Ein Bündnis, das die politische Landschaft der USA prägte, liegt in Trümmern. Elon Musk und Donald Trump, einst Verbündete gegen die „woke“ Hegemonie, haben sich in einem öffentlichen Schlagabtausch zerfleischt. Was als Meinungsverschiedenheit über ein Haushaltsgesetz begann, endete öffentlich auf 𝕏 in einer beispiellosen Eskalation: Musk fordert Trumps Amtsenthebung, während der Präsident mit der Streichung von Musks Regierungsaufträgen droht. Der Zerfall offenbart nicht nur persönliche Egos, sondern auch politische Machtkämpfe und die Fragilität von Allianzen.
Vom Oval Office zur offenen Fehde
Vor einer Woche schien die Welt noch in Ordnung. Im Oval Office stand Elon Musk neben Donald Trump, der ihn bei einer Pressekonferenz für seine Arbeit im Department of Government Efficiency (DOGE) sehr lobte.
»Donald Trump verabschiedet Elon Musk WeLT / YouTube«
Es war Musks letzter Tag als Sondermitarbeiter, ein Abschied in scheinbarer Harmonie. Auch Musk verabschiedete sich in einem Ton kollegialer Wertschätzung, bekundete seine enge Beziehung zum Dodge-Team und kündigte an, dieses auch künftig beratend zu unterstützen.
Tech-Milliardär Elon Musk ist am Freitag aus dem Dienst im Weißen Haus verabschiedet worden. US-Präsident Donald Trump dankte Musk für dessen „unglaublichen Dienst“ als Leiter der Regierungsabteilung für staatliche Effizienz (Doge). pic.twitter.com/H58F7Am2hi
— TRT Deutsch (@TRTDeutsch) May 31, 2025
Doch kaum entlassen, schlug Musk eine andere Tonart an. Das von Trump unterstützte Haushaltsgesetz, ein Mammutprojekt mit Steuersenkungen und verstärkter Grenzsicherung, nannte er auf 𝕏 eine „grässliche Abscheulichkeit“. Der Grund: Es würde das Staatsdefizit um 2,4 Billionen Dollar über zehn Jahre erhöhen. Für Musk, der sich als Wächter fiskalischer Vernunft inszeniert, ist dies ein unverzeihlicher Frevel.
I’m sorry, but I just can’t stand it anymore.
— Elon Musk (@elonmusk) June 3, 2025
This massive, outrageous, pork-filled Congressional spending bill is a disgusting abomination.
Shame on those who voted for it: you know you did wrong. You know it.
The Big Ugly Bill will INCREASE the deficit to $2.5 trillion! https://t.co/jEMS6coT3V
— Elon Musk (@elonmusk) June 5, 2025
Trump, konfrontiert mit dieser Kritik während eines Treffens mit Friedrich Merz am gestrigen Donnerstag, reagierte ungewohnt scharf. „Ich bin sehr enttäuscht von Elon“, sagte er und insinuierte, Musk sei nur wegen der Streichung eines Elektromotormandats verärgert. Damit war der Startschuss für eine vierstündige öffentliche Auseinandersetzung gefallen, die in ihrer Intensität und Geschwindigkeit an einen digitalen Boxkampf erinnerte.
🚨TRUMP: "I'm very disappointed with Elon. I've helped him a lot. He knew the inner workings of the bill better than anybody sitting here. He had no problem with it. All of a sudden he had a problem & he only developed the problem when he found out we're going to cut EV mandate" pic.twitter.com/aeCcmCAODQ
— DogeDesigner (@cb_doge) June 5, 2025
Der digitale Schlagabtausch: Eskalation in Echtzeit
Die Auseinandersetzung nahm ihren Anfang, als Trump öffentlich auf Musks Kritik am Haushaltsgesetz reagierte und diese scharf zurückwies. Wenig später legte Musk auf 𝕏 nach: Mit einem Seitenhieb auf das sogenannte „Elektro-Mandat“ forderte er, nicht nur diesen Passus zu streichen, sondern gleich die gesamte „pork-filled“ Gesetzesvorlage – ein Begriff, der im amerikanischen Sprachgebrauch für politische Vetternwirtschaft und überflüssige Ausgaben steht.
I’m sorry, but I just can’t stand it anymore.
— Elon Musk (@elonmusk) June 3, 2025
This massive, outrageous, pork-filled Congressional spending bill is a disgusting abomination.
Shame on those who voted for it: you know you did wrong. You know it.
