Der Vorwurf lautet Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Kontext des Gaza-Krieges. Die Entscheidung stößt, wie zu erwarten war, international auf geteilte Reaktionen. Selbstverständlich lehnt Israel sie vehement ab, selbstverständlich begrüßen Jordanien und die Hamas die Maßnahme. Deutschland als westlicher Partnerstaat befindet sich in der Bredouille.
Kriegsverbrechen auf beiden Seiten
Die Anklage gegen Netanjahu und Galant basiert auf dem Vorwurf, dass Israel wesentliche Güter wie Nahrung, Wasser und medizinische Hilfsmittel der Bevölkerung in Gaza absichtlich vorenthalten habe. Der Chefankläger Karim Khan hatte bereits im Mai entsprechende Haftbefehle beantragt. Beide Politiker werden als zivile Vorgesetzte für die Maßnahmen verantwortlich gemacht. Dem Hamas-Anführer Al-Masri werden ebenfalls Kriegsverbrechen vorgeworfen, insbesondere die Massaker vom 7. Oktober, bei denen mehr als 1.200 Menschen getötet und über 250 Geiseln verschleppt wurden.
Reaktionen
Netanjahus Büro bediente sich der üblichen Opferrolle und sprach von „antisemitischen Entscheidungen“, Israels Außenminister bezeichnete den Gerichtshof in Den Haag als „legitimationslos“. Der Zentralrat der Juden in Deutschland nannte die Vorwürfe „absurd“. Jordaniens Außenminister Safadi forderte, die Haftbefehle konsequent umzusetzen.
Deutschland, Unterstützer des IStGH, müsste Netanjahu bei einem Aufenthalt auf deutschem Boden verhaften und ausliefern. Man lieferte dieser Regierung, die nun offiziell als Kriegsverbrecher gilt, Waffen, die bei der Umsetzung derer sicherlich hilfreich waren. Außenministerin Annalena Baerbock bezeichnete Israels Premier als „unseren engsten Verbündeten im Nahen Osten“. Gleichzeitig unterstützt man aber das Völkerrecht. Regierungssprecher Hebestreit erklärte, Deutschland werde sich an die Entscheidungen des IStGH halten. Die weitere militärische Unterstützung Israels dürfte vor diesem Hintergrund schwer mit den Prinzipien einer regelbasierten Außenpolitik vereinbar, die Baerbock und die Bundesregierung stets betonen.
Die US-Regierung zweifelt sogar an den Haftbefehlen des IStGH gegen Israels Premier Netanjahu und stellt die Kompetenz des Gerichts infrage. Sie spricht von „beunruhigende[n] Verfahrensfehler[n]“ und zweifelt an der Zuständigkeit in diesem Fall, so ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates laut Welt.
Umsetzung der Haftbefehle
Der IStGH selbst hat keine Möglichkeiten, Haftbefehle durchzusetzen. Die 124 Mitgliedsstaaten sind aber verpflichtet, die Gesuchten festzunehmen, sollten sie ihr Territorium betreten. Staaten wie die USA, Israel oder Russland haben das Statut des Gerichtshofs nicht ratifiziert, wodurch eine Vollstreckung dort ausgeschlossen ist.
Netanjahus politische und diplomatische Bewegungsfreiheit dürfte durch den Haftbefehl stark eingeschränkt werden. Die Niederlande haben bereits angekündigt, ihn im Falle einer Einreise festzunehmen.