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Wissenschaftler im Labor mit Covid-19 Virus
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Gain of function – den Geist aus der Flasche lassen?

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Chansonnier Boris Steinberg
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Um schneller auf neue Varianten von Viren und anderen Erregern reagieren zu können, manipulieren Forscher diese im Labor so, dass sie gefährlicher werden. Aber was, wenn es doch zum "Lab Leak" kommt, zur Katastrophe aus dem Labor?
Zusammengefasst

Die Natur an Gefährlichkeit übertreffen

Bei der Gain-of-function-(GoF-)Forschung werden Krankheitserreger mit zusätzlichen Funktionen ausgestattet, so dass ihre Übertragbarkeit oder Virulenz erhöht wird und sie pathogener, also für den Menschen gefährlicher werden. Durch die Mutationsprozesse im Labor erhofft man sich eine bessere Vorhersage von Pandemien oder die Möglichkeit, Impfstoffe zu entwickeln. Ob es überhaupt möglich ist, den Lauf der Natur quasi vorwegzunehmen, um an Mutationen im Labor zu forschen, bevor sie in der Natur auftreten, bleibt mit einem großen Fragezeichen versehen. Genauso kann das Virus im Labor durch die GoF-Forschung eine Brisanz gewinnen, die es in der Natur nie erreicht hätte. 

Auch die bei Wikipedia zu findende Erklärung, „Virologische Gain-of-function-Forschung umfasst Experimente, die darauf abzielen, die Übertragbarkeit und/oder Virulenz von Krankheitserregern zu erhöhen: Insofern sie von verantwortungsbewussten Wissenschaftlern durchgeführt wird, zielt diese Forschung in der Regel darauf ab, das Verständnis von Krankheitserregern und ihrer Interaktion mit menschlichen Wirten zu verstehen“, lässt an zwei Stellen aufhorchen. Die Formulierung „insofern sie von verantwortungsvollen Wissenschaftlern durchgeführt werden“ weist auf die große Gefahr hin, die per se in diesen Experimenten steckt. Und dass die Forschung „in der Regel“ auf ein besseres „Verständnis“ abziele, bedeutet nichts anderes, als dass mit dieser Technik auch verantwortungslos an der Herstellung von biologischen Waffen geforscht werden kann. Keine beruhigenden Aussichten.  

Sicher? Oder nur fast?

Es versteht sich, dass diese Forschung nur im Biosicherheitslabor der höchsten Sicherheitsstufe stattfinden darf. Labore dieser BSL-4-Sicherheitsstufe (biosafety level 4) gibt es in nur 27 Ländern weltweit, in Deutschland 4: in Hamburg, auf der Insel Riems, in Marburg und in Berlin. Auf der Insel Riems wird beispielsweise an hochansteckenden Tierseuchen gearbeitet, aber auch an Zoonosen, also zwischen Mensch und Tier übertragbaren Erregern. Die Forschung findet in der Sicherheitsstufe 4 (S4) statt, „um ein Entweichen der Erreger zu verhindern“, wie es lapidar heißt.

Hundertprozentige Sicherheit kann es gar nicht geben, wie niemals, wenn Menschen beteiligt sind. Der Epidemiologe Marc Lipsitch analysierte das Risiko, dass bei der Gain-of-function-Forschung ein gefährliches Pathogen aus dem Labor entweichen könnte, und gab es mit der beunruhigenden Wahrscheinlichkeit von 0,01 bis 0,1 Prozent pro Labor pro Jahr an.

Im Falle eines Laborunfalls, also eines ungewollten Entweichens gefährlicher Substanzen, hängt es dann vom Unternehmen und von der Politik ab, wie viel davon an die Öffentlichkeit gerät. Dass die Bürger hier Transparenz erwarten können, wäre ein Ammenmärchen. 

Verschweigen, solange es geht

Für das Verschweigen sehr großer Unfälle und die „Hoffen wir mal, dass es keiner merkt“-Taktik hat es längst ein prominentes Beispiel gegeben. Am 26.4.1986 ereignete sich im ehemaligen sowjetischen Tschernobyl (heute Norden der Ukraine) ein Reaktorunfall großen Ausmaßes. Die sowjetischen Behörden hatten eine sofortige Nachrichtensperre erlassen. Der Westen bekam buchstäblich erst „Wind“ von dem Unfall, als in einem schwedischen Atomkraftwerk Alarm geschlagen wurde, weil bei Routinekontrollen an den Anzügen der Arbeiter erhöhte radioaktive Werte gemessen und zunächst ein Leck im schwedischen Werk vermutet wurde. So ließ sich die Katastrophe nicht länger verheimlichen.

