Brave New Private I zeigt, wie visionäre Privatstadtprojekte wie Telosa mit glänzenden Utopien locken, dabei aber den Weg in eine Konzernherrschaft ebnen. In Teil II blicken wir hinter diese Hochglanz-Fassade: Wie nutzen Privatstädte juristische Konstruktionen, um rechtsstaatliche Strukturen durch radikale Governance by Contract zu ersetzen? Welche Rolle spielen internationale Institutionen bei der Errichtung dieser Parallelwelten – und droht real existierenden Demokratien die stille Ablösung durch privatwirtschaftliche Machtstrukturen?
Willkommen in der Privatstadt
Stellen Sie sich vor, Sie wachen eines Morgens auf und können nicht mehr frei entscheiden, wo Sie einkaufen, wen Sie treffen oder welche Informationen Sie verbreiten dürfen. Ihr Bankkonto wurde eingefroren, da Sie gegen die Richtlinien Ihrer Wohnsiedlung – verwaltet von einem privaten Unternehmen – verstoßen haben. Ihr Arbeitgeber kündigt Ihnen fristlos, weil er nicht riskieren möchte, selbst unter Beobachtung der privaten Sicherheitsdienste zu geraten. Und als Sie Schutz bei Freunden suchen, schließen diese verängstigt die Tür, aus Sorge, ihr eigenes Leben könnte ebenso ruiniert werden. Utopie, dystopische Fiktion, oder Ähnlichkeiten mit Ereignissen in der jüngsten Plandemie?
Tatsächlich ist diese beklemmende Vision näher an der Realität, als es auf den ersten Blick scheint. Denn genau nach diesem Muster funktionieren sogenannte „Privatstädte“ wie Próspera oder Neom, in denen Rechtsstaatlichkeit durch privatwirtschaftliche Kontrolle ersetzt wird und der Einzelne seine Rechte per Vertrag an die Betreiber überträgt. Willkommen in der Welt der Privatstädte, wo Konzerne die Regeln bestimmen – und Freiheit schnell zur bloßen Illusion werden kann.
Governance by Contract: Herrschaft und Vertrag
In neu entstehenden Privatstädten wie »Próspera« (Honduras), »Neom« (Saudi-Arabien) oder der geplanten US-Stadt Telosa gelten nicht die üblichen Spielregeln. Stattdessen werden private Herrschaftsverträge (Governance by Contract) als Grundlage der Ordnung eingesetzt. Die Bewohner schließen dabei »zivilrechtliche Verträge mit dem Stadtbetreiber«, der weitreichende Autonomie gegenüber dem Nationalstaat besitzt. So wurde 2013 in Honduras die Verfassung geändert, um sogenannte Zonas de Empleo y Desarrollo Económico (»ZEDE«, Zone für Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung) zu ermöglichen – Sonderzonen mit eigener Fiskal-, Rechts- und Verwaltungsordnung.
Próspera auf der Insel Roatán ist eine solche ZEDE: Gesetze und Regulierung werden hier vom privaten Betreiber erlassen, der dafür ein eigenes Council (Stadtrat) installiert hat. Dieses besteht aus neun Mitgliedern – fünf gewählten und vier vom Betreiber Honduras Próspera Inc. ernannten. Dadurch besitzt das Betreiberunternehmen faktisch ein Vetorecht gegen unerwünschte Entscheidungen, da alle Beschlüsse eine Zweidrittelmehrheit benötigen. Übergeordnet wacht ein Committee for Best Practices, besetzt von Honduras’ Zentralregierung, das neue Regeln absegnen muss. Auf lokaler Ebene hat die Privatstadt eigene Gerichte, Schiedsstellen, Polizei und Verwaltung.
