Am Montagvormittag berichtete der Rote Halbmond, eine humanitäre Organisation, die Teil der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung ist, dass die Leichen des iranischen Präsidenten und anderer Opfer am Absturzort des Präsidenten-Helikopters geborgen wurden. Pirhossein Kooliwand, der Leiter der Bewegung erklärte im iranischen Staatsfernsehen, dass sie nun in die Stadt Täbris im Norden des Irans gebracht wurden. Am Sonntagnachmittag verschwand die Maschine, in der Präsident Raisi und Außenminister Amirabdollahian auf dem Rückweg von einem Treffen waren, plötzlich vom Radar.
Im August 2021 wurde Raisi als neuer Präsident vereidigt und galt als potenzieller Nachfolger des obersten Führers Khamenei. Bekannt als Generalstaatsanwalt, Scharia-Richter und Hardliner des Mullah-Regimes, stand seine Regierung aufgrund ihrer erzkonservativen Werte, der Unterdrückung von Bürgerrechten und der schweren Wirtschaftskrise im Iran stark in der Kritik. Daher stellt sich die Frage, ob ein feindlicher Geheimdienst möglicherweise den Absturz beeinflusst haben könnte? Hermann Ploppa, ein Politologe und Autor schreibt dazu auf seinem Telegram-Kanal:
„Die Tragödie offenbart jedoch einige erschreckende Mängel auf iranischer Seite. Der größte Fehler besteht darin, dass gleich zwei zentrale Personen des iranischen Regierungsapparates in ein und demselben Hubschrauber geflogen sind. Wer so stark im Fadenkreuz feindlicher Geheimdienste steht wie die iranische Führung, muss sich auf mehrere Flugzeuge verteilen, damit der Verlust nicht so heftig wird, wie es jetzt geschehen. Raisi und Amirabdollahian hätten in zwei verschiedenen Helikoptern fliegen müssen. […] Die jetzt im Iran entstandene zweifache Lücke in der politischen Führung könnte Israel für einen Angriff nutzen. Die Lage ist brisanter geworden nach diesem Hubschrauber-Unglück.“
Hermann Ploppa Telegram
Ein technischer Defekt könnte ebenfalls den Absturz des Hubschraubers verursacht haben, wie die Neue Zürcher Zeitung berichtet. Die iranische Luftwaffe leidet unter einem gravierenden Modernisierungsrückstand und wird als stark veraltet eingestuft. Internationale Sanktionen erschweren die Beschaffung von Ersatzteilen erheblich, was zu wiederholten schweren Unfällen und Abstürzen in der iranischen Luftwaffe führt.
Der Iran steht nun vor der Herausforderung der Nachfolge
Am Montag hat Irans Staatsoberhaupt Ajatollah Chamenei, Vizepräsident Mochber, gemäß dem Protokoll, zum Interims-Regierungschef erklärt. Innerhalb der nächsten 50 Tage müssen jedoch Neuwahlen angesetzt werden. Die innenpolitische Lage des Irans ist ohnehin seit dem Tod von Jina Mahsa Amini, einer kurdischen Frau, die im September 2022 im iranischen Polizeigewahrsam wegen vermeintlich ‚unislamischer Kleidung‘ starb, alles andere als stabil. Ihr Tod löste landesweite Proteste gegen das Regime aus, die das Land in eine tiefe Krise stürzten, dennoch versicherte die iranische Regierung, dass sie nach dem Tod von Ebrahim Raisi ohne jegliche Beeinträchtigung weiterarbeiten werde. „Der unermüdliche und hart arbeitende Präsident hat sein Leben der Nation gewidmet,“ erklärte die Regierung am Montag. „Wir garantieren der loyalen Nation, dass es mit Gottes Beistand und der Unterstützung des Volkes keine Unterbrechung in der Verwaltung des Landes geben wird.“ Auch der Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei betonte, dass die Regierungsgeschäfte unter keinen Umständen beeinträchtigt werden. Er wird höchstwahrscheinlich persönlich darauf achten, dass die Nachfolge von Raisi als Präsident reibungslos verläuft.
„Der geistliche Führer weiß nur zu gut, dass die innenpolitische Situation seines Landes alles andere als stabil ist, und die Mehrheit der iranischen Bevölkerung – wenn sie es denn könnte – die Islamische Republik abschaffen würde.“
Ulrich Pick, SWR in der Tagesschau
Die zukünftige Entwicklung im Iran bleibt spannend, da auch die Revolutionswächter, die in der Vergangenheit eine entscheidende Rolle bei der Unterdrückung von Protesten spielten, voraussichtlich einen maßgeblichen Einfluss auf die Zukunft der Islamischen Republik haben werden. Daher wird die innenpolitische Lage im Iran vorerst turbulent bleiben.