Es gibt Momente in der deutschen politischen Geschichte, die so bizarr sind, dass sie fast schon dystopisch sein könnten. Im Jahr 2024 erreicht der Rücktrittswahn der Grünen seinen Höhepunkt: Nachdem die Parteiführung aufgrund der schlechten Wahlergebnisse abdankt, zieht nun auch der gesamte Bundesvorstand der Grünen Jugend am selben Tag nach, um in den revolutionären Horizont einer linksradikalen Zukunft aufzubrechen. Man könnte fast glauben, sie hätten in einem WG-Seminar gerade Marx und Engels wiederentdeckt und beschlossen, die Sozialismus-Must-Have-Liste einmal komplett abzuhaken. Revolution, check. Enteignung, check. Kapitalismuskritik, selbstverständlich. Doch wie so oft, wenn Ideale auf die harte Wirklichkeit treffen, bleibt am Ende nur ein zerknittertes Manifest zurück.
Der Abgang: Der große Showdown der Enttäuschten
Die kollektive Rücktrittsankündigung des Vorstands der Grünen Jugend, bestehend aus 10 Mitgliedern, erinnert ein wenig an eine billige Reality-Show: Gekünstelt dramatisch, unverhohlen pathetisch und mit dem gewissen „Oh, das haben sie jetzt nicht wirklich gemacht!“-Moment. In einem Brief an die Partei verkündet der gesamte Bundesvorstand seinen Ausstieg, weil die böse, böse Mutterpartei zu „bürgerlich“ geworden sei.
Offensichtlich reicht es nicht, mit einem Heizungsgesetz ganz Deutschland auf die Palme zu bringen. Nein, es muss schon ein kapitalistisches Verräterspiel à la „Die Grünen haben ihre Ideale verkauft“ sein. Ein echter Knaller! Die Vorsitzende Svenja Appuhn erklärte, die Vorstandmitglieder hätten die Partei jeweils über ihren Austritt informiert. Sie sagte:
„Jahrelang haben wir versucht, die Grünen zu einer sozialen Kraft zu machen, die Menschen wieder Hoffnung geben kann.“
Svenja Appuhn / Spiegel
Die pubertäre Radikalität der Grünen Jugend, so liest man, kann mit der moderaten, sogenannten vernunftorientierten Realpolitik eines Robert Habeck einfach nicht mehr. Die Grünen würden „immer mehr zu einer Partei wie alle anderen“, kritisierten sie. Verständlich, denn wer will schon Politik machen, wenn man alternativ die revolutionäre Trommel für eine Arbeitszeitverkürzung auf 20 Stunden pro Woche rühren kann? Schließlich weiß ja jeder: Arbeit macht krank. Die Wirtschaft könnte endlich für den Menschen da sein – oder sich lieber gleich unter der Fuchtel des Staates befinden. Das klingt nach einer Art DDR Reloaded, nur diesmal mit Gendersternchen und Fridays-for-Future-Bannern.
Aufstand der Dystopisten: Kapitalismuskritik als linke Jugendkultur
Es bleibt das große Rätsel, warum ausgerechnet die junge Generation der Grünen, eine Gruppe, die Zugang zu den besten Bildungseinrichtungen des Landes hat und theoretisch mit den Fehlern der Vergangenheit vertraut sein sollte, sich so blind für die Schwächen staatsgläubiger Wirtschaftssysteme zeigt. Svenja Appuhn und Katharina Stolla, die Neo-Leninistinnen des deutschen Öko-Sozialismus, verkünden, dass die Grünen einfach nicht mehr links genug seien. Sie träumen von einem demokratischen Sozialismus, als hätten sie die letzten 70 Jahre europäischer Geschichte komplett verschlafen. Dass dieser Traum, naja, eher ein Albtraum war und in Betonfassaden, Trabant-Schlangen und staatlich verordnetem Bürgerwohl mündete, wird großzügig übersehen. Warum sollten auch so störende Details wie historische Fakten die große Vision trüben?
Stattdessen tönt es lautstark: „Wir brauchen eine politische Kraft, die die Wirtschaft endlich in den Dienst der Menschen stellt.“ Das klingt in etwa so, als hätte man den Kapitalismus noch nie so richtig verstanden und sich stattdessen in einem Seminar über postkapitalistische Utopien verloren. Natürlich sollen die Reichen einmal so richtig zur Kasse gebeten werden, was auch immer das genau heißt. Wahrscheinlich ein bisschen wie Robin Hood, nur ohne Wald und mit veganem Catering.
Die Grüne Jugend: Ideologisch verblendet und gefährlich?
