Der österreichische Kolumnist, Autor und politischer Kommentator und ehemalige Politiker (FPÖ und BZÖ) Gerald Grosz ist für seine deutlichen Worte bekannt. Auf seinem X-Profil findet sich der Satz „Er sagt, was ihr euch denkt“. Grosz hat in seiner Rede vom Februar 2023 tatsächlich einiges gesagt, was viele Deutsche denken, was ich aus meinen Erfahrungen auf Demonstrationen und in meiner Kanzlei bestätigen kann.
Dies hat ihm nun eine erstinstanzliche Verurteilung zu 90 Tagessätzen á 165 € eingebracht, der ein Strafbefehl mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 400 € vorausging, gegen den Grosz Einspruch eingelegt hatte. Die Staatsanwaltschaft hat in der heutigen Verhandlung eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen gefordert. Ab einer rechtskräftigen Verurteilung zu mehr als 90 Tagessätzen gilt man als vorbestraft. Grosz kündigte nicht nur eine Berufung an, sondern auch, notfalls bis nach Karlsruhe (Anmerkung: zum Bundesverfassungsgericht) zu gehen.
Grosz äußerte sich kurz nach dem Prozess gegenüber OE24.TV und stellte das Video auf seinen X-Account. Grosz stellte klar, dass er sich den Mund nicht verbieten lassen werde:
Wie oe24.at berichtet, sagte die Richterin bei der Urteilsverkündung, Söder werde durch die Beleidigung „in die Nähe des nationalsozialistischen Regimes“ gerückt. Grosz verteidigte seine Wortwahl als Satire. Seine Anwälte sahen die Aussagen im Rahmen des politischen Aschermittwoch als von der Meinungsfreiheit gedeckt an.
Stand heute liegen mir noch keine genauen Details darüber vor, welche der konkreten Äußerungen als strafbar bewertet wurden, ich vermute nur „Södolf“. Unabhängig davon, gerade die Bezeichnung als „Corona-Autokrat“ ist offenkundig von der Meinungsfreiheit gedeckt. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier sprach am 8. November 2023 (Cicero) unter anderem von „autokratischen Regierungstrukturen“ während der Coronazeit.
Auch die Betitelung als „Landesverräter“ wird sich ein Ministerpräsident in einer hochpolitisierten Debatte, gerade während der Coronazeit, gefallen lassen müssen. Vor allem wenn man bedenkt, wie Politik und Medien bislang völlig straffrei gegen Ungeimpfte gehetzt haben.
Wenn man außerdem mit einbezieht, wie viele Politiker schon in die Nähe von Adolf Hitler gerückt wurden, dann wird auch dem Laien klar, dass in der deutschen Justiz hier viel zu oft mit zweierlei Maß gemessen wird. So zeigte beispielsweise das Cover des „Stern“ im August 2017 den damaligen US Präsidenten Donald Trump nicht nur mit dem Hitlergruß, sondern titelte auch „Sein Kampf“ in eindeutiger Anspielung an das Buch „Mein Kampf“ von Adolf Hitler, wie der nachfolgende Screenshot des „Focus“ zeigt.
Bei derartigen Fotomontagen mit Hitlergruß ist zu Bedenken, dass der „Stern“ damit selbst Kennzeichen von verfassungswidrigen und terroristischen Organisationen im Sinne des § 86a Strafgesetzbuch verbreitet, wenngleich auf Grund von § 86 Abs. 4 Strafgesetzbuch keine Strafbarkeit vorliegt, da es sich (noch) um Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens handelt.
Auch der russische Präsident Wladimir Putin wurde bereits vielfach und lange vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 mit Adolf Hitler verglichen. Der ehemalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat dies beispielsweise am 1. April 2014 getan.
„Um Völkerrecht pflegen sich autoritäre Herrscher wie Putin nur dann zu scheren, wenn es ihnen nützt. [Schäuble]
Claudia Roths aufgeregtes Statement
An diese durchaus sachliche Beschreibung der Lage fügte der CDU-Politiker dann den entscheidenden Gedanken an, den über die Geschichte. Und er fuhr fort: ,Solche Methoden hat schon der Hitler im Sudetenland übernommen‘
Die Reaktion war zwangsläufig. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, immer für ein aufgeregtes Statement gut, lieferte nach Schema. Der ,Welt‘ sagte die langjährige Vorsitzende der Grünen: ,Gleichsetzungen oder Vergleiche mit Hitler und seinen Taten‘ relativierten ,die an sich unvergleichbaren Verbrechen, für die Nazideutschland verantwortlich ist‘. Deshalb verbiete sich jede derartige Argumentation.“
„Welt“ vom 01.04.2014
Nun haben weder Wladimir Putin noch Donald Trump Strafanzeigen erstattet und Strafanträge gestellt. Unabhängig davon darf man gesichert davon ausgehen, dass derartige Strafverfahren noch nicht einmal geführt werden würden. Es stellt sich daher die Frage, warum Hitlervergleiche mit unliebsamen Politikern und Oppositionspolitikern offenkundig als zulässig angesehen werden, während derartige Vergleiche mit „etablierten Politikern“ strafbar sein sollen. Gerade in einer satirischen Rede muss Derartiges zulässig sein.
Niemand möchte ernsthaft Markus Söder mit Adolf Hitler gleichsetzen. Unabhängig davon muss es ein Ministerpräsident aushalten, der für seine harte Hand bei den teils menschenunwürdigen Coronamaßnahmen bekannt ist, überspitzt als „Södolf“ bezeichnet zu werden. Die Äußerungen von Herrn Grosz sind nach meiner Meinung sowohl von der Meinungsfreiheit als auch von der Kunstfreiheit (Satire) gedeckt. Für die Bezeichnung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach als „Horrorclown“ gilt dasselbe.
Politiker, die durch autoritäre Corona-Maßnahmen-Politik aufgefallen sind, müssen es sich gefallen lassen, mit autoritären Herrschern verglichen – nicht gleichgesetzt – zu werden. Ich gehe nicht davon aus, dass dieses Urteil rechtskräftig wird. Gerald Grosz hat gute Chancen, dass sein / seine Rechtsmittel am Ende erfolgreich sein werden. Ich wünsche ihm und seinen Verteidigern viel Erfolg für das weitere Verfahren.
Gerald Grosz hat eben auf X angekündigt, heute Abend um 21.39 Uhr auf oe24.TV bei Fellner Live zum Söder-Urteil Stellung zu nehmen.