Ein Beitrag von Dejan Lazić und Felix Feistel
Boris Pistorius, der amtierende Verteidigungsminister Deutschlands, wird laut aktuellen Umfragen als beliebtester Politiker des Landes gefeiert. Gleichzeitig steht er als „Kriegsminister“ im Zentrum einer Politik, die Deutschland zunehmend kriegstüchtig machen soll. Zu diesem Zweck verbreitet er Narrative eines bevorstehenden russischen Angriffes auf die EU und Deutschland. In der Bevölkerung verfängt dies derzeit nur bei einer Minderheit. So gaben Umfragen zufolge nur 34 Prozent der Befragten an, dass sie einen russischen Angriff für möglich hielten. Zugleich fürchtet etwa jeder zweite Deutsche das steigende Kriegsrisiko, und nur etwa 34 Prozent waren Anfang des Jahres bereit, Deutschland mit der Waffe zu verteidigen. Pistorius ist jedoch auch der Minister der Wehrpflicht. Diese wird, Medienberichten zufolge, zugleich von einer Mehrheit befürwortet. Der Grad zwischen Wehrpflicht und Kriegspflicht ist jedoch schmal.
Die Diskrepanz zwischen seiner Popularität und der weit verbreiteten Skepsis gegenüber Kriegseinsätzen, der Regierung und der vermeintlichen Demokratie wirft grundlegende Fragen auf: Sind die Umfragen manipuliert, oder spiegelt sich hier eine wachsende autoritäre Sehnsucht in der Gesellschaft wider?
Ein Blick in die jüngere Geschichte zeigt auffällige Parallelen: Auch Rudolf Scharping, Verteidigungsminister während des NATO-Angriffskriegs gegen Jugoslawien 1999, wurde als beliebtester Politiker und möglicher Kanzlerkandidat gehandelt, bevor er durch persönliche und politische Skandale in die Bedeutungslosigkeit abrutschte. In Friedenszeiten ist das Amt des Verteidigungsministers oft ein „Schleudersitz“ – in Kriegszeiten jedoch ein politisches Karrieresprungbrett. Was sagt dies über Pistorius und die gegenwärtige politische Kultur in Deutschland aus?
Die Popularität von Pistorius: Echte Zustimmung oder Inszenierung?
Laut einer Forsa-Umfrage vom Oktober 2024 sehen 59 Prozent der Befragten Pistorius als vertrauenswürdig und kompetent. Zudem gaben 27 Prozent der Befragten an, dass sie mit der Arbeit des Ministers zufrieden seien, 55 Prozent waren sogar sehr zufrieden. Doch wie belastbar sind solche Zahlen? Die Methodik der Meinungsforschung, die häufig intransparent bleibt, lässt Zweifel zu. Wie neutral sind die Auftraggeber und welche Fragen werden gestellt? Die Vermutung liegt nahe, dass Umfragen nicht nur gesellschaftliche Meinungen abbilden, sondern gezielt Stimmungen erzeugen.
Denn die tatsächliche Arbeit von Pistorius bleibt von zweifelhafter Qualität. So wurden unter seinem Oberkommando Funkgeräte für 1,3 Milliarden Euro bestellt, um über 30.000 Fahrzeuge auf den neuesten Stand der Funktechnik zu bringen. Allerdings stellte sich bald heraus, dass die bestellten Funkgeräte nicht mit den Fahrzeugen kompatibel sind, und daher gar nicht eingebaut werden können. Nun verstauben sie im Depot. Trotz eines 100 Milliarden „Sondervermögens“ verfügt die Bundeswehr derzeit angeblich nicht über genug Geld um 900 Offiziere zu befördern. Auch zahlreiche Spezialisten müssen aus „Geldmangel“ ihre Posten räumen. Dennoch soll die Bundeswehr aufgestockt werden, von derzeit knapp unter 200.000 Soldaten – von denen nur etwa 58.000 Berufssoldaten sind – auf 400.000. Auch der von Pistorius initiierte Heimatschutz bleibt mit derzeit 110 Personen unter dem anvisierten Ziel von 6000 weit zurück. Die Bereitschaft zur Verteidigung des Landes ist wohl weniger ausgeprägt, als Umfragen es nahelegen.
Die mediale Inszenierung um die Person des Verteidigungsministers trägt erheblich zu Pistorius‘ Image bei. Seit seinem Amtsantritt positioniert er sich als „starker Mann“ in Krisenzeiten, der entschlossen handelt – ein Bild, das von führenden Medien verstärkt wird. Diese Strategie erinnert an frühere Fälle, in denen Politiker durch gezielte PR zur Symbolfigur stilisiert wurden, unabhängig davon, ob ihre politischen Entscheidungen tatsächlich breite Zustimmung finden oder ihre Arbeit inhaltlich und im Ergebnis überzeugt.
Das Amt des Verteidigungsministers: Vom Schleudersitz zum Karrieresprungbrett
Traditionell galt der Posten des Verteidigungsministers in Deutschland als riskant. Skandale und politisches Scheitern führten oft zu Rücktritten, wie bei Karl-Theodor zu Guttenberg (2011, Plagiatsaffäre) oder Christine Lambrecht (2023, mediale Fehltritte). In Friedenszeiten scheinen die Fallstricke zahlreicher zu sein als die Chancen.
In Kriegs- oder Krisenzeiten jedoch wandelt sich das Amt zum Sprungbrett für höhere politische Ambitionen. Der Fall Rudolf Scharping ist dafür exemplarisch. Während des NATO-Angriffskriegs gegen Jugoslawien 1999, dem ersten deutschen Kriegseinsatz seit 1945, wurde Scharping als beliebtester Politiker gefeiert und sogar als Kanzlerkandidat gehandelt. Doch persönliche Skandale und die Entzauberung seines politischen Images beendeten seine Karriere abrupt. Scharping hinterließ eine beunruhigende Botschaft: Kriegspolitik kann kurzfristigen Ruhm bringen, aber oft auf Kosten politischer Integrität.