Bemerkenswert ist der rechtsvertragliche Status der Bewohner. Wer Bürger oder »e-Resident« von Próspera werden will, muss einen detaillierten »Koexistenzvertrag« unterschreiben. Darin versichert der Unterzeichner, er habe sich mit der Charta der Privatstadt sowie den einschlägigen honduranischen Verfassungsartikeln vertraut gemacht und willigt „wissentlich und freiwillig“ in eine Delegation der Volkssouveränität an die Behörden von Próspera ZEDE (PZ) ein. Konkret akzeptieren die Bewohner, dass die Organe der Privatstadt über sie bestimmen: der Technical Secretary (vergleichbar einem Gouverneur), der PZ-Rat, die PZ-Gerichte und Schiedsgerichte, der Ombudsmann und sogar der Treuhandfonds (PZ Trust), der formal die Hoheitsgewalt „für das Wohl der Bewohner“ ausübt.
Demokratische Mitbestimmung im üblichen Sinne existiert kaum. Vielmehr ähneln solche Städte Unternehmensstaaten, in denen die „Bürger“ de facto Kunden mit Nutzungsverträgen sind. Bei Verstoß gegen Vertragsregeln – etwa Zahlungsrückstand oder „vertragswidriges Verhalten“ – kann der Betreiber den Vertrag kündigen und Personen des Gebietes verweisen. Bürgerrechte werden so zu bloßen Vertragskonditionen: Was erlaubt ist und was nicht, bestimmt letztlich die Geschäftsführung.
Effiziente Parallelwelten
Die Vision der Betreiber solcher Privatstädte ist eine effizientere, investorenfreundliche Parallelgesellschaft. »Paul Romer«, ehemaliger Weltbank-Ökonom und Mitbegründer des Konzepts der Charter City, meinte, Entwicklungsländer könnten durch neue, privat gemanagte Städte mit eigenen Regeln einen Aufschwung schaffen. Kritiker sprechen hingegen von »Parallelstaatlichkeit, die an Neo-Kolonialismus«erinnert. Romers Konzept sah vor, dass souveräne Staaten Teile ihres Territoriums an externe Betreiber oder ausländische „Garantiemächte“ abtreten, die dort eigenständig Recht setzen, „wie in einem imperialen Protektorat“. »Im Fall von Honduras« wurden die ersten Charter Cities (dort ZEDE genannt) tatsächlich nach einem Militärputsch 2009 vorangetrieben. Die privaten Betreiber – in Prósperas Fall eine US-Firma mit Risikokapital-Finanzierung – designen ein Regelwerk nach ihren Vorstellungen. Laut einer Analyse von CIEL entstehen durch die ZEDE-Gesetzgebung »„unabhängige Enklaven unter Konzernherrschaft“«, in denen die Manager lokale Verordnungen, Steuern und Abgaben nach Belieben profitorientiert gestalten können. Die Regierung des jeweiligen Landes hat dort kaum noch Einfluss, außer sie hätte sich vertraglich gewisse Vetorechte gesichert. Selbst grundlegende öffentliche Güter wie Sicherheits- und Gerichtsapparat werden von privaten Akteuren kontrolliert.
Auch Neom in Saudi-Arabien wird als autonome Sonderzone konzipiert. Die Megastadt am Roten Meer – darunter das futuristische Projekt The Line – soll laut Plan »„vollständig außerhalb des saudischen Justizsystems“« operieren. Statt Scharia-Gerichten und königlichen Dekreten soll ein eigenes Rechtssystem gelten, das von internationalen Investoren entworfen wird. Offiziell soll dies ausländischen Partnern maximale Sicherheit und Verlässlichkeit bieten, etwa nach westlichen Standards. Faktisch entsteht so aber ein Rechtsraum, der nur dem saudischen Kronprinzen untersteht: »Neom bekommt eigene Gesetze«, doch rechenschaftspflichtig sind die Herrschenden dort allein gegenüber Mohammed bin Salman. Kritiker bezeichnen Neom daher als High-Tech-Feudalherrschaft – ein Gebiet, in dem ein absoluter Herrscher mithilfe globaler Konzerne seine Vision durchsetzt und dabei herkömmliches Recht außer Kraft setzt.