Musk widersprach Trumps Behauptung, er habe den Gesetzentwurf gekannt, und stellte klar: „Solch eine offensichtliche Lüge. So traurig.“ Als Trump behauptete, er hätte Pennsylvania auch ohne Musks Unterstützung gewonnen, ging Musk in die Vollen: „Ohne mich hätte Trump die Wahl verloren, die Demokraten würden das Repräsentantenhaus kontrollieren. Solche Undankbarkeit.“

Trump, inzwischen auf auf seiner Medienplattform »Truth Social« aktiv, eskalierte weiter. Er behauptete, er habe Musk gebeten zu gehen, da dieser „am Ende“ gewesen sei. Die Abschaffung des Elektroauto-Mandats habe Musk „verrückt gemacht“. Dann drohte er mit einer finanziellen Keule: Die Kündigung von Musks Regierungsaufträgen, insbesondere der 22 Milliarden Dollar schweren Verträge von SpaceX mit der NASA, sei der „einfachste Weg, Geld zu sparen“. Für SpaceX, das stark von staatlichen Aufträgen abhängt, ist dies ein existenzbedrohender Angriff.
Musk ließ nicht lange auf sich warten. Vier Stunden und fünf Minuten nach Trumps erster Kritik zündete er seine „wirklich große Bombe“. Auf 𝕏 schrieb er: „Donald Trump ist in den Epstein-Akten. Das ist der wahre Grund, warum sie nicht veröffentlicht werden.“ Der Vorwurf, Trump sei in die Machenschaften des verurteilten Sexualstraftäters Jeffrey Epstein verwickelt, war ein Schlag unter die Gürtellinie.
Time to drop the really big bomb:@realDonaldTrump is in the Epstein files. That is the real reason they have not been made public.
— Elon Musk (@elonmusk) June 5, 2025
Have a nice day, DJT!
Kurz darauf kommentierte Musk einen Post, der forderte, Trump solle des Amtes enthoben und durch JD Vance ersetzt werden, mit einem lapidaren „Ja“. Der Bruch war vollzogen.
— Elon Musk (@elonmusk) June 5, 2025
Das Haushaltsgesetz: Symbol und Zankapfel
Im Zentrum des Streits steht »Trumps Haushaltsgesetz«, ein über 1000 Seiten starkes Dokument, das massive Steuersenkungen, Kürzungen bei Sozial- und Gesundheitsprogrammen, höhere Militärausgaben und den Stopp von Klimaschutzinvestitionen vorsieht. Trump selbst hatte das Gesetz demonstrativ als „Big Beautiful Bill“ tituliert. Das Kongress-Haushaltsamt warnte vor einem Anstieg der Staatsverschuldung um vier bis fünf Billionen Dollar zusätzlich zu den jährlichen zwei Billionen neuen Schulden. Musk, der auf 𝕏 über 220 Millionen Follower hat, rief zum Widerstand auf: „Rufen Sie Ihren Senator und Kongressabgeordneten an. Es ist NICHT okay, Amerika in den Bankrott zu treiben. Töten Sie das Gesetz!“ Er forderte einen neuen Entwurf, der das Defizit nicht „massiv erhöht“, und warnte davor, dass Amerika sonst auf dem schnellsten Weg in die Schuldknechtschaft sei.
Call your Senator,
— Elon Musk (@elonmusk) June 4, 2025
Call your Congressman,
Bankrupting America is NOT ok!
KILL the BILL
Das Gesetz ist politisch heikel. »Im Repräsentantenhaus wurde es mit knapper Mehrheit angenommen«, muss aber nach Senatsänderungen erneut abgestimmt werden. Im Senat, wo Trump nur drei Stimmen verlieren darf, haben bereits zwei Senatoren angekündigt, wegen der hohen Schulden dagegen zu stimmen. Das unabhängige »Congressional Budget Office« (CBO) geht davon aus, dass das Gesetz die US-Staatsverschuldung in den kommenden zehn Jahren um etwa 2,3 Billionen US-Dollar anwachsen lässt. Aktuell beläuft sich die Gesamtverschuldung der Vereinigten Staaten auf rund 36,2 Billionen US-Dollar.
Musks öffentliche Kritik gibt den Defizit-Falken in beiden Kammern Aufwind und gefährdet Trumps Prestigeprojekt. Republikanische Senatoren nennen Musks Einwände „ärgerlich“, während das Weiße Haus den Konflikt als „Meinungsverschiedenheit“ herunterspielte und bis gestern betonte, die Beziehung sei intakt.
„Senate Majority Leader John Thune, who is trying to pass the bill through his chamber before July 4, called the billionaire’s opposition a ‘difference of opinion.‘“
„Der Mehrheitsführer im Senat, John Thune, der versucht, das Gesetz noch vor dem 4. Juli durch seine Kammer zu bringen, bezeichnete den Widerstand des Milliardärs als ‚Meinungsverschiedenheit.‘“
»CNN«
Donald Trump hält trotz der Kritik unbeirrt an diesem Gesetz fest. In einem Post auf Truth Social zeigte er sich unbeeindruckt von Musks Ablehnung und warf ihm vor, sich erst jetzt zu positionieren. Das Gesetz bezeichnete Trump als eines der bedeutendsten, das je dem Kongress vorgelegt wurde. Es sei ein historischer Schritt, der seiner Ansicht nach die Ausgaben drastisch senken werde und das Land auf einen Kurs der Erneuerung bringe.
