Das deutsche Steuersystem wirft offenbar enorme Lücken auf, die besonders Wohlhabenden aus der Finanzbranche ermöglichen, sich auf Kosten der Steuerzahler zu bereichern. So konnte durch die CumEx und CumCum Finanzmarktgeschäfte insgesamt ein steuerlicher Schaden von rund 35 Milliarden Euro entstehen.
Mithilfe einer „Gesetzeslücke“ erschlichen sich die Verantwortlichen Steuerrückerstattungen. Über Jahre griff der deutsche Staat die klaren Hinweise, die er erhielt, nicht auf und schaffte es entsprechend auch nicht, diese dubiosen Geschäfte zu stoppen. (Vgl. Finanzwende.de)
Kanzler Scholz und die folgenschwere Entscheidung des Hamburger Finanzamtes
Besonders brisant ist der Fall um die Hamburger Warburg-Bank, in welchen Bundeskanzler Olaf Scholz involviert ist. Dieser traf sich kurz vor einer äußerst fragwürdig anmutenden Entscheidung des Hamburger Finanzamtes mit Christian Olearius, dem Eigentümer der besagten Bank.
Die Geschehnisse ereigneten sich im Jahr 2016, als der amtierende Kanzler der Bundesrepublik Deutschland noch Bürgermeister der Hansestadt war. Das dortige Finanzamt war bereits willens, die 50 Millionen CumEx-Gelder von der Warburg Bank zurück zu fordern. Nach besagtem Treffen entschied man sich allerdings dagegen. Man überließ die Gelder der Bank. Ende desselben Jahres verjährte die Forderung. Heute gibt der Kanzler vor, sich an den Inhalt des Treffens, nicht mehr erinnern zu können.
Gemäß den Tagebüchern von Olearius empfahl Scholz ihm jedoch, ein Verteidigungsschreiben an Finanzsenator Peter Tschentscher zu senden. Tschentscher leitete das Schreiben an die Steuerverwaltung weiter und markierte dabei die Argumente der Bank.
Selbst in einer Zeit, in der sich so manch einer fragt, ob strafbares Handeln in den Riegen der politischen Führung überhaupt noch Konsequenzen hat, dürfte eine nachgewiesene Beteiligung Olaf Scholz‘ an Steuerhinterziehungen in der benannten Größenordnung durchaus fatale Folgen für die Kanzlerschaft nach sich ziehen.
Politische Verstrickungen mit der Finanzbranche
Der Versuch, Politiker, in derlei Aktivitäten zu verwickeln, ist laut der Staatsanwältin Brorhilker Usus innerhalb der Finanzbranche. Von den entsprechenden Ausgaben für Lobbytätigkeiten liegen die meisten im Bereich des Bundestags.
„Das ist der Bereich des Lobbyismus. Das ist ein Mittel, mit dem die Finanzbranche […] ihre Interessen auch durchzusetzen versucht. […] Hinter geschlossenen Türen versucht sie sowohl im Bereich der Politik anzudocken als auch im Bereich der Verwaltung oder der Rechtssprechung. […] Das ist systemisch. […] In einer idealen Welt hätten wir die Steuergelder längst zurückgeholt. […]
Anne Brorhilker im WDR-Interview
Man kommt [allerdings] als Steuerhinterzieher […] deutlich besser weg als [als] Sozialhilfebetrüger in Deutschland. […] Die Kleinen fängt man, die Großen lässt man laufen.“
Anne Brorhilker befasst sich mit den CumEx-Akten seit 2013 und ermittelte in mehr als 1.700 Fällen. Am 22. April äußerte sie sich dem WDR gegenüber zu ihrer Entscheidung, die Staatsanwaltschaft zu verlassen. Sie sieht eine deutliche „Gefahr, dass die Allgemeinheit das Vertrauen in den Rechtsstaat verliert.“
Nach Rücktritt der Chefermittlerin wird sich die Kölner Staatsanwaltschaft neu sortieren müssen
Nach dem Rücktritt Brorhilkers stehen nun bedeutende Veränderungen bevor: Die Hauptabteilung H von Brorhilker wird aufgespalten, wodurch sie Fälle abgeben muss. Konkret wird eine zusätzliche Abteilung eingerichtet, in die etwa die Hälfte von Brorhilkers bisherigem Team versetzt wird. Für diese zweite Abteilung wird eine separate Führungsebene geschaffen, sodass am Ende zwei Cum-Ex-Teams mit jeweils eigener Leitung existieren werden. NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) kündigte diese Maßnahmen am Mittwoch im Landtag an und bestätigte damit entsprechende Medienberichte der vergangenen Tage, darunter auch Berichte des WDR. Er habe einem entsprechenden Vorschlag des Chefs der Kölner Staatsanwaltschaft zugestimmt.
Inwieweit diese Neu-Strukturierung die Verfahren weiter in die Länge zieht, wird sich zeigen. Ein Fortschritt in Sachen Aufklärung stellt der Rücktritt der beharrlichen Ermittlerin sicherlich nicht dar.
Dauer der Prozesse aufgrund politischer Vernetzungen
Dass die Ermittlungen sich über unverhältnismäßig lange Zeiträume hinziehen, hängt zum einen damit zusammen, dass „zu viele der Verantwortlichen sehr gut in der Politik vernetzt sind oder dass sie teilweise selbst Politiker in aktueller Verantwortung sind, […] z.B. Bundeskanzler Olaf Scholz oder auch der heutige Oberbürgermeister der Stadt Hamburg Peter Tschentscher.“, so Rechtsanwalt Markus Haintz im Interview mit Russia Today. Die hohen Strafen, die in Deutschland üblicherweise für Finanzdelikte verhängt werden, betreffen laut ihm „nur den normalen Bürger. […] Diejenigen [aus dem] Bereich [der] Großkonzerne [oder dem] organisierten Verbrechen treffen […] auf eine schwache Justiz und auch auf wenig politischen Willen, etwas zu ändern.“