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Messerattacke in Hamburg: Empörung mit zweierlei Maß

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Richter des Bundesverfassungsgericht
Messerattacke in Hamburg: Bei deutschen Tätern wird entweder geschwiegen oder es werden psychologische Erklärungsmuster herangezogen.
Zusammengefasst

Ein Kommentar von Dejan Lazić

Die öffentliche Reaktion auf Gewaltverbrechen ist oft geprägt von Herkunft und Vorurteilen. Während bei Migranten politische Forderungen laut werden, erfolgt bei deutschen Tätern Schweigen oder psychologische Erklärungsmuster. Doch warum bewertet unsere Gesellschaft dieselbe Gewalt so unterschiedlich?

Die Tat und erste Reaktionen

Am Abend des 23. Mai 2025 kam es im Hamburger Hauptbahnhof zu einem Messerangriff, bei dem insgesamt »18 Menschen verletzt« wurden – vier davon lebensgefährlich und weitere schwer. Die Polizei nahm eine 39-jährige deutsche Tatverdächtige noch am Tatort fest. Die Frau leistete keinen Widerstand und wurde umgehend in Gewahrsam genommen. Hinweise auf ein terroristisches oder politisches Motiv gab es nicht – stattdessen deutete vieles auf eine »psychische Erkrankung« der Täterin hin, wie es auch die Polizei betonte. 

Der »NDR berichtet«, die Täterin habe zunächst auf einen Mann »afrikanischer Herkunft eingestochen«. Nur durch das beherzte Eingreifen zweier Migranten – eines Syrers und eines dazueilenden Tschetschenen –, welcher der Angreiferin ein Bein stellte und sie bis zum Eintreffen der Polizei festhielten, konnte Schlimmeres verhindert werden. Auffällig ist, dass dieser Aspekt medial kaum prominent hervorgehoben wurde. Vielmehr rückten nun autoritäre Forderungen in den Fokus, etwa nach verstärkter »Videoüberwachung« und dem Einsatz »künstlicher Intelligenz« zur Früherkennung verdächtigen Verhaltens.

Die üblichen reflexhaften öffentlichen Empörungen blieben weitgehend aus. In sozialen Netzwerken und alternativen Medien, die bei ähnlichen Vorfällen sonst lautstark Alarm schlagen, blieb es vergleichsweise ruhig. Der Tenor in den etablierten Medien und der Politik war zurückhaltend, die Tat wurde als individuelles, tragisches Ereignis behandelt – ein Akt einer offenbar kranken Einzeltäterin, ohne Generalverdacht gegen ganze Gruppen.

Gedankliches Umkehrexperiment

Stellen wir uns vor, dieselbe Tat wäre von einem Asylbewerber begangen worden. Die Begriffe hätten sich fast von selbst geschrieben: “Grenzen dicht!”, “Asylmissbrauch!”, “Wir verlieren die Kontrolle!”. Politiker jeder Couleur wären vor Kameras getreten, Talkshows hätten sofort Sondersendungen geplant. Doch in diesem Fall? Es bleibt bemerkenswert ruhig. Wer in alternativen Medien oder auf sozialen Netzwerken die Wortführer beobachtet, die bei früheren Vorfällen lautstark kommentierten, stellt fest: Viele schweigen. Einige äußern sich – aber nicht mit Forderungen nach Konsequenzen, sondern mit Relativierung oder vager Besorgnis. Eine Täterin, die „eine von uns“ ist, wird anders behandelt als ein Täter, der von außen kommt.