NEWS 🚨: Saudi Arabia has already begun construction on its 106 mile-long megacity structure, "The Line” pic.twitter.com/8tj3WHXfwZ
— Latest in space (@latestinspace) October 23, 2022
Die Rolle internationaler Institutionen
Internationale Organisationen spielen bei der Verbreitung dieser Parallel-Stadtentwicklungen eine ambivalente Rolle. Einerseits fördern globale Finanzakteure seit Jahrzehnten Sonderwirtschaftszonen und Investoren-Enklaven als Entwicklungsmotor; andererseits mehren sich Warnungen vor den sozialen Risiken.Im Fall Honduras suchte die Regierung aktiv die Unterstützung von Entwicklungsbanken. Bereits »2014 wandte sich Präsident Juan Orlando Hernández« an die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB, Inter-American Development Bank), um Finanzierung und wohlwollende Expertise für die neuen ZEDE-Privatstädte zu erhalten. Die IDB-Beteiligung sollte Investoren Vertrauen und Infrastruktur garantieren. »Interne Berichte der Bank« warnten aber vor fehlenden Schutzmechanismen für Arbeiterrechte in den Zonen. Europäische Stellen äußerten ähnliche Bedenken. Ein »Bericht des CEPR (2014)« fragte kritisch, ob EU und IDB „menschenrechtsfreie Zonen“ in Honduras unterstützen wollen. So gibt es z. B. keine Garantie für faire Löhne oder Sozialversicherungen innerhalb dieser Zonen – ein rechtliches Niemandsland zugunsten der Investoren.
UN-Organisationen wiederum agieren oft zurückhaltender, können aber indirekt zur Legitimierung beitragen. »UN-Habitat«, die Städte-Agentur der UNO, kooperiert etwa im Rahmen des Future Saudi Cities Program mit Saudi-Arabien bei urbanen Entwicklungsplänen. In »Berichten dieses Programms« wird Neom bereits als futuristisches Stadtmodell erwähnt. Offiziell stehen dabei Nachhaltigkeit und Agenda-2030-Ziele im Vordergrund – weniger die Frage der Governance. Solche Partnerschaften verleihen Megaprojekten wie Neom einen Anstrich von internationaler Anerkennung und entwicklungsfördernder Modernität, ohne die autoritären Züge offen zu problematisieren. Dabei handelt es sich häufig um Greenwashing bzw. Globalwashing: Während UN-Habitat mit Visionen von ökologischen Smart Cities wirbt, nutzt das saudische Königshaus die Kooperation, um sein Prestigeprojekt im besten Licht darzustellen.
Auch IWF und Weltbank propagierten lange Zeit Strukturanpassungen, die Privatisierung und Deregulierung begünstigen – ein Klima, in dem Privatstädte gedeihen. So wurde die Charter-City-Idee von Weltbankchefökonom Romer in höchsten Kreisen diskutiert. Allerdings gibt es »innerhalb dieser Institutionen durchaus Zwiespalt«: Ein IWF-Papier räumte 2016 ein, man habe die Vorzüge neoliberaler Politik in der Vergangenheit deutlich überbewertet und müsse deren soziale Folgen stärker berücksichtigen. Dennoch bleiben Fonds und Banken wichtige Geldgeber für Infrastrukturprojekte, wobei ihre Investitionen oft an investorenfreundliche Bedingungen geknüpft sind.
In Honduras etwa flossen Weltbankmittel in Projekte zur „Investitionsförderung“, teils parallel zur Einführung der ZEDE-Zonen. Internationale Entwicklungsbanken stehen somit im Spannungsfeld: Einerseits möchten sie Wachstum und Modernisierung unterstützen und lassen sich von schillernden Projekten wie Neom oder Próspera begeistern. Andererseits gefährden solche Parallelwelten fundamentale Werte wie good governance, Rechtsstaat und Teilhabe, die diese Institutionen offiziell ebenfalls hochhalten.
SLAPP-Klagen und Repression
Wo privatwirtschaftliche Städte und Sonderzonen entstehen, regt sich meist Widerstand von Bürgerbewegungen, Journalisten oder lokalen Gemeinschaften. Die Reaktionen der Betreiber und involvierten Regimes fallen oft repressiv aus – juristisch wie faktisch. Ein Muster sind SLAPP-Klagen (Strategic Lawsuits Against Public Participation): überzogene Schadensersatzklagen oder Verleumdungsklagen, mit denen Kritiker eingeschüchtert werden sollen.
