Nach seiner Freilassung im Juni 2024 trat Julian Assange, Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks, erstmals wieder öffentlich auf. Bei seinem Auftritt vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) in Straßburg legte er dar, wie die jahrelange Verfolgung und Inhaftierung das Leben eines Journalisten bedrohen können. Mit deutlichen Worten kritisierte er die US-Behörden und forderte ein entschlosseneres Vorgehen zum Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit.
Der lange Weg in die Freiheit
Assange lebte über ein Jahrzehnt in Isolation und unter Verfolgung, nachdem er 2010 geheime US-Dokumente veröffentlicht hatte, die mehrere Kriegsverbrechen im Irak und Afghanistan enthüllten. Diese Veröffentlichungen, die gravierende Verstöße durch das US-Militär und Diplomaten aufdeckten, führten zu einer juristischen Hetzjagd gegen ihn.
Er verbrachte sieben Jahre in der Ecuadorianischen Botschaft in London, wo er Asyl suchte, bevor er 2019 von britischen Behörden festgenommen und in das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh gebracht wurde. Wie HAINTZmedia berichtete, ermöglichte fünf Jahre später ein Justizdeal mit den USA seine Freilassung. Assange bekannte sich schuldig, geheime Verteidigungsinformationen veröffentlicht zu haben, um einer lebenslangen Haftstrafe zu entgehen. Seine Strafe war mit den bereits verbüßten Jahren abgegolten, und er konnte nach Australien zurückkehren.
Auftritt vor dem Europarat: Ein emotionales Plädoyer
In Straßburg trat Assange nun erstmals nach seiner Freilassung vor dem Ausschuss für Recht und Menschenrechte des Europarats auf, der seinen Fall untersucht hatte. Begleitet von seiner Frau Stella und dem WikiLeaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson, sprach er über die persönlichen und politischen Folgen seiner jahrelangen Inhaftierung.
„I want to be totally clear: I am not free today because the system worked […] I am free today after years of incarceration because I pled guilty to journalism.”
„Ich möchte ganz deutlich sein: Ich bin heute nicht frei, weil das System funktioniert hat […] sondern weil ich mich des Journalismus‘ schuldig bekannt habe.“
Julian Assange / CNN
Mit scharfen Worten kritisierte Assange die US-Regierung und deren Vorgehen gegen Journalisten, die brisante Informationen mutig veröffentlichen. Assange warnte davor, dass die Verfolgung von Journalisten eine gefährliche Entwicklung sei, die weit über seinen Fall hinausgehe.
„Journalists should not be prosecuted for doing their jobs. Journalism is not a crime, it is a pillar of a free and informed society.“
„Journalisten sollten nicht wegen ihrer Arbeit verfolgt werden. Journalismus ist kein Verbrechen, es ist eine Säule einer freien und informierten Gesellschaft.“
Julian Assange / ABC News
Die Konsequenzen seiner Haftzeit
Assange schilderte die Auswirkungen seiner Zeit im Belmarsh-Gefängnis, in dem er isoliert und psychisch stark belastet wurde. Er sprach von einem „erbarmungslosen Kampf“, den er körperlich und geistig durchstehen musste. Die Isolation habe einen tiefen Eindruck bei ihm hinterlassen und ihm das Gefühl von Selbstbestimmung genommen. Der Übergang von der Gefangenschaft in ein freies Leben sei für ihn besonders prägend und surreal gewesen.
„It strips away one’s sense of self.“
„Es entzieht einem das Selbstbewusstsein.“
Julian Assange / ABC News
Sein Auftritt in Straßburg war nicht nur ein persönliches Zeugnis, sondern eine deutliche Aufforderung an die europäischen Staaten, sich stärker für den Schutz von Journalisten einzusetzen. Darüber hinaus appellierte er im Europarat an die Journalisten und machte deutlich, dass sie als Aktivisten agieren sollten, um die Wahrheit zu kommunizieren. Dies bedeute, sich gegenseitig zu unterstützen und sich dafür nicht zu entschuldigen.
Ein Symbol für die Pressefreiheit
Der Fall Julian Assange hat eine internationale Debatte über die Grenzen von Journalismus und staatlicher Geheimhaltung ausgelöst. Die von WikiLeaks veröffentlichten Dokumente, die die US-Militäraktionen in Afghanistan und Irak offenlegten, führten nicht nur zu globalen Kontroversen, sondern machten Assange auch zur Zielscheibe der US-Justiz. Die Anklagen gegen ihn unter dem Spionagegesetz wurden weltweit als überzogen und politisch motiviert kritisiert.
Obwohl Assange für seine Veröffentlichungen scharf verurteilt wurde, gibt es bis heute keine Beweise, dass durch die WikiLeaks-Enthüllungen Menschen zu Schaden kamen. Dennoch war er über Jahre hinweg konfrontiert mit einer möglichen Auslieferung und lebenslangen Haft. Der Europarat, der aus 46 Mitgliedstaaten besteht, hatte bereits in einem Bericht festgestellt, dass Assange während seiner Haft unmenschlich behandelt wurde. Der Bericht forderte die britische Regierung auf, die Haftbedingungen und die Verhältnismäßigkeit seiner Inhaftierung zu untersuchen.
Seine Rede bei der PACE in Straßburg schloss Assange mit Standing Ovation. Er erinnerte daran, dass er 2010 in Paris lebte, nach Großbritannien ging und bis heute nicht zurückgekehrt ist. Es sei schön, wieder zurück zu sein – bei Menschen, denen „alles wichtig“ sei. Unter Freunden zu sein, mache ihn froh. Assange dankte allen, die für seine Befreiung gekämpft hätten und die erkannt hätten, dass seine Freiheit mit ihrer eigenen verbunden sei. Er betonte, dass sie für die grundlegenden Freiheiten, die alle Menschen betrifft, kämpfen müssten. Sollte einer von ihnen durch das Raster fallen, würde dieses Raster bald größer werden und auch den Rest mitreißen. Er sprach seinen Unterstützern Dank für deren Gedanken und Mut aus und forderte sie auf, weiterhin zu kämpfen.
Ein Neuanfang als freier Mann
Seit seiner Rückkehr nach Australien hat Assange begonnen, sich ein neues Leben als freier Mann aufzubauen, doch die Narben der vergangenen Jahre bleiben sichtbar. Seine Frau Stella äußerte im Juni, wie wichtig es sei, dass Assange nun Zeit finde, sich zu erholen und sich an ein normales Leben zu gewöhnen. „Wir haben so viele Jahre auf diesen Moment gewartet“, sagte sie, „und es ist wunderbar, endlich Zeit als Familie zu haben.“
Der Fall Assange wird noch lange nachhallen. Er steht sinnbildlich für die Risiken, denen investigative Journalisten ausgesetzt sind, wenn sie geheime Informationen von Regierungen ans Licht bringen. Assanges Geschichte rührt grundlegende Überlegungen an, wie die Pressefreiheit in Zeiten zunehmender Geheimhaltung und staatlicher Kontrolle geschützt werden kann.
Sein Auftritt vor dem Europarat ist ein klares Signal: Der Kampf um die Pressefreiheit und gegen die Kriminalisierung des Journalismus ist noch lange nicht vorbei.