Macht, Undank und die Epstein-Karte
Der Konflikt zwischen Elon Musk und Donald Trump reicht weit über persönliche Eitelkeiten hinaus. Er entlarvt die Brüchigkeit von Allianzen, die auf pragmatischen Interessen beruhen. Musk, der sich selbst als Vorkämpfer für Meinungsfreiheit und Effizienz inszeniert, betrachtet Trump zunehmend als undankbaren Machtpolitiker, der seine frühere Wahlkampfhilfe nicht nur ignoriert, sondern nun auch öffentlich demontiert. Trump wiederum stilisiert sich als unantastbare Führungsfigur und duldet keinerlei Widerspruch, erst recht nicht von einem früheren Berater, den er inzwischen fallen ließ.
Seine Drohung, Musk den Zugang zu milliardenschweren Regierungsaufträgen zu entziehen, trifft SpaceX und Tesla sowie auch die strategischen Interessen der USA, etwa im Bereich der bemannten Raumfahrt, die derzeit stark von SpaceX abhängig ist. Musks impulsive Reaktion, die Dragon-Raumkapsel „sofort“ stillzulegen, sorgte für Aufsehen, wurde jedoch wenig später zurückgezogen. Auf den Hinweis eines Nutzers auf 𝕏, er und Trump sollten sich für einige Tage zurücknehmen und zur Ruhe kommen, lenkte Musk ein und erklärte, die Dragon-Kapsel werde doch nicht außer Betrieb genommen.
Good advice.
— Elon Musk (@elonmusk) June 6, 2025
Ok, we won’t decommission Dragon.
Politische Kollateralschäden
Die Fehde hat weitreichende Konsequenzen. Musks Aufruf zu einer „neuen Partei, die 80 Prozent der Mitte repräsentiert“, deutet auf eine mögliche Neuorientierung hin. Seine Kritik am politischen Establishment, gepaart mit seiner enormen Reichweite auf seiner Plattform, macht ihn zu einem unberechenbaren Akteur. Gleichzeitig schwächt der Streit Trumps Position. Das Haushaltsgesetz, das er vor dem Unabhängigkeitstag am 4. Juli verabschiedet sehen will, hängt in der Schwebe. Musks Einfluss auf konservative Defizit-Hardliner könnte den Ausschlag geben.
Is it time to create a new political party in America that actually represents the 80% in the middle?
— Elon Musk (@elonmusk) June 5, 2025
Trumps Berater »Stephen Bannon schlug einen besonders perfiden Konter« vor: Musks Einwanderungsstatus solle überprüft und er „sofort abgeschoben“ werden. Diese in der »New York Times« veröffentlichte Aussage zeigt, wie tief der Graben ist. Bannon zielt auf Musks Herkunft aus Südafrika ab – ein Angriff, der sowohl persönlich als auch politisch motiviert ist. Er signalisiert: Niemand, nicht einmal ein Milliardär wie Musk, ist vor der Macht des trumpistischen Apparats sicher.
„They should initiate a formal investigation of his immigration status, because I am of the strong belief that he is an illegal alien, and he should be deported from the country immediately.”
„Man sollte eine formelle Untersuchung seines Einwanderungsstatus einleiten, da ich fest davon überzeugt bin, dass er sich illegal im Land aufhält und sofort abgeschoben werden sollte.“
»Stephen Bannon / New York Times«
Der Fall eines Bündnisses
Was bleibt, ist die Tragödie einer zerbrochenen Freundschaft, nicht im sentimentalen, sondern im klassischen Sinne. Größe, Undank und Fall: Musk und Trump verkörpern diese Konstellation mit erschreckender Präzision. Ihre Allianz, einst ein hoffnungsvolles Bollwerk gegen progressive Ideologien, ist Opfer ihrer eigenen Egos und widerstreitenden Interessen geworden. Beide nutzen ihre Plattformen als Waffen in einem Krieg, der keine Sieger kennt.
Die USA stehen vor einer ungewissen Zukunft. Sollte das Haushaltsgesetz scheitern, könnte Trumps Autorität als Präsident Schaden nehmen. Sollte Musk weiter Druck machen, riskiert er seine Regierungsaufträge und zugleich seinen Einfluss in einer polarisierten politischen Landschaft. Eines ist klar: Dieser Bruch ist ein Symptom für die Fragilität von Macht und für die Unvereinbarkeit von individuellen Ambitionen in einem System, das Loyalität über Prinzipien stellt.