CDU-Kanzler Friedrich Merz trat in der Generaldebatte des Bundestags am 17. September 2025 mit vollmundigen Reformankündigungen auf. Sein „Herbst der Reformen“ soll Deutschland aus der Krise führen, die Wehrfähigkeit stärken und den Sozialstaat umkrempeln. Doch hinter der rhetorischen Fassade klaffen Lücken: unkonkrete Pläne, widersprüchliche Signale und ein fragwürdiger Realitätsbezug. Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel nutzte die Bühne, um Merz als Wahlversprechenbrecher zu geißeln, während die Debatte ein Land in tiefer Spaltung zeigt. Merz’ Kurs wirkt wie ein Balanceakt zwischen populistischer Rhetorik und Bewahrung des Status quo, und zwar auf Kosten der Bürger.
»24. Sitzung | Deutscher Bundestag« (Weidel ca. ab Minute -3:14:19) (Merz ab Minute -2:55:57)
Sozialstaat
Merz proklamierte einen umfassenden Umbau des Sozialstaats, doch seine Vorschläge bleiben nebulös. Das Rentensystem, so der Kanzler, müsse „neu gedacht“ werden, da der Generationenvertrag auf die bisherige Weise nicht mehr tragfähig sei. Er sprach über eine Aktivrente (bis zu 2000 Euro monatlich steuerfrei für Rentner) und eine Frühstartrente, um finanzielle Sicherheit zu gewährleisten. Gleichzeitig lehnte er höhere Rentenbeiträge ab. Wie dieser Spagat ohne massive Einsparungen oder Steuererhöhungen gelingen soll, ließ Merz offen. Kritiker sehen hierin ein populistisches Manöver: Versprechen für Rentner, ohne die Finanzierung zu klären, während Arbeitnehmer weiter belastet werden.
„[Es geht] dabei um nichts weniger als um Gerechtigkeit. Und um einen neuen Konsens darüber, was Gerechtigkeit in unserer Zeit heißt.“
»Friedrich Merz | Bundestag«
Die gesetzlichen Krankenkassen stehen ebenfalls auf dem Prüfstand. Merz deutete an, die knapp 100 Kassen seien ineffizient und Beiträge müssten „besser eingesetzt“ werden. Konkrete Pläne, die er vorstellen könnte, sind auch an dieser Stelle eine Fehlanzeige. Stattdessen bleibt die Vermutung, dass Strukturverschiebungen vor allem Kürzungen für Versicherte bedeuten könnten.
Beim Bürgergeld kündigte Merz eine „grundlegende“ Umstellung zur „Neuen Grundsicherung“ an, wie im Koalitionsvertrag festgelegt. Wer arbeiten könne, solle arbeiten – ein Slogan, der nach Strafmaßnahmen für Bedürftige klingt, ohne dass Merz erklärt, wie dies in einer stagnierenden Wirtschaft umgesetzt werden soll. Die angekündigten fünf Milliarden Euro Einsparungen 2026 erwähnte er nicht einmal, ein Zeichen für mangelnden Mut oder fehlende Substanz.
Wehrpflicht und Aufrüstung: Kriegsrhetorik statt Friedenspolitik
Merz’ außenpolitischer Fokus liegt auf militärischer Stärke. Deutschland müsse verteidigungsfähig werden, weshalb der Wehretat massiv aufgestockt und ein zunächst freiwilliger Wehrdienst eingeführt werde. Eine allgemeine Wehrpflicht schloss er nicht aus, verpackt in vagen Formulierungen über „Attraktivität“ für junge Soldaten. Angesichts des Ukraine-Kriegs positionierte er sich klar: Der Krieg müsse enden, aber nicht durch einen „Diktatfrieden“, der die Ukraine opfert. Russlands Destabilisierungsversuche müssten bekämpft werden.
Die martialische Rhetorik des Kanzlers lässt allerdings bezweifeln, ob er Deutschland in eine Konfrontationspolitik führt, die den Bürgern mehr Risiken als Sicherheit bringt. Seine Unterstützung für eine wehrhafte Sicherheitsarchitektur wirkt wie eine Blankovollmacht für Rüstungskonzerne, während die sozialen Folgen einer Aufrüstung unberücksichtigt bleiben.
