Deutschland und Kenia haben ein Migrationsabkommen unterzeichnet, das darauf abzielt, die Zusammenarbeit in der Fachkräftemigration und in der Rückführung abgelehnter Asylbewerber zu stärken. Der Vertrag wurde von der deutschen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und dem kenianischen Außenminister Musalia Mudavadi im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz und dem kenianischen Präsidenten William Samoei Ruto in Berlin unterzeichnet.
Förderung der Fachkräftemigration
Das Abkommen sieht vor, mehr qualifizierte Arbeitskräfte aus Kenia nach Deutschland zu holen. Dies soll insbesondere jungen Kenianern ermöglichen, eine Ausbildung oder Beschäftigung in Deutschland aufzunehmen. Laut ZDF betonte Bundeskanzler Scholz dabei die Chancen, die das Abkommen für beide Länder bietet. „Ein ganz wichtiges Abkommen“, so Scholz, es eröffne die Möglichkeiten, Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen. Der Fachkräftemangel ist in Deutschland eine der größten Herausforderungen, insbesondere in den Bereichen Pflege, IT und Handwerk. Kenia, das als Wirtschaftsmotor Ostafrikas gilt, verfügt über eine junge und wachsende Bevölkerung. Das Durchschnittsalter liegt bei rund 21 Jahren. Die hohe Arbeitslosigkeit, besonders unter jungen Menschen, ist ein bedeutendes soziales Problem in Kenia: Laut dem kenianischen Arbeitnehmerverband liegt die Arbeitslosenquote der 15- bis 34-Jährigen bei 67 Prozent.
Rückführung abgelehnter Asylbewerber
Ein weiterer Aspekt des Abkommens betrifft die Rückführung abgelehnter Asylbewerber. Laut Informationen des Bundesinnenministeriums hat sich Kenia verpflichtet, die Identität seiner Staatsbürger mittels biometrischer Daten zu bestätigen. Zudem sollen auch abgelaufene kenianische Pässe als gültige Reisedokumente anerkannt werden, um die Rückführung zu erleichtern. Innenministerin Faeser und der kenianische Präsident vermieden es jedoch, den Begriff „Abschiebung” explizit zu verwenden.
„Win-Win-Situation“
Präsident Ruto bezeichnete das Abkommen als „Win-Win-Situation“ und hob die Vorteile für beide Nationen hervor. Das große Humankapital Kenias könne genutzt werden, sagte Ruto. Zudem verwies er darauf, dass die Gefahr eines „Braindrains“ – also der Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte – gering sei, da das Abkommen vor allem auf Berufsanfänger und junge Menschen ohne Qualifikation abziele.
Kenia plant im Rahmen des Abkommens mit Deutschland, vor allem weniger qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland zu entsenden. Wie die BBC berichtet, ist vorgesehen, dass bis zu 250.000 kenianische Migranten nach Deutschland kommen sollen, um den dortigen Fachkräftemangel zu lindern. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass viele dieser Arbeitskräfte nicht die hohen Qualifikationen besitzen, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt gefordert werden. Ein Grund dafür ist, dass Kenia seine gut ausgebildeten Fachkräfte für den eigenen wirtschaftlichen Aufschwung benötigt und diese lieber im Land behalten möchte, anstatt sie ins Ausland abwandern zu lassen.
Weitere Abkommen und internationale Migration
Zu dem Abkommen mit Kenia reiht sich eine Serie von internationalen Vereinbarungen Deutschlands zur Steuerung der Migration ein. Bisher bestehen ähnliche Abkommen unter anderem mit Indien, Marokko und Georgien. Weitere Verhandlungen, unter anderem mit Usbekistan, stehen kurz vor dem Abschluss. Die Bundesregierung sieht in diesem Übereinkommen ein wesentliches Instrument zur Regulierung der Zuwanderung und zur Förderung legaler Migrationswege.
Kenia als aufstrebende Wirtschaftsmacht
Kenia mit einer Bevölkerung von knapp 58 Millionen Menschen strebt laut Regierungsplan an, bis 2030 zu einer Nation mit mittlerem Einkommen aufzusteigen. Das Land gilt als führende Wirtschaftskraft in Ostafrika, sieht sich jedoch mit sozialen und ökonomischen Herausforderungen konfrontiert. Besonders die hohe Jugendarbeitslosigkeit und die jüngsten Proteste aufgrund steigender Lebenshaltungskosten und Steuererhöhungen verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf der kenianischen Regierung. Deutschland bietet hier durch das Migrationsabkommen eine wichtige Möglichkeit, jungen Kenianern neue Perspektiven zu eröffnen, während es gleichzeitig den eigenen Fachkräftemangel adressiert.
Investitionen in Ausbildung statt Migration
Die Diskussion um die Fachkräftemigration in die EU steht im Widerspruch zu den vorhandenen Potenzialen innerhalb der eigenen Bevölkerung. Deutschland verzeichnet insbesondere unter jungen Menschen eine hohe Arbeitslosigkeit. Im Jahr 2023 betrug die Jugendarbeitslosenquote (15 bis 25 Jahre) laut Statista 4,9 Prozent. Viele dieser jungen Menschen sind un- oder unterqualifiziert, was darauf hinweist, dass der Fachkräftemangel im eigenen Land durch gezielte Ausbildungsprogramme und eine bessere berufliche Orientierung verringert werden könnte.
Statt auf arbeitsmarktorientierte Migration aus dem Ausland zu setzen, wäre es sinnvoll, bestehende Ressourcen in Deutschland zu mobilisieren. Durch eine verstärkte Investition in berufliche Bildung und Ausbildungsprogramme könnten arbeitslose junge Menschen zu den dringend benötigten Fachkräften entwickelt werden. Insbesondere im Bereich der dualen Ausbildung, die in Deutschland traditionell stark verankert ist, bieten sich zahlreiche Chancen. Die Einführung von flexibleren Ausbildungsmodellen und verstärkte Unterstützung für benachteiligte Jugendliche könnten den Fachkräftebedarf nachhaltig decken und zugleich die Jugendarbeitslosigkeit senken.
Anstatt sich auf die Einwanderung von Fachkräften aus der EU oder Drittstaaten zu fokussieren, sollten daher vorhandene Kapazitäten ausgeschöpft werden. Dies würde nicht nur die soziale Integration junger Arbeitsloser fördern, sondern auch das wirtschaftliche Potenzial des Landes langfristig stärken.