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Landgericht München: „Blödbock“ und „Hadreck“ vor Gericht

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Der Beleidigungsprozess gegen den Münchner Patentanwalt Björn Otto geht in die zweite Runde und das Verfahren wird aufgrund eines Befangenheitsantrags von Rechtsanwältin Viktoria Dannenmaier (Haintz legal) gegen den Vorsitzenden Richter am Landgericht Calame direkt wieder ausgesetzt. Ein Beitrag von Leonie Ipati und Markus Haintz.
Zusammengefasst

Patentanwalt vor Gericht

Der Fall von Björn Otto geht in die nächste Instanz. Ihm wird vorgeworfen, führende Grünen-Politiker auf einem LED-Laufband in seinem Fahrzeug beleidigt zu haben. Nun muss das Landgericht München entscheiden, ob die Äußerungen strafbar waren oder von der Meinungsfreiheit gedeckt sind.

Drei Politiker – drei umstrittene Äußerungen

Otto hatte im Dezember 2022 in seinem Mercedes-SUV ein Videolaufband am Heckfenster installiert, auf dem er die Corona-Maßnahmen und eine mögliche Impfpflicht der damaligen Ampelregierung scharf kritisierte. Begleitet wurden die Aussagen von Bildern verschiedener Politiker.

Laut Strafbefehl seien die Namen der Politiker in herabwürdigender Weise verändert worden: Aus Annalena Baerbock wurde „Blödbock“ und Robert Habeck wurde als „Hadreck“ bezeichnet. Hinter dem Foto von Anton Hofreiter stand: „Wenn Du riechst wie Anton Hofreiter ausschaut, dann sehen wir uns auf der Straße!“ Olaf Scholz und Christian Lindner wurden ebenfalls auf dem Display gezeigt, verzichteten jedoch auf Strafanträge. Die drei Grünen-Politiker stellten Strafantrag.

Die Anklage stützte sich dabei auf § 185 StGB in Verbindung mit § 188 StGB, der Beleidigungen zu Lasten von Politikern unter einen höhere Strafandrohung stellt. § 188 StGB ist spätestens seit der Schwachkopf-Affäre um Robert Habeck in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, die Norm wird seither vielfach kritisiert und als „Majestätsbeleidigungsparagraf“ bezeichnet.

Der Tatbestand des § 188 StGB erfordert nicht nur, dass es sich bei einer Aussage um eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB handelt, sondern dass diese (konkrete) Tat auch geeignet  sein muss, das öffentliche Wirken des Politikers erheblich zu beeinträchtigen.

Nach Ansicht der Verfasser des Artikels und der Verteidigerin ist dies bei eine Beleidigung schlicht nicht möglich. Eine solche Beeinträchtigung ist nur denkbar im Falle einer üblen Nachrede oder einer Verleumdung, also bei falschen Tatsachenbehauptungen.

Erstinstanzliches Urteil

Das Amtsgericht München erließ zunächst einen Strafbefehl über 90 Tagessätze zu je 500 Euro, also eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 45.000 €. In der Hauptverhandlung wurde die Einschätzung des Gerichts dann deutlich zurückhaltender. Die Richterin sah den Straftatbestand des § 188 StGB nicht erfüllt. Lediglich eine Beleidigung gemäß § 185 StGB wurde festgestellt. Die Geldstrafe wurde auf 50 Tagessätze zu je 120 Euro festgesetzt, demnach auf 6000 €.

Berufungsverhandlung am 3. Juli

Die heutige Berufungsverhandlung endete schneller als erwartet, da die Verteidigerin Viktoria Dannenmaier einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter am Landgericht Calame stellte, welcher sein Urteil offenkundig schon gefällt hatte, bevor die Verhandlung begonnen hatte. Und dies, obwohl noch wesentliche Sachverhaltsfragen ungeklärt waren und eine umfassende Berufungsbegründung vorlag, die den Vorsitzenden wohl nicht wesentlich interessiert hatte.

Die Verhandlung begann damit, dass Richter Calame mitteilte, dass die 120 € Tagessatzhöhe viel zu niedrig seien und der Angeklagte (der Patentanwalt ist) mit Nachermittlungen zu seinem Einkommen rechnen müsse, inklusive einer Zeugenvernehmung seiner Kanzleikollegen.

Das Gericht wollte den Angeklagten damit offenkundig dazu bewegen, die Berufung zurückzunehmen, um keine höhere Tagessatzhöhe zu riskieren. Schon dieses Vorgehen ist äußerst ungewöhnlich in dieser Art und Weise und deutete darauf hin, dass der Richter sein Urteil schon gefällt hatte.

Der Angeklagte Otto äußerte sich gegenüber HAINTZ.media, dass er möchte, dass Recht gesprochen wird. Er werde sich auf keinen „Deal“ dieser Art einlassen.

Richter Calame äußerte sich weiterhin dahingehend, dass die Abwägung im amtsgerichtlichen Urteil plausibel klinge. In einem Nebensatz fragte er dann an, ob es nicht besser sei, die Berufung zurückzunehmen, die Staatsanwaltschaft würde sicherlich auch zustimmen.

Rechtsanwältin Dannenmaier beantragte daraufhin eine Unterbrechung der Verhandlung, um sich mit ihrem Mandanten zu besprechen. Anschließend stellte sie einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Calame. Dieser teilte daraufhin mit, dass er das Verfahren aussetzen werde, da er innerhalb von 3 Wochen keinen neuen Termin anberaumen könne. Nun ist zunächst über den Befangenheitsantrag zu entscheiden, bevor das Verfahren dann von neuem beginnt.

Die Verteidigerin Dannenmaier äußerte sich uns gegenüber dahingehend, dass ein Richter, der bei der Eröffnung der Verhandlung mitteilt, dass er das erstinstanzliche Urteil für richtig hält, sein Urteil schon gefällt hat und befangen ist.

Hierzu sei noch zu erwähnen, dass nicht nur rechtliche Fragen zur Diskussion standen, sondern auch Sachverhaltsfragen ungeklärt sind, weshalb auch mehrere Zeugen geladen waren. Ob überhaupt irgendjemand die streitgegenständlichen Aussagen wahrgenommen hat, sei schon unklar. Selbst die als Zeugen geladenen Polizisten, die Herrn Otto im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehalten hatten, konnten sich in der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz nicht daran erinnern, ob sie die streitgegenständlichen Aussagen überhaupt wahrgenommen haben.

Ebenso sei laut Rechtsanwältin Dannenmaier die Strafbarkeit der Äußerungen allgemein völlig unklar, da diese von der Meinungsfreiheit gedeckt sind.

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Markus Haintz

Markus Haintz ist Journalist und Rechtsanwalt mit dem juristischen Schwerpunkt in den Bereichen Medien- und Äußerungsrecht. Journalistisch befasst er sich vor allem mit den Themen Meinungsfreiheit, Recht sowie Innen- und Außenpolitik.

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