Vergleich mit Mannheim 2024 und Aschaffenburg 2025

Die verhaltene Reaktion kontrastiert stark mit früheren Fällen, bei denen die Täter keine Deutschen waren. Beim Messerangriff in »Mannheim 2024« etwa – der Täter war ein abgelehnter afghanischer Asylbewerber – gab es unmittelbar breite Empörung und politische Konsequenzen. Ein Polizist wurde getötet und mehrere Menschen verletzt. In der Folge wurde auf höchster politischer Ebene über Verschärfungen im Asylrecht und schnellere Abschiebungen debattiert. Ähnlich auch der Fall »Aschaffenburg 2025«: Ein ebenfalls aus Afghanistan stammender Mann erstach ein Kleinkind und einen Familienvater in einem Park, was bundesweit für Entsetzen sorgte. Führende Politiker forderten umgehend härtere Maßnahmen gegen straffällige Asylbewerber, die Medien berichteten tagelang intensiv und diskutierten Versäumnisse der Behörden. Die öffentliche Empörung kochte hoch – und zwar mit deutlichem Fokus auf die Herkunft und den Aufenthaltsstatus der Täter. Im aktuellen Hamburger Fall hingegen blieb eine vergleichbare Empörungswelle aus. Weder dominierte das Thema die Talkshows, noch überschlug sich die politische Rhetorik in Forderungen. Dass die festgenommene Täterin Deutsche ist, scheint viele der sonst so lauten Stimmen verstummen oder zumindest deutlich leiser auftreten zu lassen.

Der Hauptbahnhof als sozialer Brennpunkt

Der Ort des Geschehens ist kein Zufallstreffer: Der Hamburger Hauptbahnhof und sein Umfeld gelten schon lange als sozialer Brennpunkt der Stadt. Hier konzentrieren sich Drogenhandel, Obdachlosigkeit und Kleinkriminalität; die Atmosphäre ist oft angespannt. Allein im Jahr 2023 registrierte die Polizei am Hauptbahnhof »720 Gewaltdelikte«, womit dieser Standort zu den größten Kriminal-Hotspots Deutschlands zählt. Trotz verschiedener Maßnahmen – verstärkter Videoüberwachung, Waffenverbotszone, vermehrter Präsenz von Sicherheitskräften – bleibt das Bahnhofsumfeld ein Risikoort. 

Dass es ausgerechnet hier zu einem Massengewaltakt kam, überrascht insofern wenig. Auffällig ist jedoch, wie unterschiedlich solche Vorfälle je nach Täterprofil wahrgenommen werden: Findet eine Attacke in diesem Milieu statt und der Täter passt ins Klischee eines „Problem-Ausländers“, wird der Brennpunkt-Charakter des Ortes oft als Beleg für gescheiterte Integration angeführt. Handelt es sich jedoch – wie in Hamburg – um eine deutsche Täterin mit mutmaßlich psychischen Problemen, rückt der Schauplatz eher als tragischer Hintergrund in den Fokus, nicht aber als politisches Symbol.

Die Messerattacke von Hamburg steht exemplarisch für ein tieferliegendes Problem: die Erosion gesellschaftlicher Kohärenz. Gewalt wird häufiger – und sie betrifft nicht mehr nur die „anderen“, sondern kommt längst aus der Mitte. Doch anstatt die Ursachen zu benennen – Armut, Ausgrenzung, die Zersetzung sozialer Strukturen –, klammert man sich an das Bekannte: Herkunft als Erklärung. So bleibt die systemische Dimension unsichtbar.

Gutes Messer, schlechtes Messer – selektive Empörung nach Herkunft

Die auffällige Zurückhaltung der Empörung im aktuellen Fall lässt sich als Beispiel einer strukturellen Doppelmoral lesen: ein Phänomen von „gutes Messer, schlechtes Messer“. Gemeint ist damit, dass Messerattacken je nach Herkunft des Täters unterschiedlich bewertet werden. Stammt der Täter aus dem Ausland – insbesondere, wenn es sich um Geflüchtete oder Muslime handelt – neigen Öffentlichkeit und Politik zu scharfer Verurteilung und Verallgemeinerung. Stammt der Täter hingegen aus dem eigenen Land, wird die Tat eher als individuelles Fehlverhalten oder als Folge von Erkrankung eingeordnet. So wurde bekannt, dass die 39-jährige Hamburger Täterin nur einen Tag vor der Tat aus einer »Psychiatrischen Klinik entlassen« worden war – ein Detail, das schnell als Erklärung dafür herangezogen wurde, wie es zu der Attacke kommen konnte. 

