Der belgische Lobbyist Frédéric Baldan reichte im April 2023 eine Strafanzeige gegen Ursula von der Leyen ein. Er beschuldigte sie, Impfstoffverträge über Textnachrichten mit Pfizer-CEO Albert Bourla ausgehandelt zu haben, wie die New York Times zuerst berichtete. Seit der Einreichung der Klage hatten sich 500 Personen, darunter auch Einzelpersonen, politische Parteien sowie die EU-Mitgliedstaaten Ungarn und Polen, der Klage gegen Ursula von der Leyen angeschlossen. Ein Brüsseler Gericht hat am Mittwoch, dem 26. Juni, die Klage gegen ihre Wiederernennung als EU-Kommissionschefin abgewiesen.
Um Ursula von der Leyen als Spitzenkandidatin für die Kommissionspräsidentschaft abzusetzen, leitete Baldan ein Eilverfahren ein. Der Kläger begründete die Dringlichkeit seiner Klage damit, dass die Staats- und Regierungschefs der EU auf ihrem Gipfeltreffen am 27. und 28. Juni über das EU-Personalpaket für Spitzenpositionen, einschließlich des Postens der Kommissionspräsidentin, entscheiden sollen. Zudem argumentiert er, dass Ursula von der Leyen in ihrer Amtszeit als Kommissionspräsidentin die EU-Grundrechtecharta, mehrere EU-Verträge und den Verhaltenskodex für Kommissare missachtet hat. Er warnt, dass bei ihrer Wiederwahl ähnliche Verstöße erneut auftreten könnten. Die vorzeitige Anhörung fand am Freitag, dem 21. Juni statt. Baldan äußerte sich hierzu auf seinem Kanal der Plattform 𝕏:
„UrsulaGate/#PfizerGate 21. Juni 2024, öffentliche Anhörung vor dem Brüsseler Berufungsgericht zur Einschränkung der Partei von @vonderleyen_epp zum sofortigen Rückzug ihrer Kandidatur für das Amt des Kommissionspräsidenten. Mein Anwalt und ich werden da sein!“
Frédéric Baldan | 𝕏
Europäische Volkspartei verweigert gerichtliche Anhörung in Brüssel
Wie Euractiv meldet, wurde die Europäische Volkspartei (EVP), die die Europawahlen gewonnen hat, ebenfalls zu dieser Verhandlung vorgeladen, erschien jedoch nicht zur Anhörung. Die Abwesenheit der EVP-Anwälte löste im Gerichtssaal Verwunderung aus. Spekulationen von Euractiv legen nahe, dass die EVP möglicherweise dadurch darauf abzielte, die Anhörung auf einen Zeitpunkt nach dem Ratsgipfel Ende Juni oder sogar nach der Abstimmung im Europäischen Parlament zu verlegen. Dennoch entschied der Richter, den Anwalt des Klägers anzuhören, anstatt die Verhandlung zu vertagen, da sie die Dringlichkeit der Angelegenheit erkannte.
Während der Anhörung warnte Baldan vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen gegen ihn und andere Kläger, sollten Ursula von der Leyen erneut zur EU-Kommissionspräsidentin gewählt werden. Er betonte vehement, dass er gemäß der EU-Whistleblower-Richtlinie geschützt werden sollte. Diese Bedenken unterstrich er mit dem Entzug seiner EU-Akkreditierung als Lobbyist kurz nach einer Pressekonferenz zu Pfizergate, die er gemeinsam mit der verstorbenen Europaabgeordneten Michèle Rivasi hielt. Trotz Baldans und seines Anwalts Beharren auf seinen Whistleblower-Status entschied das Gericht, seinen Antrag mit der Begründung abzulehnen, dass keine schwerwiegenden Schäden oder erheblichen Unannehmlichkeiten vorlägen, die eine sofortige Entscheidung erforderlich machen würden.
Baldans Anwalt kritisierte die Entscheidung des Richters. Seiner Ansicht nach verstoße sie gegen EU-Richtlinien und belgisches Recht. Er hebt hervor, dass es nicht die Pflicht des Klägers ist, zu belegen, warum er als Whistleblower angesehen werden sollte. Er betont, dass das Gericht die Beweislast nicht umkehren darf. Stattdessen habe es die Aufgabe der abwesenden Verteidigung bei der Anhörung am Freitag sein müssen, zu beweisen, dass sein Mandant kein Whistleblower sei.
Von der Leyen soll EU-Kommissionspräsidentin bleiben
Wie HAINTZmedia berichtet, einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU am 25. Juni darauf, Ursula von der Leyen für eine weitere Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission zu nominieren. Diese Einigung basiert auf den Ergebnissen der Europawahl, bei der die EVP mit Von der Leyen das beste Ergebnis erzielte. Baldan äußerte sich auf 𝕏 zur Entscheidung und wirft der EU vor, dass eine Mehrheit der Staatsoberhäupter zugestimmt hat, eine Präsidentin vorzuschlagen, die strafrechtlich verfolgt wird. Er kritisiert dies als einen Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit.
„Une majorité de chefs d’état s’est entendue pour proposer une Présidente poursuivie pénalement, qui a violé les traités, son code de conduite, le code d’éthique du PPE… Bref, ils ont détruit l’état de droit. Bienvenu en République Populaire de l’UE.“
Frédéric Baldan / 𝕏
„Eine Mehrheit der Staatsoberhäupter stimmte zu, einen Präsidentin vorzuschlagen, die strafrechtlich verfolgt wird und die gegen die Verträge, ihren Verhaltenskodex und den Ethikkodex der EVP verstoßen hat … Kurz gesagt, sie haben die Rechtsstaatlichkeit zerstört. Willkommen zu
Volksrepublik der EU.“
Er kündigt an, gegen die Entscheidung des Gerichts Berufung einzulegen und setzt darauf, noch vor der Bestätigungsabstimmung im EU-Parlament Anfang Juli Recht zu bekommen.