Die gestrige Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin drehte sich um die Eskalation des Konflikts in der Ukraine und stellte eine deutliche Warnung an den Westen dar. Im Mittelpunkt seiner Ansprache standen sowohl der Einsatz westlicher Langstreckenraketen gegen Russland als auch Russlands militärische Reaktion darauf. Putin erklärte, dass die Angriffe auf die russischen Regionen Kursk und Brjansk mit ATACMS-Raketen und Storm Shadow-Systemen ein neues Level der Bedrohung darstellen würden und bezeichnete die Situation als „globalen Konflikt“.
Screenshot 𝕏-Post Annika Hoberg
Putin erklärte, Russland habe als Reaktion auf den Einsatz der US-amerikanischen und britischen Raketen durch die Ukraine eine neue hypersonische Mittelstreckenrakete gegen ukrainisches Territorium eingesetzt.
Der Einsatz erfolgte gestern Morgen, 21. November 2024.
Die ukrainische Luftabwehr hatte den „Abschuss von sechs russischen Marschflugkörpern des Typs Ch-101″ gemeldet. Zusätzlich sei eine Hyperschallrakete vom Typ „Kinschal“ von einem Mig-31-Kampfjet aus abgefeuert worden, hieß es.
Nach ukrainischen Angaben wurde eine Interkontinentalrakete, vermutlich vom Typ RS-26 Rubezh, verwendet, welche aus der Region Astrachan nahe dem Kaspischen Meer gestartet worden sei.
Das Pentagon erklärte, die von Russland abgefeuerte Rakete basiere auf der Interkontinentalrakete (ICBM) „RS-26 Rubezh“.
In seiner Rede hob Putin den erfolgreichen Test und Einsatz der neuen russischen Mittelstreckenrakete „Oreschnik“ hervor. Diese ballistische Hyperschallrakete erreicht eine Geschwindigkeit von Mach 10, das Zehnfache der Schallgeschwindigkeit und gilt daher als unaufhaltbar durch moderne Luftverteidigungssysteme, wie Reuters beschreibt. Nach Angaben Putins wurde ein ukrainischer Rüstungsstandort in Dnipro getroffen, der für die Produktion von Raketen verantwortlich ist.
Verschärfte Rhetorik
Putin betonte, dass Russland das Recht habe, auch militärische Ziele in Ländern anzugreifen, die der Ukraine den Einsatz westlicher Waffen gegen Russland ermöglichen, denn dieser sei nicht ohne „die direkte Beteiligung militärischer Akteure aus den Herstellerländern“ möglich. Damit verschärfte er die Rhetorik gegenüber den Vereinigten Staaten und Großbritannien, die jüngst Langstreckenraketen an die Ukraine geliefert haben sowie die Erlaubnis gaben, diese auf russischem Territorium einzusetzen. Westliche Analysten werten Putins Aussage als eine direkte Warnung gegenüber NATO-Staaten.
„Obwohl die Rakete nur konventionelle Sprengköpfe trug, signalisierte ihr Einsatz, dass Russland, wenn es will, mit Atomwaffen zuschlagen könnte“, so die New York Times.
„Russland behält sich das Recht vor, Waffen gegen militärische Einrichtungen von jenen Ländern einzusetzen, die der Ukraine den Einsatz ihrer Waffen gegen Russland erlauben.“
Wladimir Putin, 21. November 2024
Ukrainische und westliche Reaktionen beschreiben den Einsatz der „Oreschnik“ als erhebliche Eskalation. Während die Ukraine weltweite Verurteilung forderte, warnte der Westen vor einer weiteren Verschärfung des Konflikts, betonte jedoch, dass die militärische Unterstützung für die Ukraine fortgesetzt werde. Die USA bestätigten, dass sie über Kanäle zur Reduzierung nuklearer Risiken über den russischen Raketentest informiert wurden.
Unberechenbare Entwicklungen
Diese Entwicklungen verdeutlichen die zunehmende Unberechenbarkeit des Konflikts. Während Russland auf westliche Waffenlieferungen mit der Einführung neuer Raketensysteme reagiert, bleibt die Gefahr einer breiteren internationalen Konfrontation bestehen.
Ivor Bennett, Moskau-Korrespondent des britischen Mediums Sky News sieht in der Ansprache des russischen Präsidenten einen entscheidenden Moment, aus drei zentralen Gründen:
1. Einsatz einer neuen Waffe: Erstmals nutzte Russland eine ballistische Hyperschallrakete ohne nuklearen Sprengkopf. Putin betonte deren Unangreifbarkeit durch bestehende Raketenabwehrsysteme, was eine neue Bedrohungsebene schafft.
2. Eskalierende Rhetorik: Der Präsident warnte erstmals direkt vor Angriffen auf britische und amerikanische Militäreinrichtungen. Seine Begründung: Großbritannien und die USA seien durch Waffenlieferungen, Satellitennutzung und operative Unterstützung aktiv in den Konflikt involviert.
3. Symbolik der Ansprache: Die Wahl eines Fernsehformats, das bisher für zentrale nationale Ereignisse reserviert war – wie den Start der umfassenden Invasion oder den Terroranschlag in Moskau –, verleiht der Botschaft zusätzliches Gewicht.