„Ein neu aufgestelltes Beschaffungswesen, der politische Wille zur Abschreckung […] Deshalb haben wir durch eine Grundgesetzänderung die Möglichkeit geschaffen, die Verteidigungsausgaben wesentlich zu erhöhen. […] Wir stehen für eine glaubhafte starke Bundeswehr. […] Es gilt, unsere Gegner vor weiteren Agressionen abzuschrecken. […] Für all dies arbeitet die Bundesregierung, seitdem sie im Amt ist.“
»Friedrich Merz | Bundestag«
Migrationswende: Zahlenmanipulation statt Lösungen
Merz feierte eine erfolgreiche Migrationswende, verweisend auf einen Rückgang der Asyl-Erstanträge um 60 Prozent im August 2025 im Vergleich zum Vorjahr.
„Die Kurskorrektur, die wir angekündigt haben, ist erfolgreich eingeleitet.“
»Friedrich Merz | Bundestag«
Die Zahlen entlarven hingegen seine Selbstbetrachtung: Der Rückgang begann bereits vor Merz’ Amtsantritt, und die 7.803 Anträge im August 2025 unterscheiden sich kaum von den 7.916 im Mai, als seine Regierung die Zurückweisungen anordnete. Eine echte Trendwende ist nicht erkennbar, die Zahlen schwanken. Merz’ Triumphrhetorik wirkt wie ein Versuch, von der ausbleibenden Substanz abzulenken. Statt nachhaltiger Lösungen scheint er auf Kosmetik zu setzen, während globale Konflikte und wirtschaftliche Ungleichheit als Ursachen von Migration weitherhin unangetastet bleiben.
Steuerpolitik
In der Erbschaftsteuerdebatte, die von der SPD angeheizt wird, zeigt Merz seine Klassenloyalität. Die SPD will reiche Erben stärker besteuern, doch Merz warnte, soziale Versprechen dürften nicht durch „Raubzüge“ gegen Wohlhabende finanziert werden.
„Wir können die sozialen Versprechen nicht halten, indem wir wenigen, und seien sie noch so reich, möglichst viel nehmen.“
»Friedrich Merz | Bundestag«
Er ließ zwar Raum für moderate Anpassungen, aber seine Botschaft ist klar: Die Vermögenden bleiben geschützt, während die Last der Reformen auf Arbeitnehmer und Mittelschicht abgewälzt wird. Diese Haltung unterstreicht Merz’ Priorität, die Interessen der Wirtschaftselite über die Bedürfnisse der breiten Bevölkerung zu stellen.
Weidel: Scharfe Kritik an Merz und den Links-Grünen
AfD-Chefin Alice Weidel begann ihre Rede im Bundestag mit einer emotionalen Erinnerung an den ermordeten US-Aktivisten Charlie Kirk, der am 10. September 2025 bei einer Veranstaltung an der Utah Valley University erschossen wurde. Sie betonte:
„Er wollte überzeugen und nicht ausgrenzen und musste dafür sterben.“
»Alice Weidel | Bundestag«
Mit diesem Einstieg kritisierte sie Bundeskanzler Merz und warnte davor, dass die Bürger ungeduldig würden und darauf warteten, dass er sich aus seiner Selbstgefälligkeit und links-grünen Realitätsverweigerung herausbewege.