Ein prägnantes Beispiel liefert der deutsche Energiekonzern RWE. Im Kampf gegen Klimaaktivisten, die 2017 das Braunkohlekraftwerk Weisweiler blockierten, »griff RWE erstmals zu einer millionenschweren Zivilklage«. 2,1 Millionen Euro Schadensersatz verlangte der Konzern von fünf „Aktivist*innen“ – und verklagte sogar einen mit vor Ort gewesenen Journalisten mit. Die Botschaft an zukünftige Proteste ist deutlich: Wer gegen die Interessen des Konzerns agiert, sieht sich ruinösen Forderungen gegenüber. Obwohl deutsche Gerichte solche SLAPP-Klagen bisher oft abweisen oder nur einen Bruchteil zusprechen, erzeugt der Vorgang psychologischen Druck – und bindet die ehrenamtlichen Aktivisten in jahrelange Rechtsstreite. Ein »jüngerer Fall« setzte 2023 dieses Muster fort, als RWE erneut ankündigte, „Klimaschützer“ nach einer Kraftwerksblockade auf 1,4 Millionen Euro zu verklagen. SLAPPs gelten zunehmend als Missbrauch des Rechtssystems, weil sie primär zur Einschüchterung dienen.
In den neuen Privatstädten wie Próspera schaffen die Betreiber vertragliche Mechanismen, um Kritik im Keim zu ersticken. Honduranische Aktivisten und Garífuna-Gemeinden, die sich gegen Landverkäufe an die ZEDE stemmen, berichten von Überwachung und Schikane. Am 18. Juli 2020 wurden fünf Männer aus der Garífuna-Gemeinde Triunfo de la Cruz entführt, darunter vier Mitglieder der Organisation Fraternal Negra Hondureña (OFRANEH), die sich für die Landrechte der afroindigenen Bevölkerung einsetzen. Die »Entführer trugen Westen« der Ermittlungspolizei DPI und verschleppten die Männer aus ihren Häusern. »Seitdem fehlt von ihnen jede Spur«. Am 28. Mai 2023 wurde der als vermisst gemeldete Menschenrechtsverteidiger »Martín Morales Martínez tot aufgefunden« – ein Extremfall, der allerdings dem gesamten Klima der Angst Vorschub leistet.
Offene Kritik an Próspera kommt heute vor allem von Journalisten und zivilgesellschaftlichen Gruppen im restlichen Honduras. Diese sahen sich jüngst direkt mit dem Konzern konfrontiert: Im April 2025 schickte der Justiziar von Honduras Próspera Inc. einen umfangreichen »Unterlassungsbrief an das Nachrichtenportal Criterio.hn«. Darin fordert er, bestimmte „verleumderische Aussagen“ zu löschen und eine prominente Richtigstellung zu veröffentlichen, sowie jede künftige „falsche oder diffamierende“ Berichterstattung über Próspera zu unterlassen. Andernfalls werde man gerichtliche Schritte wegen Verleumdung und moralischen Schadensersatz einleiten. Die Einschüchterungsstrategie ist offensichtlich – zumal Criterio.hn kritisch über die Verfassungswidrigkeit der ZEDE-Gesetze und die Lobby-Verbindungen der Investoren berichtet hatte. Obwohl Honduras Pressefreiheit garantiert, operiert der Próspera-Betreiber hier wie ein Staat im Staate, der „seine“ Reputation mit aller Macht schützt. Honduranische Journalistenverbände sprechen von einem gefährlichen Präzedenzfall von Judicial Harassment (gerichtliche Schikanen) gegen die Pressefreiheit.
