Der Kaufmannsfriede

Ein Kommentar von Rechtsanwalt und Steuerberater Christian Moser

Zwischen Kaufmannsehre und Krämerseele liegt ein weites Feld des Selbstanspruches und der Vorurteile. Eines aber ist klar: Ein Kaufmann lebt vom Ausgleich der Interessen. Das ist das Wesen des Vertrages. Natürlich spielen immer die Potenziale und die Machtverhältnisse eine Rolle. Die sind aber gegeben. Der Vertrag dient dazu, die Interessen beider Seiten auszugleichen und dauerhaft zu sichern, denn beide Seiten haben ein Interesse daran, dass der Vertrag eingehalten wird, Rechtssicherheit eintritt.

Damit ist Donald Trump im doppelten Sinne groß geworden. Er hat das Geschäft seines Vaters weitergeführt und sein Leben lang erfolgreich Verträge geschlossen. Sein Lebenswerk ist der Ausgleich der Interessen. Als Geschäftsmann konnte Donald Trump es sich nicht leisten, Verträge zu schließen, die ihm um die Ohren fliegen würden. Er weiß also, wie er die Parteien an einen Tisch bekommt und am Ende trotz aller Schwierigkeiten zufriedenstellt. Das Wort “Zufriedenstellen” trägt das Element, um das es geht, bereits in sich: Zufriedenstellen heißt, zu Frieden stellen.

Was ist denn Friede? Die einfachste Definition ist die Abwesenheit von Krieg. Sie greift aber wesentlich zu kurz. Der französische General des Ersten Weltkrieges Ferdinand Foch sagte, der sogenannte Versailler “Friedensvertrag” sei kein Friede, sondern „ein Waffenstillstand für 20 Jahre”. Er hatte Recht. Warum war das so?

Versailles war eine Zäsur 

Das Versailler Diktat war eine Zäsur in der üblichen Form der Beendigung von Kriegen, jedenfalls in Europa. Bis dahin war es aus guten Gründen üblich und selbstverständlich, dass auch der Verlierer am Verhandlungstisch saß. Mit ihm gemeinsam handelte man auf Augenhöhe eine Ordnung aus, die den Grund für den Konflikt beseitigte, wohlgemerkt unter Anerkennung der bestehenden Verhältnisse.

Ein bedeutendes Beispiel dafür war der Wiener Kongress. Man kann und muss über die Politik des österreichischen Verhandlungsführers Metternich vieles sagen und kritisieren, insbesondere die Pressezensur. Gleichwohl war der Kongress von Wien der Versuch, unter Beteiligung des Verlierers Frankreich Europa neu und stabil zu ordnen.

Auch die deutschen Einigungskriege rückten von diesem Prinzip nicht ab. Bismarck bestand darauf, dass die preußischen Truppen nicht nach Wien einmarschierten, damit Österreich das Gesicht nicht verliere. Der Frieden zwischen Deutschland und Frankreich von 1871 legte nur überschaubare Reparationen fest. Dass gleichwohl die Rückgliederung des von Louis XIV. widerrechtlich annektierten Elsass-Lothringens an Deutschland in Frankreich zu einer fortgesetzten Revanche-Propaganda führte, steht auf einem anderen Blatt, ebenso wie die jahrhundertelangen Versuche Frankreichs, sich das Rheinland einzuverleiben.

Die Entmenschlichung des Gegners machte Frieden unmöglich

Und hier ist vielleicht die erste Keimzelle des Sittenverfalles. Der wurde perfektioniert durch die Gräuelpropaganda Großbritanniens im Ersten Weltkrieg. Damit war die Büchse der Pandora geöffnet. Der deutsche Gegner wurde entmenschlicht und diese Entmenschlichung machte jeden geordneten Friedensschluss unmöglich. Revanchegelüste und Vernichtungswillen führten zum Vernichtungskrieg. Die Kaskade des Ersten und Zweiten Weltkrieges, des weiteren 30-jährigen Krieges, wie Churchill ihn nannte, war losgetreten. Endete der Dreißigjährige Krieg des 17. Jahrhunderts trotz schlimmster Verheerungen noch in einem – wenn auch für Deutschland schmählichen – Verhandlungsfrieden, war die notwendige Folge der ideologisierten Entmenschlichung des 20. Jahrhunderts die bedingungslose Kapitulation und Zerschlagung des Feindes.

Das war die Todsünde des 20. Jahrhunderts. Seitdem ist jeder Kriegsgegner der westalliierten Welt ein “neuer Hitler“ und muss bedingungslos niedergerungen werden.

