Lauterbachs jüngster Coup
Karl Lauterbach hat die elektronische Patientenakte auf den Weg gebracht, die ab 2025 für alle gesetzlich Versicherten bereitgestellt wird. In ihr werden alle medizinischen Daten wie Diagnosen, Befunde, Medikationspläne, Untersuchungsergebnisse und die Krankengeschichte der Patienten über die Praxis- und Krankenhausgrenzen hinweg umfassend digital gespeichert werden. Bislang liegen die Unterlagen beim Arzt des Vertrauens und werden bei Bedarf von Kollegen angefordert. Künftig sollen alle Gesundheits- und Behandlungsdaten digital und zentral in elektronischen Patientenakten (ePAs) gespeichert werden. Deutschland komme, so Lauterbach, um diesen Schritt nicht herum:
„Deutschlands Gesundheitswesen hängt in der Digitalisierung um Jahrzehnte zurück. Das können wir nicht länger verantworten. Deshalb machen wir einen Neustart – erschließen die elektronische Patientenakte für alle, machen das elektronische Rezept alltagstauglich und erleichtern die Forschung auf Grundlage von Gesundheitsdaten. Moderne Medizin basiert auf Digitalisierung und Daten. Ihre Vorteile zu nutzen, macht Behandlung besser.“
Meine Rechte nur heimlich, still und leise kommuniziert?
Alle gesetzlich Versicherten haben ein Widerspruchsrecht, die sogenannte Opt-out-Möglichkeit, was allerdings genauso wie die Einrichtung der ePAs zu wenig kommuniziert wird. Dieses Widerspruchsrecht muss eben aktiv in Anspruch genommen werden, und zwar möglichst bald, da die Einführung schon vor der Tür steht. Jeder kann der Anlage der elektronischen Patientenakte bei seiner Krankenkasse widersprechen, so dass die ePA gar nicht erst angelegt werden darf oder wieder gelöscht werden muss. Und wie wird das kommuniziert? Wenn es nach dem Willen der Initiatoren ginge, am besten gar nicht. Doch durch Petitionen sind mehr und mehr Bürger auf dieses Vorhaben aufmerksam geworden. Die Krankenkassen selbst informieren ihre Versicherten jedenfalls nicht transparent über diese Opt-out-Möglichkeit. Oder haben Sie schon ein Informationsschreiben von Ihrer Krankenkasse über Ihr Widerspruchsrecht und darüber, wie Sie es ausüben können, erhalten? Ebenso wie der Anlage einer elektronischen Patientenakte können die Versicherten übrigens auch einem digitalen Impfpass bei ihrer Krankenkasse widersprechen.
Meine Daten in guten Händen?
Wenn Daten digital gespeichert werden, besteht immer das Risiko von Datenmissbrauch und Hackerangriffen oder von einem unerwünschten Datenabfluss an andere Einrichtungen. Und gerade, wenn sensible und ansonsten schwer zugängliche personenbezogene Daten in Massen verfügbar gemacht werden, besteht die Gefahr, dass sie auch für andere äußerst attraktiv und interessant werden. Alleine die Gruppe derer, die erlaubten Zugriff auf meine Daten haben, ist immens groß. Möchte ich, dass jede Ärztin, jeder Arzt, alle im Gesundheitswesen Tätige etc. meine Daten und Krankengeschichte einsehen dürfen? Bianca Kastl hält diese zentrale Verwaltung sogar für „entmündigend“.
Das ärztliche Gelöbnis – das Papier nicht mehr wert, auf dem es steht?
In der Genfer Deklaration des Weltärztebundes heißt es im Ärztlichen Gelöbnis, das sich auf den Eid des Hippokrates stützt:
„Ich werde die mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus wahren.“
Darauf verlassen sich Patienten seit Jahrhunderten. Durch die digitale zentrale Sammlung der persönlichsten Daten habe ich die Kontrolle darüber verloren, wer alles Einblick in meine Daten hat – bin hin zum IT-Techniker, der z. B eine Softwarewartung durchführt. Ärzte beklagen zu recht, dass die Vertrauensbasis zwischen Arzt und Patient zumindest verwässert, wenn nicht gar abgeschafft wird. Silke Lüder, die stellvertretende Vorsitzende der Freien Ärzteschaft, kritisiert einen Angriff auf genau diesen Punkt:
„Die gesamte Planung zielt darauf an, die ärztliche Schweigepflicht aufzuheben – und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Patienten gleich mit.“
Und wenn Herr Lauterbach diese Speicherung als Heilmittel präsentiert, es würde „die Behandlung besser“ machen, dann verkennt er die Wirklichkeit. Möchte ich als Patient meinem Arzt meine ganz persönlichen Problem, die ich vielleicht nicht einmal mit meiner engsten Familie bespreche, erzählen, wenn ich weiß, dass diese Informationen weitergeleitet, sonstwo gespeichert und zugänglich gemacht werden und morgen schon abgegriffen werden könnten? Oder gar manipuliert? Das Verschweigen wichtiger Details gegenüber dem Arzt kann aber den Behandlungserfolg negativ beeinflussen.
