Im Iran gilt Homosexualität oder Ehebruch (zumindest seitens der Frau) als Sünde. Die Konsequenzen sind bekannt. Die Bestrafung etwaiger Sünden fließt in die Gesetzgebung mit ein.
Entsprechend ist es mehr als nachvollziehbar, dass besonders aus dem Iran geflohene Mitbürger eine große Gefahr im politischen Islam sehen.
Die Bürgerrechtlerin und Ex-Muslima Maryam Namazie engagiert sich, seit sie aus dem Iran geflohen ist, für universelle Menschenrechte. Sie ist Sprecherin der „Bewegung für die Befreiung der Frau”, „One Law for All” und dem Rat der Ex-Muslime in Großbritannien. Sie steht auf „gegen das islamistische Diktatorialregime im Iran und gegen Islamismus weltweit”. (Info Wikipedia)
Annika Hoberg auf X
Vertreter des politischen Islam lehnen Demokratie ab
Die Unterscheidung, auf die Maryam Namazie schon lange hinweist und die jüngst auch Wolfgang Bosbach betonte, ist von essenzieller Bedeutung für den sachlich-differenzierten öffentlichen Diskurs.
Bestimmt die Religion die Gesetzgebung, sind demokratische Werte, wie solche, die in westlichen Kulturen als Aushängeschild fungieren, gegenstandslos. Vertreter des Klerikalismus, also der Vermischung von Legislative mit religiösen Werten, äußern sich per se antidemokratisch:
„Ajatollah Morteżā Moṭahharī (1920–1979) war ein traditionell ausgebildeter Geistlicher und Professor für Philosophie an der Universität Teheran. Er wirkte während des Exils Ruhollah Khomeinis zwischen 1964 und 1978 als dessen Repräsentant und politischer Stellvertreter im Iran. Er war einer der maßgeblichen Ideologen des politischen Islams im Iran und als Vorsitzender des Revolutionsrates führend an der Islamischen Revolution 1979 und dem Aufbau der Islamischen Republik Iran beteiligt. […]
Grundlagenbericht der Dokumentationsstelle Politischer Islam: Der politische Islam der Zwölferschia: S. 42-43
Moṭahharī wies nicht nur materialistische Philosophien wie den Marxismus entschieden zurück, sondern lehnte auch die Demokratie als fehlgeleitetes politisches Konzept ab. Beides interpretierte Moṭahharī als das Ergebnis einer breiteren westlichen Philosophie, deren fehlerhafte Grundzüge er auf die christliche Theologie zurückführte.”
Wenn Vertreter etablierter Medien diese wichtige Unterscheidung nicht machen, nehmen sie entweder ihre Verantwortung als sog. „Vierte Macht” nicht ernst oder missbrauchen eben diese gezielt, um zu Unruhen und eskalierenden Hass-Szenarien beizutragen.
Gewollt oder nicht: sie gefährden den Frieden im Innern.
- Gudrun Krämer: Political Islam. In: Richard C. Martin (Hrsg.): Encyclopedia of Islam and the Muslim World. 2. Auflage. Macmillan Reference USA, Farmington Hills 2016, ISBN 978-0-02-866269-5, S. 895. ↩︎