Das Spiel mit dem Feuer

Eine haarsträubende Begründung zur Sicherheit bekommen wir auch bei folgender Kontroverse zu hören. Die Zeitung Daily Mail hatte der Universität Boston vorgeworfen, ihre GoF-Forschung, bei der sie SARS-CoV-2-Stämme so lange manipulierte, bis ein neuer Omicron-Stamm mit einer Tödlichkeit von 80 % bei Mäusen entwickelt wurde, sei hochgradig riskant. Diesen Vorwurf wies die Uni Boston aber von sich und schrieb in ihrer Begründung

„All floors and walls are sealed, and the lab is fitted with sophisticated filtration and decontamination technology. And if the researchers had seen anything untoward during the study, they would have immediately shut it down and reported it.“

„Alle Böden und Wände sind versiegelt, und das Labor ist mit hochentwickelter Filter- und Dekontaminierungstechnik ausgestattet. Und wenn die Forscher während der Studie irgendetwas Unangemessenes gesehen hätten, hätten sie es sofort abgestellt und gemeldet.“

„Sie hätten es abgestellt und gemeldet“ überzeugt erstens nicht und zweitens wäre auch das ein Zustand, in dem der Geist bereits aus der Flasche gelangt wäre, das Unheil seinen Lauf nehmen könnte, ohne Möglichkeit, es zu stoppen. Auch Richars Ebright, US-Molekularbiologe und Experte für biologische Verteidigung, beklagt, dass die Politik mit den Gefahren viel zu lax umgehe, denn es gebe in den USA „nur eine freiwillige Aufsicht über die biologische Sicherheit, und mit Ausnahme der Selektivwirkstoffregel (…) keine Aufsicht über die biologische Sicherheit“. Die Zahl der „Beinahekatastrophen“ ist besorgniserregend, so der Wissenschaftsjournalist Declan Butler:

„Ein im September [2011] veröffentlichter Bericht des Nationalen Forschungsrats der USA listet 395 [!!] Verstöße gegen die biologische Sicherheit bei der Arbeit mit selektiven Erregern in den Vereinigten Staaten zwischen 2003 und 2009 auf – darunter sieben laborbedingte Infektionen -–, bei denen das Risiko der unbeabsichtigten Freisetzung gefährlicher Krankheitserreger aus Hochsicherheitslaboren bestand.“

Wenn Forschung zum Risiko wird

Als Meilenstein in der Gain-of-function-Forschung wird bei Wikipedia die Veränderung am Vogelgrippevirus H5N1 im Jahre 2021 genannt. Durch Gain of function wurde das Virus so verändert, dass es sich auch unter Frettchen (was neben Affen und Mäusen beliebte Versuchstiere sind) verbreitete. „Kritiker auf der ganzen Welt reagierten auf die Veröffentlichung dieser Forschungsergebnisse mit Besorgnis und Verurteilung.“ Ein Leitartikel der New York Times nannte dieses Experiment den „künstlich herbeigeführten Weltuntergang.“ Es ist ja nicht so, dass die Forscher in diesem Bereich blind vor Freude darüber, „ein bisschen Gott spielen“ zu können, nicht sehen, dass sie eventuell das Monster aus dem Labor erschaffen. Im Mai 2013 haben Wissenschaftler in China ein tödliches, aber für Menschen ungefährliches Vogelgrippevirus mit einem für Vögel harmlosen, aber zwischen Menschen hochansteckenden Stamm kombiniert, was auch Forscher selbst beunruhigt:

„Currently, there is anxiety that the avian H5N1 influenza virus will reassort with the highly transmissible and epidemic H1N1 subtype to trigger a virulent human pandemic.“

„Derzeit besteht die Angst, dass sich das Vogelgrippevirus H5N1 mit dem hochgradig übertragbaren und epidemischen Subtyp H1N1 neu anordnet und eine virulente Pandemie beim Menschen auslösen könnte.“

Woran genau geforscht wird, bleibt vor der Öffentlichkeit größtenteils verborgen. Es wird nicht nur an Corona-, Grippe- oder Affenpockenviren geforscht, sondern auch an Anthrax- und Pesterregern. Dass das ziemlich unter dem Radar der Öffentlichkeit geschieht, ist einerseits verständlich, denn die Ergebnisse und damit die Möglichkeit, die tödlicheren Manipulationen zu reproduzieren, sollen ja nicht in die Hände von Terroristen gelangen. Anderseits unterliegt diese Forschung auch viel zu geringer Kontrollmechanismen. 