Die medizinische Wahlfreiheit wird ebenfalls eingeschränkt. Nicht umsonst sagt man: „Wenn Du wissen möchtest, ob diese Operation sinnvoll ist, frag noch einmal einen Arzt, der nicht daran verdient“. Eine unvoreingenommene zweite Meinung werde ich nicht erwarten können, wenn Arzt B liest, was Arzt A empfohlen hat. Eine adäquate Behandlung im Bereich psychischer Probleme wird auch erschwert werden, denn wie kann man sich darauf verlassen, dass kein Arzt meine Probleme für erfunden hält und ich in der Akte als psychisch labiler Mensch abgestempelt werde?
Sarah Wagenknecht nannte Karl Lauterbach schon vor Jahren den „Architekten“ dieses Systems und machte ihn, den damaligen „Superberater“ von Ulla Schmidt, als Verantwortlichen für den Anfang vom Ende eines gut funktionierenden Gesundheitssystems aus, zuvorderst durch seine Einführung der Fallpauschale. Seitdem habe sich der „Selbstauftrag der Krankenhäuser gewandelt von der Frage, was man für den Patienten tun kann, hin zur Frage, was man mit dem Patienten verdienen könne.“
Ausverkauf unserer Daten an Dritte
Doch es geht ja noch weiter: die persönlichsten Daten werden nicht nur umfassend digital gespeichert, sondern auch weiteren kommerziellen Interessensgruppen zur Verfügung gestellt. Forschungseinrichtungen, Pharmakonzerne und Medikamentenhersteller sollen aktiv Zugriff auf unsere Daten bekommen. Wer ein „berechtigtes Interesse“ an der Einsicht in diese Daten hat, das wird dabei sicher nicht von den Patienten entschieden, sondern dort, wo das Geld dafür fließt. Den Pfad zur Auslagerung sensibler, personenbezogener Daten ins Internet hatte der damalige Gesundheitsminister und gelernte Bankkaufmann Jens Spahn mit dem sogenannten E-Rezept gemacht, an dem die Arztpraxen teilnehmen mussten, ohne eine Wahl zu haben. Dass Jens Spahn es der gewinnorientierten Gesundheitsindustrie ermöglicht, auf die intimen Daten von 73 Millionen Menschen zuzugreifen, nennt Manfred Ulex „Datenhehlerei“ und skandalös, dass das „hohe Gut des Datenschutzes (…) durch den Staat nun völlig ausgehebelt“ werde. Ein Naivling wäre, wer denkt, dass alle diese Mauscheleien im Hintergrund, anders kann man es nicht nennen, einzig zum Wohle der Patienten stattfinden. Der Artikel „Nach Wohnungskauf für 980 000 Euro: Wie Jens Spahn einen alten Freund in einen Top-Job holte“ berichtet über diese Zustände.
Gläserner Patient, gläserner Konsument, gläserner Bürger
Es steht die Vermutung im Raum, dass der “gläserne Patient“ erst der erste Schritt ist, die Bürger komplett in eine digital-kontrollierte Welt zu bringen. Spielt sich das „eigentliche Spektakel“ vielleicht doch auf viel höherer Ebene ab? Das vermutet Claudia Jaworski, Mitglied des Presseteams vom Verein „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“:
„Denn was Lauterbach in philanthropischer Weise als Instrument funktionierender Gesundheitsversorgung verkaufen will, ist in Wirklichkeit ein durch die Hintertür eingeführtes Social Credit System, über das die globale Gesundheitspolizei namens WHO frei disponieren soll. Die unzulässige elektronische Patientenakte soll hierbei eine wesentliche Rolle spielen.“
Denselben Tenor schlägt auch der ehemalige LKA-Präsident Thüringens Uwe Kranz an, der sagt, es gehe „nicht um Krankheiten. Es geht um Angriffe auf unsere Freiheitsrechte, um die persönliche Entscheidung über die eigene Gesundheit und um das eigenverantwortliche Wohlergehen.“
Jetzt aktiv werden: Schutz vor Datenweitergabe im Gesundheitswesen aktivieren
Was wir alle dringend tun müssen: Jetzt Widerspruch gegen das Anlegen der ePA, also das digitale Sammeln und Zur-Verfügung-Stellen der eigenen Patientendaten bei der Versicherung einlegen, das sind in der Regel nur zwei oder drei Klicks. Eine Übersicht über die Widerspruchsmöglichkeiten hat der genannte Verein MWfGFD zusammengestellt, der auch ein Musterschreiben verfasst hat. Auch die Verbraucherzentrale stellt ein Musterschreiben zur Verfügung. Detailliertere Vorlagen, die auf einzelne Versicherungen zugeschnitten sind, findet man über den Telegramkanal und auf der Website der Fachanwältin für Medizinrecht und Buchautorin Beate Bahner.