Drastische Formen der Repression finden auch in Saudi-Arabien statt. Dort weigerten sich einige Angehörige der einheimischen »Huwaitat-Beduinen«, ihr angestammtes Land für Neom zu verlassen. Die staatliche Reaktion: Sicherheitskräfte räumten Dörfer gewaltsam, mehrere Aktivisten wurden verhaftet. Drei Stammesmitglieder, die sich den Zwangsumsiedlungen widersetzt haben sollen, wurden sogar mit Terrorismusvorwürfen »zum Tode verurteilt«. UN-Menschenrechtsexperten zeigten sich im Mai 2023 alarmiert über die bevorstehenden Hinrichtungen, zumal den Männern im Grunde nur vorgeworfen wird, ihr Zuhause nicht hergeben zu wollen. Der Kronprinz von Saudi-Arabien demonstriert damit, dass Opposition gegen Neom mit dem Leben bezahlt werden kann.
Auch wenn diese Fälle extrem sind, werfen sie ein Schlaglicht darauf, wie sehr Mega-Projekte „Privatstadt“ mit autoritären Tendenzen einhergehen. Wo normale politische Mitsprache fehlt, greifen die an der Macht – ob Konzernsicherheitsdienste oder Staatsapparat – zu nackter Gewalt und gezielter Angsterzeugung, um ihre Vision durchzusetzen.
Von Konzernen verklagt: Wenn Staaten erpresst werden
Neben direkter Repression ist ein weiteres Phänomen zu beobachten: die Verlagerung von Konflikten auf die überstaatliche Ebene. Wird ein Privatstadt-Projekt von einem Regierungswechsel bedroht, ziehen die Investoren rechtliche Register, die demokratische Entscheidungen aushebeln sollen. Próspera demonstriert dies eindrücklich. Nachdem Honduras’ neue Regierung 2022 die ZEDE-Gesetzgebung aufhob, zogen Prósperas Betreiber vor das internationale Schiedsgericht ICSID (International Centre for Settlement on Investment Disputes, Internationales Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten). Auf der Basis von bilateralen Investitionsschutzverträgen »verklagt Próspera Honduras« auf 10,7 bis 11 Milliarden US-Dollar Schadensersatz – eine Summe in Höhe von etwa einem Drittel des honduranischen Staatshaushalts. Die Begründung: Die honduranische Regierung verletze mit der Abschaffung der Sonderzone die Rechte der Investoren, die auf 50 Jahre „Rechtssicherheit“ gepocht hatten. Ein privates Städteprojekt will einen souveränen Staat faktisch in den Bankrott klagen, weil dieser demokratisch beschlossen hat, keine Stadtstaaten in Privatregie mehr zuzulassen. Dies kommt einer wirtschaftlichen Erpressung gleich.Quinn Slobodian, Historiker und Autor von Crack-Up Capitalism, »sieht hierin« den perfiden Hebel von Parallelstrukturen: Sie schaffen Tatsachen und verankern Vertragsklauseln, die es später nahezu unmöglich machen, sie politisch zurückzunehmen. Ist eine parallele Realität erst etabliert, kostet deren Rückabwicklung Staaten im Zweifel Milliarden.
Konzernherrschaft: Eine rechtsphilosophische Einordnung
Entwickeln sich westliche Demokratien – und mit ihnen die globale Ordnung – schrittweise zu einer offenen Herrschaft der Konzerne? Die hier beleuchteten Tendenzen zeichnen ein düsteres Szenario. Bisher galt: Selbst in marktwirtschaftlich orientierten Ländern bot der Staat einen zumindest minimalen rechtlichen Schutz und konnte im öffentlichen Interesse regulierend eingreifen. Dieses Modell einer „gelenkten Werte-Demokratie“, in der Kapitalismus und Rechtsstaat eine Balance finden sollten, gerät durch die neuen Parallelgesellschaften vollständig aus den Fugen. Was wir in Próspera, Neom & Co. beobachten, ist ein Rückzug des Staates und der Vormarsch privatwirtschaftlicher Souveränität.