Gain-of-function-Forschung wieder im Fokus der Kritik

Das Tatsache, dass die GoF-Forschung hochgefährliche Viren entstehen lässt und dass das mit erheblichen Risiken verbunden ist, ist in den vom Thema Corona dominierten Jahren durch die „Laborhypothese“ wieder verstärkt in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Ohne in diese Thematik hier einzusteigen, steht fest, dass am Wuhan Institute of Virology seit längerem GoF-Forschung betrieben wird, durch die z. B. Fledermaus-Viren in für Menschen gefährliche Krankheitserreger umgewandelt werden. Sogar Christian Drosten hat entgegen der früher von ihm vertreteten Ansichten „kürzlich offengelegt, dass die sogenannten „Gain-of-Function“-Forschungen in Wuhan gefährlich gewesen seien.“

Neben dem Epidemiologen Lipsitch, der diese Forschung ganz verbieten will, ist der Jenaer Genetiker-Professor Günter Theißen ein prominenter Kritiker. Er weist wie viele andere auch darauf hin, dass neben der Gefahr einer unbeabsichtigten Freisetzung der manipulierten Erreger auch Bioterroristen sich die Forschungsergebnisse zu Nutze machen könnten. Hier eröffnet sich ein ganzen Feld von Möglichkeiten für die biologische Kriegsführung. Ein sofortiges Ende der hochriskanten Gain-of-function-Forschung fordern auch renommierte Wissenschaftler aus der ganzen Welt – Professoren aus den Bereichen Immunologie, Virologie, Mikrobiologie, Chemie, Nanowissenschaften, Genetik und Physik – in der „Hamburger Erklärung zur weltweiten Beendigung der hoch risikoreichen `Gain-of-function´-Forschung an Krankheitserregern mit weltweitem Pandemie-Potential“

Wenn Parteipolitik Vorrang vor der Sicherheit gewinnt

Ein besonders Possenstück ist den Politikern 2023 gelungen, als sie eine Initiative der AfD zu diesem Thema kategorisch ablehnten. Pressesprecher Michael Kaufmann bedauert dies in seiner Stellungnahme:

 „Von Forschung, die dazu führt, dass Krankheitserreger ansteckender und/oder tödlicher werden, geht zweifellos eine enorme Gefahr aus. Diese Gefahr einzudämmen und mittelfristig aus der Welt zu schaffen, ist das erklärte Ziel unseres Antrags.
Es ist bedauerlich, dass die Reaktion der anderen Fraktionen auf unsere Initiative nur aus den althergebrachten Anti-AfD-Reflexen und den üblichen Beschimpfungen bestand. Dabei wurde der Inhalt unseres Antrags bewusst sinnentstellend wiedergegeben. Beispielsweise wurde von mehreren Rednern behauptet, mit dem Antrag solle jede gentechnische Virenforschung verboten werden. Das ist falsch. Der Antrag unterscheidet ausdrücklich zwischen Forschung an Viren etwa zur Entwicklung von Medikamenten einerseits und Forschung, die Viren potenziell gefährlicher macht, andererseits. Nur auf letztere bezieht sich der Antrag.
Doch die Risiken, die mit dieser Art von Forschung verbunden sind, sind real, die Folgen eines Unfalls könnten katastrophal sein. Die Coronajahre haben uns davon einen Vorgeschmack gegeben.
Die AfD-Fraktion wird daher auch bei den Beratungen im Ausschuss weiter Überzeugungsarbeit leisten, um eine nationale Initiative zur stärkeren Regulierung dieser hochgefährlichen und zudem unnötigen Forschungsmethode auf den Weg zu bringen.“

Hier stellt sich die Frage, ob nicht der gesamten Bevölkerung dadurch ein Bärendienst erwiesen wurde, dass man aus Parteikalkül eine sachliche Debatte darüber verhinderte, wie weit man die Büchse der Pandora öffnen möchte, indem man die Gain-of-function-Forschung so wenig kontrolliert zulässt. Stattdessen wurde aus der bornierten Haltung heraus, das alles, was von Seiten der AfD kommt, grundsätzlich in Bausch und Bogen abgelehnt werden müsse, eine Chance verpasst. Denn wenn es zu einen Lab Leak kommen sollte, würde ein entwichener tödlicher Erreger nicht nach Parteizugehörigkeit oder Haltung selektieren.

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