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Screenshot / ARD Tagesthemen

Der Streit um Heidi Reichinnek und das Geheimdienst-Gremium

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Die Linke forderte nicht nur Mitwirkung, sie verknüpfte ihre Zustimmung zu Verfassungsfragen mit einem Sitz im PKGr. Der Bundestag reagierte mit klarer Ablehnung. Die Empörung folgte prompt.
Zusammengefasst

Am gestrigen Donnerstagnachmittag wurde im Bundestag über die Zusammensetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) abgestimmt. Das Ergebnis war ein politischer Paukenschlag – wenn auch kein unerwarteter. Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek scheiterte mit ihrem Anspruch auf einen Platz im Geheimdienst-Gremium ebenso wie die beiden Kandidaten der AfD. Damit bleibt die parlamentarische Opposition im PKGr nahezu außen vor. Während die Union ihre Blockade mit mangelnder Vertrauenswürdigkeit begründet, spricht Reichinnek von einer Beschädigung der Demokratie.

Erpressung statt Eignung

Noch vor der Abstimmung wandte sich Reichinnek direkt an die Unionsfraktion. Sie forderte, ihr den „zustehenden Platz“ zu ermöglichen. Für den Fall einer Ablehnung kündigte sie Konsequenzen an. Die Union sei schließlich „an vielen Stellen auf uns angewiesen“, etwa bei Zwei-Drittel-Mehrheiten zur Wahl von Verfassungsrichtern oder bei einer Grundgesetzänderung zur Schuldenbremse. Die Botschaft war klar: Unterstützung im Gremium gegen Unterstützung bei Verfassungsfragen.

„Ich erwarte, dass die Union mit ihren fakten- und substanzlosen Anwürfen aufhört und der Linksfraktion den ihr zustehenden Platz im PKGr ermöglicht. […] Sollte das nicht geschehen, müsste man sich Gedanken machen über die weitere Zusammenarbeit.“

»Heidi Reichinnek / SPIEGEL«

Ein politisches Ultimatum, dem sich die Union nicht beugte. Die Führung der Unionsfraktion verzichtete auf eine Wahlempfehlung. CDU und CSU ließen ihren Abgeordneten freie Hand – allerdings mit deutlicher öffentlicher Distanzierung.

Das PKGr: Kontrollorgan mit Schlüsselrolle in der Sicherheitsarchitektur

Das »Parlamentarische Kontrollgremium« (PKGr) ist eines der sensibelsten und mächtigsten Gremien des Deutschen Bundestags. Es überwacht die Tätigkeit der drei Nachrichtendienste des Bundes: den Bundesnachrichtendienst (BND), der im Ausland operiert, den für die Bundeswehr zuständigen Militärischen Abschirmdienst (MAD) sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), das innerstaatlich tätig ist. Das Gremium besteht aus neun Mitgliedern, tagt unter strikter Geheimhaltung in einem eigens abhörsicher ausgebauten Raum des Bundestags und erhält Einblick in Vorgänge, die ansonsten keinem anderen parlamentarischen Ausschuss zugänglich sind.

»Screenshot / Deutscher Bundestag«

Die Bundesregierung ist gesetzlich verpflichtet, das PKGr umfassend über die Arbeit der Dienste zu informieren, insbesondere bei Vorgängen von „besonderer Bedeutung“. Darüber hinaus kann das Gremium eigenständig Berichte anfordern und erhält Zugriff auf operative Erkenntnisse und verdeckte Maßnahmen. Damit stellt es das zentrale Bindeglied zwischen Parlament und Nachrichtendiensten dar. Die Mitglieder sind zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet. Wer dieses Gremium besetzt, entscheidet nicht nur über parlamentarische Kontrolle, sondern über Vertrauen in den Umgang mit Staatsgeheimnissen.

„Unwählbar“: Klare Absage von Union und CSU

Die Union ließ von Anfang an keinen Zweifel daran, dass sie Reichinnek als ungeeignet für das Parlamentarische Kontrollgremium betrachtet. CSU-Generalsekretär Martin Huber erklärte gegenüber der BILD, die Entscheidung sei mit der besonderen Verantwortung und Sensibilität des Gremiums begründet worden.