Rechtsphilosophisch betrachtet vollzieht sich hier eine Umwertung politischer Grundbegriffe. Aus Bürgern werden Kunden, aus Rechten werden Privilegien auf Zeit, gewährt per Vertrag. Die klassische Idee des »Gesellschaftsvertrags« (nach Rousseau oder Hobbes) wird umgekehrt: Nicht mehr Bürger entscheiden kollektiv, sondern privatwirtschaftliche Akteure diktieren die Regeln. Souverän ist hier nicht „das Volk“, sondern der Investor. Die Gewaltentrennung – essenziell, um Macht zu begrenzen – existiert nicht einmal zum Schein: Legislative, Exekutive und Judikative liegen in denselben Händen bzw. unter Kontrolle desselben Unternehmens. Governance by Contract bedeutet letztlich Herrschaft durch Eigentum: Wem das Land und die Infrastruktur gehören, der macht die Regeln.
Diese Entwicklung hat globale Implikationen. »Neoliberale Vordenker« wie Friedrich Hayek und Milton Friedman sind der Ansicht, Kapital solle weltweit dorthin fließen können, wo es die besten Bedingungen vorfinde. Der Hyperwettbewerb der Standorte wurde entfacht: Staaten unterbieten sich mit Steuersenkungen, Deregulierung, wirtschaftsfreundlichen Gesetzen. Die radikalste Ausprägung dieses Trends sind Enklaven des ultraliberalen Rechts – Zonen, in denen nahezu uneingeschränkte Marktprinzipien gelten. Für Milliardäre vom Schlage »Peter Thiels«, der weiterhin über Pronomos Capital in Próspera investiert ist, sind solche Start-up Cities Mittel zum Zweck: Schaffen sie genug davon, können sie demokratische Wohlfahrtsstaaten ausbluten lassen, indem Investitionen gezielt in die deregulierten Oasen gelenkt werden. Quinn Slobodian beschreibt diese Enklaven daher als „Disziplinierungs-Instrumente“: »Regierungen werden mit der Drohung konfrontiert«, dass Kapital ins Privatreich abwandert, falls nicht auch im Rest des Landes konzernfreundlichere Bedingungen geschaffen werden. Kurz: Die Parallelgesellschaften setzen die eigentliche Gesellschaft unter Druck. Demokratie und Sozialstaat stehen im Wettbewerb mit privatisierten Utopien, die sich jeglicher demokratischer Kontrolle entziehen.
Wenn wesentliche Entscheidungen – von der Stadtplanung über die Wirtschaftsordnung bis zur Rechtsprechung – in private Sphären ausgelagert werden, verliert die Öffentlichkeit an Gestaltungsraum. Westliche Werte-Demokratien legitimieren sich durch simulierte Beteiligung, Transparenz und Verantwortlichkeit. Doch wie legitimiert sich eine Privatstadt?Durch Vertragstreue und Zahlungsfähigkeit? Durch den Erfolg, den sie ihren Investoren bringt? Gesellschaftlich wertvolle Ziele wie Gleichheit, Gerechtigkeit oder Teilhabe treten in den Hintergrund, wenn die metrische Größe Profit zur obersten Maxime wird. Und so konsequent dies in den Parallelstädten umgesetzt wird, so offen zeigt sich, was Kritiker des Neoliberalismus seit langem befürchten, nämlich dass der Mantel der Demokratie irgendwann fallen gelassen wird und zum Vorschein kommt, wer tatsächlich das Sagen hat – große Kapitalakteure, multinationale Konzerne, Tech-Oligarchen.
Perspektiven
Allerdings regen sich auch Widerstand und neues Nachdenken. Die beschriebenen Fälle dienen als Warnsignale. Im besten Fall könnten sie eine überfällige Debatte befeuern: Wie stellen wir sicher, dass technischer Fortschritt und städtebauliche Innovation dem Gemeinwohl und nicht nur neuen Machteliten dienen? Müssen Demokratien reformiert werden, um partizipativer und effizienter zu werden und so zu verhindern, dass Bürger privat autoritären Heilsversprechen folgen? Und wie können globale Regeln aussehen, die verhindern, dass sich Konzerne durch Jurisdiktions-Shopping ihre eigenen Gesetzbücher schreiben? Diese Fragen sind hochaktuell. Denn Brave New Private – die schöne neue Privatwelt – ist nicht mehr bloß Dystopie à la Huxley, sondern beginnt real Form anzunehmen. Ob sie am Ende scheitert oder unsere Gesellschaftsordnung transformiert, hängt davon ab, wie wir heute darauf reagieren.
