Die Messerattacke vergangene Woche in Mannheim hat die Abschiebungsdebatte neu entfacht. Nun fordert Bundeskanzler Olaf Scholz die Ausweisung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien, womit er sich für Abschiebungen in unsichere Länder positioniert.
In seiner Rede machte der Bundeskanzler deutlich, dass Personen, die den Schutz Deutschlands ausnutzen und Straftaten begehen, wie der Täter in Mannheim, ihren Anspruch auf Schutz verwirken. Er betonte, dass es in solchen Fällen keinerlei Toleranz geben wird.
„Solche Straftäter gehören abgeschoben, sie haben bei uns nichts verloren – auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen“
Olaf Scholz / Bundestag / Tageschau (Minute 0:44)
Zur Umsetzung der Abschiebungen machte Scholz keine konkreten Angaben, wies jedoch darauf hin, dass das Bundesinnenministerium rechtlich und praktisch tragfähige Wege sucht und bereits mit Afghanistans Nachbarländern im Gespräch ist. Er betonte die Absicht, die Ausweisungsregelungen zu verschärfen, um sicherzustellen, dass die Billigung terroristischer Straftaten als ein schwerwiegender Grund für eine Abschiebung betrachtet wird.
Zusätzlich forderte Scholz, dass das Konzept von Waffen- und Messerverbotszonen bundesweit umgesetzt wird. Er begründete seine klare Haltung damit, dass die Verherrlichung des Terrorismus einen direkten Angriff auf die Grundwerte darstellt und somit eine Abschiebung gerechtfertigt ist.
Grüne in der Abschiebungsfrage gespalten
Nouripour, der Bundesvorsitzende der Grünen, mahnt vor zu simplen Ansätzen, insbesondere bei der Frage der Abschiebungen nach Afghanistan. Er unterstreicht die Notwendigkeit, straffällige Ausländer gemäß dem Strafgesetzbuch abzuschieben. Angesichts der aktuellen politischen Situation mit den Taliban verdeutlicht er die Bedeutung einer verantwortungsvollen Politik, die jedoch auch die Machbarkeit und die Realitäten berücksichtigen müsse. Nouripour sagt gegenüber MDR AKTUELL, dass Abschiebungen nicht einfach als Selbstverständlichkeit angesehen werden könnten.
“Ich kann nur davor warnen, so zu tun, als müsste man einfach mal zwei Knöpfe drücken.“
Omid Nouripour / MDR
Kulturministerin Claudia Roth spricht sich gegen die Abschiebung des Polizistenmörders von Mannheim aus. In der Sendung Maischberger betont sie die Notwendigkeit, dass Verbrechen, die in Deutschland begangen wurden, auch vor deutschen Gerichten verhandelt und hierzulande abgesessen werden sollten. Sie warnt davor, dass der Täter in Afghanistan möglicherweise als Held gefeiert und einer angemessenen Strafe entgehen würde.
In der ARD-Sendung Caren Miosga forderte Grünen-Chefin Ricarda Lang dagegen ein entschlossenes Vorgehen gegen den Islamismus in Deutschland. Sie bezeichnete ihn als Feind einer freien Gesellschaft und betonte die Notwendigkeit eines umfassenden Kampfes gegen ihn, sowohl auf sicherheitspolitischer als auch gesamtgesellschaftlicher Ebene. Lang gab zu, dass ihre Partei in der Vergangenheit möglicherweise zögerte, die Debatte anzugehen, aus der Sorge heraus, den Rechtspopulisten zu helfen.
FDP bekräftigt Position: Abschiebung von Straftätern muss durchsetzbar sein
Bei einer Pressekonferenz am Montag drückte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai seine tiefe Bestürzung über den tödlichen Angriff auf einen Polizisten in Mannheim aus. Er hob hervor, dass dieser Vorfall sowohl Trauer als auch Wut in der Bevölkerung auslöste und forderte Bund und Länder zum Handeln auf. Djir-Sarai betonte, dass es nun an der Zeit sei, nicht nur Worte zu finden, sondern konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um solche Vorfälle in Zukunft zu verhindern. In einem Interview mit Welt kritisierte er den Umgang Deutschlands mit diesem Thema.
„Die Gefahren, die durch den Islamismus existieren, die werden ja leider in Deutschland massiv unterschätzt. Uns fehlt seit vielen Jahren auch eine glaubwürdige Strategie, wie wir Islamismus insgesamt in Deutschland bekämpfen.“
Djir-Sarai / Welt-Interview (Minute 00:44)
FDP-Fraktionschef Christian Dürr pflichtete in einem Interview mit der Bild bei und äußerte, dass Personen, die gegen Recht und Gesetz verstoßen, in Deutschland keine Zukunft haben. Er verurteilte die langen Asylverfahren und Rückführungen als inakzeptabel und forderte erweiterte Befugnisse für die Bundespolizei, um abgelehnte Asylbewerber effektiv abschieben zu können. Dürr drängte auf eine Überarbeitung der Asylpolitik, um Missbrauch von Sozialsystemen zu verhindern, und forderte entschlossene Maßnahmen.
In einem Statement auf seinem Profil auf der Plattform 𝕏 zeigte sich auch FDP-Chef Christian Lindner bewegt von den Geschehnissen in Mannheim. Zusätzlich äußerte er seine Verärgerung über die Zustände im Land.
Wie sieht die aktuelle Praxis aus?
Grundsätzlich werden ausländische und deutsche Straftäter gleich behandelt: Jeder, der in Deutschland gegen das Gesetz verstößt, muss sich vor Gericht verantworten und die entsprechende Strafe verbüßen. Erst nach Verbüßung der Strafe droht ausländischen Straftätern die Abschiebung in ihre Herkunftsländer. Dies setzt voraus, dass geprüft wird, ob die Abschiebung rechtlich und faktisch möglich ist. Abschiebungen in Gebiete, die von Krieg oder unterdrückerischen Regimen betroffen sind, sind derzeit rechtlich nicht gestattet. Gemäß dem Grundgesetz und den Genfer Flüchtlingskonventionen ist es untersagt, jemanden abzuschieben, wenn ihm in seinem Herkunftsland beispielsweise Folter, Tod oder andere unmenschliche Behandlungen drohen.
In Deutschland treffen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Gerichte die Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen für eine Abschiebung vorliegen, wie Professor Daniel Thym, Leiter des Forschungszentrums für Ausländer- und Asylrecht an der Universität Konstanz, am Mittwoch im ZDF erläuterte.