Die Politiker der Europäischen Union, allen voran die in Berlin, stecken noch tief in diesem diabolischen Sumpf des 20. Jahrhunderts wie in einer Religion fest. Sie wollen Putin als Wiedergänger von Wasweißichwem vernichten und sehen ohne dies keine Möglichkeit zum Frieden. Sie können sich die Beendigung des Krieges nicht anders vorstellen als in Trümmern, so wie sie es von ihrer Erlösung 1945 gelernt haben. Nur Kasteiung und der Gang nach Canossa machen in ihren Augen den Sünder „würdig“ für die Gnade des Erlösers. Es war jedoch keine Erlösung, sie wurden nicht frei. Wie ein traumatisiertes Kind gefallen sie sich darin, als ehedem selbst Gepeinigte, nun ihrerseits als Narzissten durch die Welt zu gehen. Hunderte Schundstreifen aus Hollywood nach dem Schlage von “Inglorious Bastards“ haben die Herzen der Völker – und als betroffenes Volk gerade das deutsche – mit diesem kultischen Sadismus vergiftet. Und so bedeutet für sie Frieden keine Versöhnung, sondern die “Stunde Null”, den Great Reset des Feindes.

Um aus der Teufelsspirale der Gewalt herauszukommen, müssen wir uns von dem entmenschlichenden Gift des 20. Jahrhunderts befreien.

Darin liegt die wahre Dimension der Diplomatie des Donald Trump. Er versucht nichts weniger, als eine neue Ära der Kriegs- und Friedensgeschichte einzuleiten, zurückzukehren zum Verhandlungsfrieden und weg vom Sklavereidiktat. Dass dies gerade aus Amerika kommt, ist ebenso begrüßenswert wie wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, denn die Angloamerikaner haben diesen Fluch gesät und sind deshalb, aber auch wegen ihrer Machtposition, die einzigen, die ihn wieder bannen können. Trump bricht hier also gerade mit der vielgerühmten und doch unrühmlichen “Diplomatie”-Geschichte seines eigenen Landes – um des Friedens Willen. Hätte er anstelle eines Wilson, eines Roosevelt oder Truman gestanden, es hätten Abermillionen Menschen nicht sterben müssen, es hätte keine Erbsünde geben müssen, keine Teilung und keinen Kalten Krieg – und die unzähligen Kriege nicht, die vorher und nachher für “freedom and democracy” geführt wurden.

Trump will die Interessen ausgleichen, statt zu schießen

In einem Interview vom 1. März 2025 spricht der US-Außenminister Marco Rubio aus, worum es geht. Es geht darum, den Gegner nicht herabzuwürdigen, sondern ihm die Möglichkeit zu geben, an den Verhandlungstisch zu treten, um überhaupt einen Frieden schließen zu können. Jeder, der sich mit Verhandlungen auskennt, weiß, dass konstruktive Verhandlungen nur möglich sind, wenn alle Seiten das Gesicht wahren können.

Selenskyj spielt die Klaviatur des Hasses, das hat er öffentlich zur Schau gestellt und das hat Trump ausdrücklich gesagt. Trump will und muss dies unterbinden, damit Verhandlungen möglich sind, Verhandlungen, die alle wechselseitigen Interessen benennen und ausgleichen. Auch das sagt Rubio deutlich.

Das ist nichts anderes, als was jeder Kaufmann tut, jeder ehrliche Makler, wie Bismarck beim Berliner Kongress. Die Friedensverhandlungen Trumps sind der erste Versuch, seit dem 20. Jahrhundert wieder einen Frieden zwischen Menschen zu schließen und nicht zwischen Teufeln und Engeln.

Menschen sind fehlbar, Menschen begehen Verbrechen und Menschen haben Bedürfnisse. All das ist gegeben und bei den Verhandlungen vorauszusetzen. Man kann sich entweder so lange totschießen, bis nur noch einer übrig bleibt, oder man kann auf das Schießen verzichten und die Klärung der Verhältnisse statt mit Waffen durch das Wort erreichen und durch den Handschlag.

Der Einwand, der Vertrag könnte gebrochen werden, ist geradezu widersinnig. Was passiert denn, wenn der Vertrag gebrochen wird? Es wird geschossen. Jetzt wird aber die ganze Zeit geschossen! Wenn diejenigen, die dieses Argument im Munde führen, weiter schießen wollen, dann brauchen sie sich nicht darüber zu beschweren, dass das maximale Risiko eines Vertragsbruchs im Schießen bestünde.

Den Bruch des Vertrages zu vermeiden, ist die Kunst der Verhandlung. Je besser der Vertrag, je aufrichtiger, ehrlicher und empathischer der Ausgleich der Interessen ist – auch unter Anerkennung des wechselseitig zugefügten Leides –, desto dauerhafter ist der Frieden. Man kann keinen Frieden schließen, wenn man nur die eigenen Opfer anerkennen will und nicht auch die des Gegners. Und man kann keinen dauerhaften Frieden schließen, wenn man den Gegner dazu zwingt, seine eigenen Opfer zu verleugnen. Das ist das Gegenteil dessen, was die Westalliierten im 20. Jahrhundert taten, und was Selenskyj und die EU derzeit fordern. Da soll noch jemand sagen, die EU sei ein Friedensprojekt!