Das linke Bündnis Nouveau Front Populaire hat laut ersten Hochrechnungen überraschend die meisten Sitze gewonnen. Das Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen bleibt mit Platz drei weit hinter den Erwartungen zurück, hinter dem Mitte-Lager von Staatspräsident Emmanuel Macron, nachdem es nach der ersten Wahlrunde vor einer Woche noch so aussah, als könne Le Pens Partei die absolute Mehrheit erreichen, wie HAINTZ.media berichtete. Nun konnte keines der Lager die 289 Sitze erreichen, die dafür nötig wären.
Das linke Bündnis könnte auf 172 bis 215 der 577 Sitze kommen, Macrons Kräfte auf 150 bis 180 und das RN auf 120 bis 152 Sitze. Prognosen nach der ersten Wahlrunde sahen das RN noch knapp unter der absoluten Mehrheit.
Reaktionen der politischen Führung
Jean-Luc Mélenchon, der prominente Vertreter der Linken, beschrieb das Ergebnis als große Erleichterung und forderte Premierminister Gabriel Attal zum Rücktritt auf. Attal erklärte daraufhin, dass er gemäß der republikanischen Tradition und seinen Prinzipien entsprechend seinen Rücktritt beim Präsidenten einreichen werde. Macron rief zur Zurückhaltung bei der Interpretation der Ergebnisse auf und betonte die Bedeutung der Einheit der Nation.
Rechtspopulisten kritisieren „Bündnis der Schande“
Der Parteichef Jordan Bardella prangerte ein „Bündnis der Schande“ gegen das RN an und erklärte, dass diese Absprachen Frankreich in die Arme der Linksextremen werfen. Marine Le Pen sprach von einem „aufgeschobenen“ Sieg ihrer Partei und betonte, dass die Flut weiter steigen werde.
Kein gemeinsames Programm beim linken Bündnis
Das linke Bündnis und Macrons Mitte-Kräfte hatten vor der zweiten Wahlrunde eine Zweckallianz gebildet, um sich in Wahlkreisen nicht gegenseitig Stimmen wegzunehmen. Um in Wahlkreisen, in denen drei Kandidaten in die zweite Runde kamen, nicht gegenseitig Stimmen wegzunehmen und so dem RN lokal zum Sieg zu verhelfen, zogen sich etliche Kandidaten der Linken und der Liberalen zurück. Sie riefen ihre Wählerschaft dazu auf, in jedem Fall gegen das RN zu stimmen. Innerhalb der Linken gibt es jedoch Streit, insbesondere über die Führungsikone Mélenchon. Das Bündnis aus Linken, Kommunisten, Sozialisten und Grünen hat weder eine klare Führung noch ein gemeinsames Programm.
Zukunftsszenarien
Mit dem Wahlergebnis ergeben sich verschiedene Zukunftsszenarien, so Welt. Die Linken könnten versuchen, Unterstützung von den Mitte-Kräften zu bekommen, entweder als Minderheitsregierung mit Duldung oder in einer Art Großen Koalition. Ob dies gelingt, ist jedoch unklar. Ein Premierminister aus dem linken Lager würde bedeuten, dass Macron die Macht teilen müsste, was zu vielen Kompromissen führen könnte.
Sollte keine Regierungsmehrheit gefunden werden, könnte die aktuelle Regierung als Übergangsregierung im Amt bleiben oder eine Expertenregierung eingesetzt werden. Eine erneute Auflösung des Parlaments durch Macron und Neuwahlen sind erst im Juli 2025 wieder möglich. Dies könnte für Deutschland und Europa bedeuten, dass Paris als wichtiger Akteur in Europa und als Teil des deutsch-französischen Tandems weniger tatkräftig zur Verfügung stehen würde.
Reaktionen
Die Reaktionen in Deutschland sind vielfältig. Die Autorin Birgit Kelle schreibt zu dem Ausgang der französischen Wahl auf X:
Die Frankreich-erfahrene Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot hebt die Diskrepanzen des Front Populaire hervor:
Gesundheitsminister Karl Lauterbach freut sich über das Bündnis gegen den Rechtspopulismus:
Die Tagesschau blamierte sich und berichtete ohne Kenntnis der Wahlergebnisse von dem erwarteten Rechtsruck in Frankreich, der dann tatsächlich ein Linksruck war.