Pistorius steht heute in einer ähnlichen Position. Die geopolitische Lage und seine entschiedene Haltung in der Ukraine-Krise stärken sein Profil zumindest medial– doch zu welchem Preis? Die Frage bleibt, ob auch er langfristig an den Anforderungen dieses Amtes scheitern wird. Die bisherigen Ergebnisse seiner Arbeit legen dies nahe.
Eine autoritäre Gesellschaft?
Die Popularität von Pistorius lässt sich nicht nur durch seine Amtsführung erklären, sondern verweist auf tiefere gesellschaftliche Dynamiken. In unsicheren Zeiten neigen Gesellschaften dazu, sich nach starker Führung zu sehnen. Diese autoritären Reflexe treten besonders in Krisen hervor, wenn die Menschen Stabilität und Orientierung suchen. Diese Neigung war bereits während der Coronazeit deutlich erkennbar. Symbolisch hierfür steht die Forderung „Mehr Diktatur wagen“, wie sie in der Süddeutschen Zeitung formuliert wurde. Generell war eine Neigung zur autoritären, ja totalitären Politik zu erkennen, die innerhalb der Bevölkerung auf breite Unterstützung und Zustimmung traf. Große Teile der Bevölkerung machten sich gar selbst zu Vollstreckern der totalitären Politik. Da die Corona-Krise nahtlos in den Ukrainekrieg überführt wurde, geschah dasselbe auch mit der affektiven Reaktion großer Teile der Bevölkerung, die sich einem Zustand fortgesetzter Krisen und Angriffe von außen (Virus, Russland) ausgesetzt sehen, und zur Wiederherstellung eines Status-quo-ante auf eine harte Hand setzen.
Doch diese Sehnsucht birgt Gefahren: Die Konzentration auf einzelne „starke“ Politiker untergräbt demokratische Prozesse und fördert eine Inszenierungspolitik, die auf PR statt auf Substanz setzt.
Die Diskrepanz zwischen der Popularität von Pistorius und der breiten Skepsis gegenüber Kriegseinsätzen, wie sie zahlreiche Umfragen zeigen, verdeutlicht die Ambivalenz der deutschen Gesellschaft. Während viele Bürger Krieg ablehnen, scheinen sie dennoch bereit, Politiker zu feiern, die eine aggressivere Außenpolitik repräsentieren. Diese Widersprüchlichkeit wirft die Frage auf, ob es den Medien und der Politik gelingt, kritische Stimmen systematisch zu marginalisieren und autoritäre Tendenzen zu verstärken. Der Einsatz von Umfrageergebnissen, die gegebenenfalls auch keine echten Ergebnisse darstellen müssen, oder durch manipulativer Fragestellung oder die Beschränkung auf ein bestimmtes Umfragepublikum lediglich den Eindruck erwecken, eine Mehrheit der Bevölkerung zu repräsentieren, kann dazu führen, Menschen zu manipulieren, indem sie sich einem suggerierten Gruppendruck der Unterstützung für Pistorius beugen. Umfragen zielen nicht in erster Linie auf die Abfrage von Einstellungen, sondern auf deren Herstellung, indem sie sich sozialer und psychologischer Mechanismen bedienen.
Der Fall Pistorius: Ein Symptom der Zeit?
Die Beliebtheit von Boris Pistorius ist ein Phänomen, das weniger über ihn selbst aussagt als über die politischen und gesellschaftlichen Strukturen, die sie ermöglichen. Die Parallelen zu Rudolf Scharping zeigen, dass Kriege und Krisen Verteidigungsminister zeitweise zu Helden stilisieren können – auf Kosten von Transparenz und demokratischen Prinzipien. Doch dieser Ruhm ist meist von kurzer Dauer.
Die entscheidende Frage lautet: Ist Pistorius wirklich der beliebteste Politiker Deutschlands, oder erleben wir eine gezielte Manipulation durch Medien und Umfrageinstitute? Und was sagt seine Popularität über den Zustand der deutschen Gesellschaft aus? Der Fall Pistorius mahnt dazu, kritisch zu bleiben – gegenüber Umfragen, Medieninszenierungen und der gefährlichen Sehnsucht nach „starken Führern“ in Zeiten der Unsicherheit.
_________________________________________________________________________________________
Felix Feistel, Jahrgang 1992 studierte Rechtswissenschaften mit Abschluss Staatsexamen und ist als freier Journalist und Autor tätig. Er publiziert regelmäßig Artikel zum Zeitgeschehen auf verschiedenen Plattformen, unter Anderem auf manova.news, apolut.net, tkp.at, norberthaering.de und der freien Medienakademie. Er betreibt auch einen Telegram-Kanal.
Dejan Lazić, Sozialökonom und Jurist, Hochschuldozent für Staats- u. Migrationsrecht (2002-2022), Veröffentlichungen u.a. bei haintz.media, Overton-Magazin, manova.news, tkp.at, nachdenkseiten.de und norberthaering.de.
Eine Antwort
Pisstorius ist ein Mitglied der „Hannover-Politmafia“.
Wie Pfizeruschi auch.
Die Jugend braucht in Germanistan keine Wehrpflicht.
Sehr wohl aber eine Erziehungspflicht im patriotischen, sozialen (NICHT sozialistischen) und die Gemeinschaft fördernden Sinn.
Erziehung zum kritischen Denken, für eigene Meinung, zum Mut um für eigene Überzeugungen einzustehen.