Interessanterweise gab es ganz ähnliche Umstände in früheren Fällen mit tatverdächtigen Asylbewerbern: Auch der Aschaffenburger Täter von 2025 etwa befand sich zuvor in psychiatrischer Behandlung. Doch damals wurde weniger nach seinem Gesundheitszustand gefragt – stattdessen stand seine Herkunft im Vordergrund und es hagelte Kritik daran, dass ein „gefährlicher Ausländer“ überhaupt frei herumlaufen konnte. Jetzt hingegen wird die psychische Krankheit als Ursache fast reflexartig akzeptiert und kaum jemand stellt die Frage, ob das System versagt hat, indem es die Frau entließ.

In den sozialen Medien spiegelt sich diese Diskrepanz wider. Ein Nutzer auf der Plattform 𝕏 brachte die kollektive Erleichterung sarkastisch auf den Punkt: »Es ist ein Deutscher. Gott sei Dank!«

Tatsächlich scheint die Spaltung so weit zu gehen, dass nach einer schrecklichen Messerattacke die Herkunft im Vordergrund steht. Deutsche nehmen reflexhaft an, dass es ein Ausländer war, während Migranten hoffen, dass es ein Deutscher war. Dies zeigt, wie tief die Erwartung einer ethnischen Schablone bei Gewalttaten verankert ist – und wie erleichtert oder alarmiert verschiedene Bevölkerungsgruppen auf die Antwort reagieren. 

Im Hamburger Fall scheint die Erleichterung vieler Migranten fast spürbar gewesen zu sein, als klar war, dass es keine Ausländerin war. Ein „besorgter Bürger“ hingegen ging allerdings so weit, die Täterschaft „einer Deutschen“ grundsätzlich in Frage zu stellen und behauptete auf 𝕏, an der Kleidung der Frau seien »keine Blutspuren« zu sehen gewesen – was ihm Anlass zum Zweifeln gab.

Offenbar war der Gedanke, dass eine Deutsche eine solche Bluttat begehen könnte, für manche so verstörend, dass sie lieber an der Realität zweifelten.

Dieses Zwei-Maß-System ist nicht neu. Seit Jahren beobachten Medienanalysten, dass bei Gewalttaten in Migrantenfamilien vorschnell Begriffe wie »„Ehrenmord“« bemüht werden, während ähnliche Verbrechen in deutschen Familien als tragisches „Familiendrama“ oder „Beziehungsdrama“ bezeichnet werden. 

Die Herkunft des Täters scheint oft entscheidender zu sein als die Tat selbst – zumindest, wenn man den Ton der Berichterstattung betrachtet. So entsteht der Eindruck, es gebe in der öffentlichen Wahrnehmung „gute“ und „schlechte“ Messer – sprich: Taten, die sich zur politischen Skandalisierung eignen, und solche, die man lieber rasch abhakt.

Empörung als Spiegelbild der Vorurteile

Der Messerangriff am Hamburger Hauptbahnhof legt einmal mehr offen, wie selektiv öffentliche Empörung sein kann. Während die Opferzahlen und die Brutalität der Tat objektiv entsetzen, hängt das Ausmaß der gesellschaftlichen Reaktion offenbar stark von der Identität der Täterin ab. Die nahezu geräuschlose Verarbeitung dieses Vorfalls im Vergleich zu ähnlichen Taten mit nichtdeutschen Tätern wirft unbequeme Fragen auf: Geht es bei der Empörung wirklich um Schutz der Öffentlichkeit und Anteilnahme an den Opfern – oder oft um die Bestätigung eigener Vorurteile und politischer Narrative? Solange Verbrechen unterschiedlich eingeordnet werden, je nachdem, ob der Täter Ali oder Anna heißt, bleibt die Debatte verzerrt. Im Interesse einer ehrlichen Auseinandersetzung mit Gewaltkriminalität – ob in sozialen Brennpunkten wie Bahnhofsumfeldern oder anderswo – müsste die Empörung über der Tat an sich bemessen werden, nicht an der Passfarbe des Täters. Der Hamburger Fall mahnt, genau hinzuschauen: Jede Form von Gewalt ist alarmierend, und Doppelmoral in der öffentlichen Reaktion sagt oft mehr über uns, als über die Tat selbst.