Genau diesen Fragen wird sich der Artikel Brave New Private III widmen: Wie können wir unsere Freiheit und politische Mitsprache in einer Welt verteidigen, in der Konzerne die Regeln bestimmen?
Eine Antwort
Zu
„Wie können wir unsere Freiheit und politische Mitsprache in einer Welt verteidigen, in der Konzerne die Regeln bestimmen?“
Durch gewaltlose, natur-, wettbewerbs- und marktkonforme Reduzierung der Konzern- bzw. Monopolübermacht.
Problem 1: Der Spezial-Zentralrat will m. W. keine Geld- und Machtreform.
Problem 2: Der Spezial-Zentralrat will m. W. keine Argumentations- und Streitkultur gemäß
ScienceFiles.org/2020/05/08/anleitung-zum-mundigsein-10-regeln-zur-abwehr-von-manipulationsversuchen/#comment-249763 und
userpage.fu-berlin.de/roehrigw/schmitt/entditfurth/
Zum Beispiel über recognize and adhereto the law of sustainability.
Bernard Lietaer:
Towards a Sustainable World
Monneta.org/en/bernard-lietaer-towards-a-sustainable-world/
Nicht verzagen, Josef Schuster fragen mit Stichwort Zinseszins und SilvioGesell.com/about/. Und dann auf das dröhnende Schweigen lauschen.
Wer mag mich widerlegen bzw. mir beweisen, daß sich der Josef S. geändert hat? Ein ganz einfacher, kleiner Anfang wäre die glaubhafte bzw. glaubwürdige Beantwortung der Frage, wer die Kündigung des Bankkontos vom Monneta-org-Mitglied Prof. Dr. C. Kreiß veranlasste.
Joachim Rau: Märkte, Mächte, Monopole – Was die Wirtschaft im Innersten zusammenhält. Zürich 2001. (Jörg Gude) und andere kleine Beiträge in
Sozialoekonomie-online.de/archiv/zfsoe-online-archiv-folge-128-135.html.
Es fehlt Erinnerungskultur für Silvio-Gesell.de/oekonomen.html.
Wer schweigt, stimmt zu, daß er nie endet. Der Hass von J. auf J., von J. auf Nichtj. und von Nichtj. auf Juden.
Einzelfallübergreifende, systemisch-ganzheitlich heilende Gerechtigkeit, Informations- und Meinungsfreiheit beginnt erst an dem Tag, an dem … siehe 18. Oktober, 2024, Kommentar 705:
https://haintz.media/artikel/deutschland/digitale-zensoren-wie-die-bundesnetzagentur-die-meinungsfreiheit-gefaehrdet/#comment-705
Die Welt ist korrupt. Irgendjemand scheint es so zu wollen, denn so ausgeprägt wie heute, war es noch nie.
Spalte, teile und herrsche (lat. divide et impera) heißt die goldene Spielregel der Systemveranstalter. Und dazu braucht man Geld, ganz besonders viel Geld. Nämlich einen riesigen Schuldenberg ohne Obergrenze und Schuldenbremse. So funktioniert moderne Sklaverei mit der dazugehörigen Gehirnwäsche des scheinbar bunt-pluralistischen Medienmonopols.
Spätestens an der mafiösen Schweigemauer der Schweigedurchsetzungsgesetze ist Schluss mit Pluralismusdemokratie und kriminalpolizeilich korrekt quell- und ergebnisoffener Ermittlungsarbeit.
„1997 wurde im Prozeß gegen Günter Deckert sogar dessen Verteidiger, Ludwig Bock, zu 9000,- Euro Geldstrafe rechtskräftig verurteilt, weil er das Selbstverständlichste eines Verteidigers getan hatte: er hatte einen Beweisantrag gestellt.“ (HeuRein.wordpress.com)