Weidel richtete ihre Kritik insbesondere gegen Heidi Reichinnek und Katrin Göring-Eckardt, denen sie vorwarf, Teil eines „links-grünen Lagers“ zu sein, das Merz für die Unterstützung bei Richterwahlen und angeblicher Verfassungsmanipulation nutze. Sie fragte:
„Wo bleibt Ihre klare Verurteilung von linksextremistischen Brandanschlägen und Sabotageakten, die vitale Infrastruktur beschädigen, wichtige Bahnstrecken lahmlegen und tagelange Stromausfälle verursachen?“
»Alice Weidel | Bundestag«
Vorwürfe an Merz: Gebrochene Wahlversprechen
Weidel warf dem Bundeskanzler vor, zahlreiche Wahlversprechen gebrochen zu haben. Sie nannte die abgesagte „Rückkehr zur Atomkraft“, die Absage an das „Verbrennerverbot“, versprochene Steuersenkungen und Zahlungen an „linke NGOs“. Während Weidel Merz scharf attackierte, reagierte dieser nicht auf ihre Vorwürfe.
Die AfD-Chefin kritisierte außerdem die Pläne von SPD, Grünen und Linken als einen neuen Raubzug gegen den unternehmerischen Mittelstand sowie gegen das hart erarbeitete und ersparte Privatvermögen der bürgerlichen Mittelschicht. Sie warf Merz vor:
„Sie machen einfach weiter mit dem grünen Narrenschiff.“
»Alice Weidel | Bundestag«
Abschließend bezeichnete Weidel den aktuellen Haushalt als zusammengeschustert und verantwortungslos, ohne Maß und Ziel, der kein einziges Problem löse, aber die Krise weiter zuspitze. Sie forderte Merz auf, den Irrweg zu verlassen, und mahnte, Deutschland müsse seine verbliebenen Kräfte sammeln, um wieder auf die Beine zu kommen.
Zwischenrufe und Ordnungsmaßnahmen
Die Rede wurde mehrfach durch Zwischenrufe unterbrochen, weshalb Bundestagspräsidentin Julia Klöckner einschreiten musste.
„Ich möchte kurz noch mal etwas klarstellen. Ich brauche hier keine betreute Sitzungsleitung. Egal durch welche Fraktion, egal durch welche.“
»Julia Klöckner | Bundestag«
Anschließend wandte sie sich an die Linksfraktion, nachdem ein Abgeordneter Weidel als „Nazis wie Sie“ bezeichnet hatte, und erklärte, dies sei eine persönliche Herabwürdigung. Sie kündigte an, dass sie, falls sie herausfinden könne, wer das gerufen habe, die Person mit einem Ordnungsruf belegen werde.
Merz’ Versagen an der Realität
Merz beschwor die Bedrohung der Freiheit, den Druck auf das Wirtschaftsmodell durch Protektionismus und die Spaltung durch „politische Kräfte im In- und Ausland“. Seine Antwort darauf lautete:
„Wir werden unsere Freiheit bewahren, den Wohlstand sichern.“
»Friedrich Merz | Bundestag«
Diese Worte sind reine Phrasen, nichts weiter. Die große Koalition der Machtversessenen agiert aus purem Taktieren und nicht aus Überzeugung. Weidel trifft ins Schwarze, wenn sie Merz’ gebrochene Versprechen benennt: Er kündigt an, was er am nächsten Tag einkassiert. Währenddessen wächst die Unsicherheit der Bürger, getrieben von Inflation, wachsender Ungleichheit und einer Politik, die den Kontakt zur Realität längst verloren hat. Was bleibt da noch an Vertrauen? Es verdampft, weil politische Fehlentscheidungen nicht die Ausnahme, sondern das Markenzeichen dieser Regierung sind.
Merz’ „Herbst der Reformen“ ist ein Schlagwort, das Substanz vermissen lässt. Seine Ankündigung weiterer „Jahreszeiten der Reformen“ verrät, dass schnelle Lösungen nicht in Sicht sind. Anstatt mutiger Schritte liefert er vage Versprechen, die die Interessen der Eliten wahren, während die Mittelschicht weiter blutet. Die Generaldebatte zeigt ein Land am Abgrund. Merz’ Regierung schafft es nicht, Vertrauen zu schaffen oder die Krise zu bewältigen. Während Weidel die Unzufriedenheit für ihre Agenda nutzen kann, bleibt Merz’ Kurs ein Tanz auf der Stelle. Merz ist und bleibt ein Kanzler, der die Probleme beschwört, aber keine Lösungen liefert.