„Die CSU wird Heidi Reichinnek nicht ins Parlamentarische Kontrollgremium wählen. Heidi Reichinnek ist unwählbar! Das Parlamentarische Kontrollgremium überwacht die Nachrichtendienste und hat Zugang zu höchst vertraulichen Informationen, nur vertrauenswürdige Personen dürfen ihm angehören.“

»Martin Huber / BILD«

Auch aus der CDU kamen klare Signale: Reichinnek sei angesichts ihrer politischen Positionierung und öffentlichen Auftritte nicht tragbar. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion Steffen Bilger äußerte sich unmissverständlich:

„Sie steht für eine Linkspartei, die sich nach wie vor nicht glaubwürdig vom Linksextremismus distanziert und deren Haltung zum Antisemitismus zumindest ambivalent wirkt.“

»Steffen Bilger / regional Heute«

Reichinneks öffentliches Bekenntnis zum Linksextremismus

Dass diese Zweifel nicht aus der Luft gegriffen sind, machte Reichinnek selbst deutlich. Anstatt sich inhaltlich auf Sicherheitsfragen zu konzentrieren, zweckentfremdete sie eine Rede zur außenpolitischen Regierungserklärung im Bundestag, um eine Solidaritätsbekundung mit der mutmaßlichen Linksterroristin Maja T. abzugeben, einer Angeklagten Person der sogenannten „Hammerbande“.

Diese Gruppe wird beschuldigt, mit Metallwerkzeugen auf vermeintlich politische Gegner eingeschlagen und dabei auch Unbeteiligte verletzt zu haben. T. wurde in Berlin festgenommen und nach Ungarn ausgeliefert. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Auslieferung später für unzulässig erklärt, allerdings zu spät, T. war bereits in Budapest. HAINTZmedia hatte darüber berichtet.



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Reichinnek nannte den Prozess eine „Farce“ und erklärte, Maja T. stünde auf der Seite von „Rechtsstaat und Demokratie“, während sie die ungarische Justiz hingegen als „politische Willkür“ und „Autoritarismus“ einordnete. Trotz klarer Zweckentfremdung ihrer Redezeit griff Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow nicht ein. Der Linken-Politiker ließ die Entgleisung gewähren, SPD und Grüne spendeten Applaus.

»Janina Lionello / 𝕏«

Unterstützung von SPD und Grünen

Trotz der massiven Vorbehalte der Union fand Heidi Reichinnek innerhalb der SPD und bei den Grünen demonstrative Unterstützung. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Innenexperte Lars Castellucci sprach sich deutlich für Reichinneks Wahl ins Parlamentarische Kontrollgremium aus. Gegenüber dem »Redaktionsnetzwerk Deutschland« (RND) erklärte er, es gebe keine Gründe, sie nicht zu wählen. Für Castellucci stand offenbar nicht zur Debatte, dass Reichinnek sich öffentlich mit einer mutmaßlichen Linksterroristin solidarisiert hatte. Auch die wiederholte Missachtung parlamentarischer Gepflogenheiten durch Reichinnek schien für ihn kein Problem darzustellen.

„Frau Reichinnek ist aus meiner Sicht wählbar. Es gibt keine Gründe, sie nicht zu wählen – anders als bei den Kandidaten der AfD. Denn die Partei steht nicht auf dem Boden unserer Verfassung. Es ist wichtig, dass die Sicherheitsbehörden eine Kontrolle durch das Parlament erfahren. Dabei sollte man die demokratischen Oppositionsfraktionen einbeziehen.“

»Lars Castellucci / RND«

Ergebnis der Abstimmung: Durchgefallen wie auch die AfD

»Die Abstimmung« im Detail: Reichinnek erhielt 260 Ja-Stimmen bei 258 Nein-Stimmen, 27 Enthaltungen und 42 ungültigen Stimmen. Das reichte nicht aus, denn für die Wahl in das Gremium ist eine absolute Mehrheit der Abgeordneten notwendig, die bei 316 Stimmen lag. Der Linken fehlten folglich 56 Stimmen zur notwendigen Mehrheit. Dass der Bundestag damit einen von der Linken geforderten Sitz nicht vergab, lag auch daran, dass die Partei nach dem Verlust ihres Fraktionsstatus infolge der Abspaltung des BSW auf Stimmen anderer Fraktionen angewiesen war – insbesondere der Union, die ihre Unterstützung verweigerte.

