Am Abend des 9. Juni 2024 war das schlechte Abschneiden der Grünen bei der Europawahl keine Überraschung. Im Vergleich zur Europawahl 2019 büßten sie 9,5 Prozentpunkte ein. Die Hochzeiten der Partei sind vorbei und das desaströse Ergebnis spiegelt den negativen Eindruck wider, den die Grünen als Teil der Ampelregierung bei den Wählern hinterlassen haben.
Grünen-Chefin Ricarda Lang zeigte sich auf einer Pressekonferenz zur Europawahl unzufrieden mit dem Ergebnis und versprach, dieses aufzuarbeiten und die Partei wieder aufzubauen. Ihre Rede war durchsetzt mit typischen Floskeln gegen Rechts und Eigenlob für demokratische Prinzipien, jedoch fehlte es an substantieller Selbstreflexion, was die entkoppelten Lebenswelten der Grünen vom Wähler deutlich macht. Für viele ist diese Haltung ermüdend und belastend. Die Mehrheit der Bürger strebt nach einem gut funktionierenden Staat, der klug agiert und die Bedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigt. Den Grünen fehlt diese Erkenntnis.
Die Grünen gelten als Verbieter und Besserwisser
Das schlechte Wahlergebnis der Partei ist jedoch nicht nur eine Folge der politischen Ausrichtung, sondern auch ihrer primär verbotsorientierten Lösungsansätze. Die Grünen zeichnen sich durch eine belehrende Haltung aus, da sie ihre Argumente oft von einem moralisch überlegenen Standpunkt aus vortragen. Das Gebäudeenergiegesetz, das fossile Heizungen verbieten sollte, um den Klimaschutz zu fördern, ist ein Beispiel dafür. Robert Habeck räumte zwar im Wahlkampf Fehler im Umgang mit dem Gesetz ein, doch zu diesem Zeitpunkt war der Schaden bereits entstanden. Die Auswirkungen grüner Maßnahmen sind im täglichen Leben der Menschen negativ spürbar. Für die besserverdienende und höher gebildete Wählerschaft mag das kein Problem darstellen, aber die Mehrheit der Wähler ist eben anders aufgestellt.
Unglückliche Wahl nach der Wahl
Ausgerechnet einen Tag nach dem Anfang vom Ende einer Ära wird Grünen-Chefin Ricarda Lang für ihre „außergewöhnlichen Leistungen“ ausgezeichnet und zur „Aufsteigerin des Jahres“ gekürt, berichtet der Fokus. Seit vielen Jahren wird der Politik-Award von der Quadriga Hochschule in Berlin in Kooperation mit dem Magazin Politik & Kommunikation vergeben. Die Quadriga-Hochschule betont, dass der Preis seit Langem für außergewöhnliche Leistungen in der politischen Kommunikation steht.
Die Nominierung und Auszeichnung wirft Fragen auf, denn die Grünen zählen insgesamt eher zu den Absteigern des Jahres als zu den Aufsteigern. Die Umfragewerte der Partei sinken seit Monaten kontinuierlich. Den Grünen gelingt es immer weniger, die Menschen von ihrer Politik zu überzeugen.
Wenn der Glaube an die eigene Fehlerlosigkeit entscheidende Einsichten verhindert
Die Grünen bemühen sich, ihren Ansehensverlust zu bekämpfen, doch die Tage, in denen sie breite Sympathie genossen, sind vorbei. Viele Menschen führen die öffentliche Unzufriedenheit mit der Bundesregierung in erster Linie auf die Politik der Grünen zurück. Der Widerstand gegen die Verlängerung der AKW-Laufzeiten und die Ablehnung der Bezahlkarte für Asylbewerber haben die Skepsis gegenüber den Grünen immer wieder geschürt. Eine strategische Antwort auf diese Probleme haben die Parteimitglieder bisher nicht gefunden. Selbst ihre verstärkte Klimaschutzkampagne in den letzten 14 Tagen, angesichts der Überschwemmungen in Deutschland, konnte die Verluste bei der Europawahl nicht mehr ausgleichen. Während vor fünf Jahren 25 Prozent der Bevölkerung die Grünen ablehnten, sind es heute 56 Prozent und der Trend setzt sich fort. Eine selbstkritische Betrachtung und die Bereitschaft, eigene Schwächen zu erkennen, sind entscheidend für nachhaltigen Erfolg und positive Entwicklungen. Doch solange die Grünen in ihrer Überzeugung der eigenen Unfehlbarkeit verharren, bleibt dies schwer umsetzbar.