Jede Gewalttat ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Krise, die uns alle betrifft. Es gilt, endlich die tieferliegenden Ursachen anzupacken: psychische Erkrankungen ernst zu nehmen, soziale Ausgrenzung zu bekämpfen und Integration nicht als Herkunftsfrage, sondern als gemeinsame Aufgabe und gegenseitige Bereicherung zu begreifen. Nur wenn wir lernen, Gewalt in ihren wahren Ursachen zu erkennen und gesellschaftliche Spaltungen zu überwinden, kann sich etwas ändern. Nicht die Herkunft, sondern die Tat und deren sozio-ökonomischen Umstände sollten im Mittelpunkt stehen, wenn wir ernsthaft Lösungen finden wollen.

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Dejan Lazić

Dejan Lazić ist Jurist und Sozialökonom. Gründungsmitglied des BSW. Als Autor schreibt er über Macht, Moral und Manipulation – und der Rolle von Parteien, "Medien" und Konzernen in einer gelenkten Demokratie.

5 Antworten

  1. Ist doch offensichtlich, es wird von den wahren Ursachen abgelenkt!
    Die Menschen soll verdummen, verarmen, sich gegenseitig abschlachten. So kriegstüchtig, sprich blutrünstig, gemacht dann an der Ostfront verheizt…

  2. So ein langer Text, der die simpelste Tatsache ausblendet.

    Ein hiesiger ist (gesellschaftlich) unser Problem, ein Ausländer der bei korrekter Anwendung der Gesetze niemals am Tatort gewesen wäre geht hingegen auf das Konto derer die sich weigern diese anzuwenden.

    im übrigen sind die reflexartigen Annahmen statistisch ganz gut untermauert.

  3. Ich verweise auf das Video von E.T. (er gehört u.a. auch zum Haintz media Team):
    „War sie überhaupt die Täterin?“
    Warnung: Man kann sich das Video und den Sprecher nicht bis zum Ende ansehen und anhören!!
    Zum Fremdschämen!

  4. Endlich wieder Krieg, hab ich mir auf ein T-Shirt drucken lassen und werde seitdem von fast allen Kollegen schief angeschaut. Komisch das niemand den Zynismus verstehten will. Aber Deutschland hat halt gewählt. Solche Artikel stacheln die Menschen noch weiter an sich gegenseitig zu Zermürben und auseinander zu treiben, anstatt die Hetzer & Spalter genau zu bennen und Ihnen Ihr Wirkspektrum zu verringern.

    Aufklärung ist vollständig gescheitert. Divide et Impera – KI-gestützt und per Smartphone direkt ins Hirn implantiert. Zeiten werden immer „spannender“

  5. Das man staatlich organisierten Asylmissbrauch mit echter Migration gleichsetzt, ist mehr als nur ein Skandal und ein Schlag ins Gesicht aller echter Migranten, die auf eigene Kosten für sich und Ihre Familie ein besseres Leben gesucht & aufgebaut haben. Das scheinbar bewusste Versagen von staatlichen Kontrollmechanismen wird schonmal gar nicht zum Thema. Die Mehrheit macht wieder mit, und am Ende will wieder keiner dabei gewesen sein.
    .
    Aber scheinbar ist die Empörung mit zweierlei Maß gemessen, solange man die hier schon länger lebenden als schlecht & niederträchtig darstellen kann, da lässt man keine Gelegenheit aus. Passt ziemlich gut in die mediale Agenda gegen den Bürger. Der innere Krieg der auf die eigene Bevölkerung gerichtet ist hat nicht erst mit den Corona begonnen.

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