Auch die AfD-Kandidaten Martin Hess und Gerold Otten verfehlten wie in den Jahren zuvor deutlich die nötige Mehrheit. Beide Ergebnisse lagen erwartungsgemäß weit unter der Schwelle. Ein erneuter Versuch mit neuen Kandidaten ist bislang nicht vorgesehen. In sozialen Medien stößt der erneute Ausschluss der größten Oppositionspartei aus dem Kontrollgremium auf scharfe Kritik. Ein Gremium, das nur aus Vertretern der Regierungs- und Altparteien besteht, könne keine unabhängige Kontrolle ausüben. Der Ausschluss der AfD gilt dabei als demokratisch fragwürdig.

»Prof. Carl Leiserfluss / 𝕏«

Die »Zusammensetzung des Gremiums« nach der Wahl zeigt ein klares Bild: Drei Sitze gingen an die Union, zwei an die SPD. Ein weiterer ging an Konstantin von Notz von den Grünen, damit ist er der einzige Vertreter der Opposition im neuen Gremium. Die Sitze, die ursprünglich für Linke und AfD vorgesehen waren, bleiben unbesetzt.

Nach der Niederlage: Empörung, Schuldzuweisung, Selbstviktimisierung

Kaum war das Wahlergebnis verkündet, begann in der Linksfraktion die öffentlich inszenierte Empörung. Co-Fraktionschef Sören Pellmann, Bundestagsabgeordneter aus Leipzig, sprach auf der linken Plattform Bluesky von einem „undemokratischen und unwürdigen“ Vorgang. Die Union, so Pellmann, bevorzuge es, die Linke zu blockieren und zu verteufeln, anstatt „Verantwortung zu teilen und mit Demokraten zu arbeiten“.

»Screenshot / Sören Pellmann / bluesky«

Die Tatsache, dass es weder von Reichinnek noch von ihrer Fraktion eine inhaltliche oder sicherheitspolitisch fundierte Begründung für ihre Kandidatur gab, wurde dabei großzügig ignoriert. Stattdessen setzte man auf moralische Empörung, und zwar auf Kosten der institutionellen Integrität eines sicherheitsrelevanten Ausschusses.

Reichinnek selbst ließ keinen Anflug von Selbstkritik erkennen. Sie sprach gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland von einer „substanzlosen Kampagne“ gegen ihre Person, die sie sich „nicht wirklich erklären“ könne. In der »ARD« äußerte sie:

Also ich glaube nicht, dass ich gescheitert bin oder meine Partei […], die Union ist mal wieder an der Demokratie gescheitert.“

»Heidi Reichinnek / ARD«

Die Konsequenz für die weitere parlamentarische Zusammenarbeit: Die Union müsse nun „auf Augenhöhe“ auf die Linke zukommen. Wer vorher mit Drohungen agierte, fordert nun Gleichberechtigung.

Ihre zentrale Botschaft: Die Linke lasse sich künftig nicht mehr vorschreiben, wen sie für welches Gremium aufstellt. Dass das Parlament per Abstimmung über die Eignung eines Kandidaten entscheidet und nicht die Fraktionen allein, wurde dabei konsequent ausgeblendet. Die Ablehnung wurde nicht etwa als demokratischer Meinungsbildungsprozess, sondern als gezielte Ausgrenzung gewertet.

„Wie wir jetzt weiter verfahren, das werden wir gemeinsam beraten. Aber ich sag’s nochmal: Wir lassen uns von anderen Fraktionen nicht vorschreiben, wen wir für welches Gremium vorzuschlagen haben.“

»Heidi Reichinnek / WeLT«

Der Maßstab, den man selbst nicht aushält

Reichinnek spricht nun von Doppelmoral und Angriffen auf die Demokratie. Doch es ist ihre Partei, die andere, beispielsweise die AfD, regelmäßig ausschließt. Dass man nun selbst betroffen ist, wertet man plötzlich als undemokratisch. Der Maßstab, den man anderen auferlegt, gilt offenkundig nicht für einen selbst.

Die Ablehnung Reichinneks war keine politische Spielerei. Vielmehr war sie eine notwendige Entscheidung zur Wahrung staatlicher Vertraulichkeit. Wer sich öffentlich mit mutmaßlichen Gewalttätern solidarisiert, mit politischen Erpressungsversuchen agiert und keine Verantwortung für die eigene Sprache übernimmt, disqualifiziert sich selbst – nicht wegen der Partei, sondern wegen der Person.

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Janine Beicht

Janine Beicht ist gelernte Kommunikationsdesignerin, arbeitet aber seit 2020 im Gesundheits- und Sozialwesen. Als Aktivistin engagiert sie sich besonders auf dem Gebiet der Psychologie unter dem Aspekt der jeweiligen politischen Machtinteressen.

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