Katharina Stolla fordert eine 20-Stunden-Woche, weil Arbeit bekanntlich krank macht. Vielleicht ist das die neue Generation von Politikern, die den altmodischen Gedanken, dass wirtschaftlicher Erfolg mit harter Arbeit zusammenhängt, endgültig in die Tonne tritt. Warum arbeiten, wenn der Sozialstaat für alles sorgen kann? Mit diesem wundersamen Ansatz werden dann auch gleich das Bürgergeld verdoppelt, die Multimillionäre enteignet, und am besten gibt’s noch ein Grundeinkommen für alle, damit niemand mehr den lästigen Kapitalismus ertragen muss.
Es mutet an wie eine akademische Selbsthilfegruppe für überambitionierte Studenten, die bei der Lektüre von Marx und Bakunin zu viel Kaffee getrunken haben. Dass die Realität etwas komplexer ist, scheint Stolla und den Rest der grünen Ideologisten nicht zu kümmern. Die Märkte? Unwichtig. Der Staat wird’s schon richten, zumindest solange er genug Kredite aufnimmt, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Dass diese Art von Wirtschaftspolitik in etwa so realistisch ist wie ein Ponyhof auf dem Mars, fällt dabei offenbar nicht ins Gewicht.
Mit Stil in den Abgrund
Man muss der Grünen Jugend lassen: Sie haben Stil. Es ist nicht einfach, in einer Talkshow wie in der von Markus Lanz mit der Forderung nach Verstaatlichungen und einer „DDR-Reboot“-Wirtschaft aufzutreten und dabei so unbeeindruckt zu wirken, als würde man über die nächste Nachhaltigkeitsmesse plaudern. Es ist fast bewundernswert, wie konsequent die jungen Grünen an ihrer postkapitalistischen Zukunft festhalten. Appuhn, Stolla und ihre Mitstreiter fordern, die Marktwirtschaft radikal zu hinterfragen und durch ein System zu ersetzen, das auf Gemeinwohl und nicht auf Profitstreben basiert. Ob sie nun Wohnungen vergesellschaften oder die Energieversorgung gleich ganz verstaatlichen wollen: Keine ihrer ideologischen Phantasien ist zu radikal oder zu absurd. Und wenn das Budget für Schulen und Krankenhäuser dabei draufgeht? Das sind einfach nebensächliche Details!
Svenja Appuhn verteidigt all dies natürlich mit der Behauptung, die Menschen hätten längst den Glauben an den Kapitalismus verloren. Und das muss man ihr lassen: Eine Umfrage, bei der die Hälfte der Jugendlichen pessimistisch in die Zukunft schaut, ist ja fast schon eine Revolution wert. Man könnte meinen, es sei besser, das System einfach umzukrempeln, ohne zu fragen, ob das überhaupt praktikabel sei oder ob die Geschichte nicht schon genug warnende Beispiele geliefert habe. Aber warum sollte man sich mit so etwas Kleinlichem wie der Realität aufhalten? Die Vision der Grünen Jugend könnte bei ehemaligen DDR-Funktionären nostalgische Gefühle auslösen, während der Rest der Bevölkerung sich eher kopfschüttelnd abwendet. Die Idee einer sozialistischen Demokratie, in der die Bedürfnisse der Menschen über den Profit gestellt werden, klingt zwar auf dem Papier edel, doch die Realität solcher Systeme sieht in der Praxis oft anders aus, wie ein Blick auf die gescheiterten sozialistischen Experimente der Vergangenheit zeigt.
Die grüne Revolutionskomödie
Was bleibt also übrig von diesem großen Aufstand der Grünen Jugend? Eine Menge irrer und unrealistischer Ideen. Man befürchtet fast, dass diese jungen Grünen einen Staat im Staat gründen könnten, eine Art grüne Utopiezone, in der sie ihre 20-Stunden-Woche genießen und sich an vergesellschafteten Wohnungen erfreuen können, während der Rest der Welt mit den Problemen der echten Wirtschaft zu kämpfen hat.
Aber vielleicht ist genau dies das eigentliche Problem: Diese Revolutionäre im Studentenalter haben sich zu sehr in den Theorien verloren und die praktische Politik vergessen. Man wird das Gefühl nicht los, dass die jungen Aussteiger von der Grünen Jugend weniger darauf aus sind, echte Probleme zu lösen, als vielmehr einen langen, theatralischen Abschied vom Realismus zu feiern. Und wer weiß, vielleicht gründen sie am Ende wirklich ihre eigene linke Bewegung, so wie angekündigt. Eine Bewegung, die uns daran erinnert, dass die größte Ironie der Geschichte oft in den gut gemeinten, jedoch von unfähigen Politikern katastrophal umgesetzten Ideen liegt