Der Präsident Serbiens Aleksandar Vučić spricht das an, was vielfach bezüglich der Drohungen des Kremls angenommen wird. Sie seien heiße Luft und nicht ernst zu nehmen. Nur, wer das glaubt, wird in der Lage sein, auf weitere Eskalation statt Diplomatie zu setzen. Vučić, der eng mit Putin korrespondiert, sieht allerdings in den Worten des russischen Präsidenten eine ernstzunehmende Warnung.
Screenshot 𝕏-Post Aldous Huxley
Das ist letztlich die Frage, die man sich nun stellen sollte; sind es leere Drohungen, die der russische Präsident ausspricht, oder ist es nur vernünftig, diese ernst zu nehmen?
Wichtig festzuhalten sollten in diesem Bezug einige Details aus seiner Rede sein. Einen direkten Hinweis auf den möglichen Einsatz nuklearer Waffen gibt es darin nicht, obwohl anzumerken ist, dass „dieser Waffentypus, [der am selben Morgen die Ukraine traf] mit Nuklearwaffen assoziiert ist“, wie Fabian Hofmann, Forscher im Bereich Militärstrategien und -technologien der Tagesschau berichtet.
Was direkt von Putin hervorgehoben wird, ist die Option eines Angriffs auf amerikanische oder britische Militärbasen.
„Oreschnik“ ist eine Waffe, die Putin als unaufhaltsam beschreibt. Aus diesem Grund könne er auch die Zivilbevölkerung bei einem Einsatz rechtzeitig warnen, da dadurch der Erfolg nicht gefährdet sei.
Durch die kürzlich getätigten Schritte seitens der Amerikaner und Briten sieht der russische Präsident sich legitimiert, deren Stützpunkte direkt anzugreifen. Diese Warnung spricht er ganz deutlich aus. Sie in die Tat umzusetzen, würde den Bündnisfall initiieren, keineswegs aber zwangsläufig zu einer nuklearen Katastrophe führen:
„Nach Artikel 5 des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Vertrages wird ein Angriff auf einen Verbündeten als Angriff auf alle Bündnispartner betrachtet. Die NATO (North Atlantic Treaty Organization) definiert sich über diese Beistandsverpflichtung: Sie ist ein Verteidigungsbündnis und macht auch in ihrem neuen strategischen Konzept deutlich, dass es keine Zweifel an der Stärke und Entschlossenheit gibt, ‚jeden Zentimeter des Bündnisgebietes zu verteidigen, die Souveränität und territoriale Unversehrtheit aller Verbündeten aufrechtzuerhalten und uns gegen jeden Angreifer durchzusetzen.‘“
Artikel 5, NATO-Vertrag
Der indirekte Verweis darauf, dass die russische Führung einen solchen Fall riskieren würde, kann natürlich auch bezwecken, jegliche weiteren Schritte in Richtung Eskalation seitens des Westens verhindern zu wollen.
Putin machte in seiner Rede deutlich, dass er den Konflikt bereits als global betrachtet. Was passieren muss, bis Russland tatsächlich in die direkte militärische Konfrontation mit westlichen Mächten geht, ist nicht zu sagen. Seine Warnung zu ignorieren, wäre allerdings ebenso fahrlässig.
Konfrontationspolitik alles andere als zielführend
Die Konsequenz der Entwicklungen im Ukrainekrieg ist seitens Deutschland allerdings bisher eher eine konkrete Kriegsvorbereitung, statt Deeskalation, kritisiert Marcus Klöckner auf den Nachdenkseiten. Er bezieht sich dabei auf den „geheimen Operationsplan Deutschland“, nach dem, wie die FAZ nüchtern berichtet, „die Bundeswehr seit Kurzem Unternehmen für den Verteidigungsfall“ schult.
Auch die Medienlandschaft hätte nun in erster Linie die Pflicht dem „Friedensauftrag des Grundgesetzes“ nachzukommen, so Klöckner.
Die fortschreitende Konfrontationspolitik könnte eines Tages in das Unvorstellbare münden, wenn diplomatische Ansätze vernachlässigt und stattdessen militärische Eskalation verfolgt wird, so das Fazit des Journalisten. Die NATO rückt zunehmend näher an Russlands Grenzen heran und verstärkt ihre militärische Präsenz, was als Provokation empfunden wird. Eine kritische Berichterstattung müsste nicht nur Russlands Angriff auf die Ukraine klar verurteilen, sondern auch die geostrategischen Hintergründe des Konflikts beleuchten und die Risiken einer westlichen Politik hinterfragen, die mehr zur Eskalation als zur Friedenssicherung beiträgt. Doch oft bleibt diese notwendige Kritik aus, was die Gefahr eines globalen Konflikts weiter steigert.
Eine Antwort
Detailergänzung
Zielkoordinaten für das erste Ziel sind bereits seit 7 Uhr programmiert:
Polen.
Quelle:
freedert.online/international/226783-eskalation-zum-atomkrieg-moskau-gibt/
Sekundenpriorität und -flexibilität bleibt natürlich die sekündliche Bedrohunglage.
Zu „… was die Gefahr eines globalen Konflikts weiter steigert.“
eine deeskalationsermöglichende Erinnung von mir an die Namen Schachtschneider, Bittner, Ganser und Rupp in 869 und 861:
https://haintz.media/artikel/deutschland/nicht-der-richtige-zeitpunkt-um-ueber-frieden-zu-sprechen/#comment-869
Und was machen wir? Wie wollen wir unsere morgigen Tagesprioritäten gestalten?