In Sachsen entfacht ein offener Brief von sechs ehemaligen CDU-Politikern eine Diskussion. Die Verfasser fordern, dass sich die CDU für Gespräche mit der AfD öffnen solle, um eine stabile Regierung zu ermöglichen. Dies widerspricht jedoch dem Kurs der amtierenden CDU-Fraktion, die bislang jede Zusammenarbeit mit der AfD ablehnt.
Forderung nach einer neuen politischen Kultur
Die Verfasser des offenen Briefs, darunter prominente CDU-Persönlichkeiten wie der ehemalige Generalsekretär und Ex-Landwirtschaftsminister Frank Kupfer sowie der frühere sächsische Justizminister Manfred Kolbe, argumentieren, dass die CDU als Partei der Mitte auf Dauer nicht nur mit links von ihr stehenden Parteien koalieren könne. Die politischen Ziele der Christdemokraten, insbesondere in den Bereichen Wirtschafts-, Energie-, Migrations- und Gesellschaftspolitik, ließen sich ihrer Ansicht nach nicht in einer Koalition mit SPD, Grünen und der von Sahra Wagenknecht geführten Bündnisliste BSW umsetzen.
Der Kern ihrer Argumentation ist der Respekt vor den Wählern: Rund 30 Prozent der Sachsen haben bei der Landtagswahl für die AfD gestimmt. Diesen Wählerwillen zu ignorieren, so die Unterzeichner, sei politisch unsouverän und würde langfristig die Gräben in der Gesellschaft vertiefen. „Der politische Gegner darf, solange er keine Gewalt anwendet, nicht als Feind gesehen werden“, heißt es im Schreiben. Diese Sichtweise fordert eine Abkehr von der bisherigen Strategie der CDU, die AfD als möglichen Koalitionspartner auszuschließen.
Widerstand innerhalb der CDU
Die CDU in Sachsen, angeführt von Ministerpräsident Michael Kretschmer, schließt laut BILD eine Zusammenarbeit mit der AfD und der Linkspartei kategorisch aus. Damit hält sie sich an den bundesweiten Unvereinbarkeitsbeschluss. In Sachsen wird der AfD-Landesverband vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft. Dieser ist allerdings nicht als unabhängige Behörde konzipiert, sondern agiert als Instrument des Innenministeriums gegen kritische Bürger und politische Gegner. Zudem ist diese Institution selbst von Skandalen betroffen. In ihrer Argumentation stützt sich die CDU-Führung jedoch auf die Einschätzung dieser Instanz und betont die essentielle Notwendigkeit, eine klare Brandmauer nach rechts zu ziehen.
„Wir habe eine Regierung mit der AfD und der Linkspartei vor der Wahl klar ausgeschlossen.“
„Im Sächsischen Landtag haben alle Parteien und Abgeordnete die gleichen demokratischen Rechte. Das hat sich bereits in der Konstituierung des Landtages mit der Wahl der vier Vizepräsidenten gezeigt.“
CDU-Landesverband Sachsen / mdr
Auch innerhalb der sächsischen CDU regt sich Widerstand gegen den offenen Brief. Der Leipziger Landrat Henry Graichen distanziert sich von den Forderungen der ehemaligen Parteikollegen und betont gegenüber dem mdr, dass viele AfD-Mitglieder die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnten. Die Sorgen seiner Parteifreunde teile er zwar, doch die Lösung könne nicht in einer Annäherung an die AfD bestehen. Vielmehr gehe es darum, die bestehenden Probleme der Bürger ernsthaft und durch konkrete politische Maßnahmen anzugehen.
Komplizierte Regierungsbildung in Sachsen
Die Forderung nach Gesprächen mit der AfD kommt in einem politisch heiklen Moment: Die Regierungsbildung in Sachsen gestaltet sich als äußerst schwierig. Die CDU, die die Landtagswahl knapp mit 34,4 Prozent vor der AfD mit 34,0 Prozent gewonnen hat, führt derzeit Sondierungsgespräche mit der SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Diese Gespräche blieben jedoch bislang ergebnislos. Besonders die Forderung des BSW nach einem Corona-Untersuchungsausschuss hat die Verhandlungen ins Stocken gebracht.
Eine Minderheitsregierung unter Führung der CDU hat Kretschmer wiederholt ausgeschlossen. Die politische Landschaft in Sachsen ist stark fragmentiert, und die traditionellen Koalitionsoptionen bieten nur noch bedingt Mehrheiten. Die CDU sieht sich dadurch mit der Schwierigkeit konfrontiert, stabile Regierungsverhältnisse ohne die AfD zu schaffen – ein Problem, das durch den offenen Brief weiter verschärft wird.
CDU zwischen Brandmauer und Brückenbau
Die Positionen innerhalb der sächsischen CDU spiegeln die gesamtdeutsche Debatte über den Umgang mit der AfD wider. Während die Parteiführung auf Bundesebene eine klare Abgrenzung gegenüber der sogenannten „rechtspopulistischen Partei“ verfolgt, gibt es besonders in konservativen Landesverbänden wie in Sachsen immer wieder Stimmen, die eine Öffnung für Gespräche fordern. Dies sei notwendig, um die eigene politische Identität zu wahren, argumentieren die Befürworter, während Kritiker dies als gefährliche Annäherung an eine Partei betrachten, die angeblich die demokratischen Grundwerte in Frage stellt.
Die Frage, wie die CDU mit der AfD umgehen soll, bleibt eine zentrale Herausforderung – nicht nur in Sachsen, sondern auch auf Bundesebene. Die Diskussion über den offenen Brief macht deutlich, dass die Partei sowohl strategische Überlegungen anstellen als auch Entscheidungen treffen muss, die Auswirkungen auf die politische Kultur und die Grundlagen der echten Demokratie haben.
In einer funktionierenden Demokratie ist es entscheidend, dass Parteien, die von einem signifikanten Teil der Wählerschaft in einem demokratischen Prozess gewählt wurden – wie die AfD mit rund 30 Prozent – nicht von politischen Prozessen ausgeschlossen werden. Eine offene Auseinandersetzung und der Dialog mit allen gewählten Vertretern sind unerlässlich, um das demokratische Fundament zu stärken und den Willen der Bürger zu respektieren. Die CDU steht vor der Aufgabe, Wege zu finden, wie sie konstruktiv mit der AfD umgehen kann. Die Verfasser des offenen Briefes vertreten die Auffassung, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD der CDU helfen könnte, ihre politische Handlungsfähigkeit und Identität zu wahren. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, welchen Kurs die Partei einschlagen wird und welche Konsequenzen dies für das politische Klima in Deutschland nach sich ziehen wird.