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Meinung wird zur Straftat
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Wie Union und SPD den Straftatbestand Volksverhetzung ausweiten wollen

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Ausgrenzung statt Repräsentation
Made in Germany zerbricht
Gutachten ohne Gewicht
Was klingt wie eine Verteidigung der Menschenwürde, entpuppt sich als gefährlicher Umbau der Meinungsfreiheit. Union und SPD treiben eine Strafrechtsreform voran, die den Begriff der Volksverhetzung auf politisch heikle Meinungen ausdehnen soll.
Zusammengefasst

Die schwarz-rote Koalition plant, das Strafrecht zu verschärfen, mit weitreichenden Folgen für die Meinungsfreiheit. Unter dem altbekannten Vorwand, Terrorismus, Antisemitismus und „Hass und Hetze“ zu bekämpfen, soll der »Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs« (Volksverhetzung) erweitert werden.

»Screenshot / Justizministerium«

Was als entschlossener Schlag gegen Extremismus verkauft wird, ist in Wahrheit ein kalkulierter Angriff auf Grundrechte, getarnt als Tugend. Hinter der wohlklingenden Rhetorik des Koalitionsvertrags verbirgt sich der schleichende Versuch, politische Deutungshoheit über Sprache und Meinung zu erzwingen.

Eine vage Ankündigung mit Sprengkraft

Im Koalitionsvertrag auf Seite 90 heißt es, die Koalition wolle „Terrorismus, Antisemitismus, Hass und Hetze noch intensiver bekämpfen“ und dazu den Tatbestand der Volksverhetzung verschärfen.

»Screenshot / Koalitionsvertrag 2025«

Konkrete Details fehlen, ein Hinweis darauf, dass Union und SPD noch keinen Konsens über den genauen Wortlaut gefunden haben. Das Bundesjustizministerium »unter SPD-Politikerin Stefanie Hubig« bleibt zurückhaltend. Auf Anfrage der »Berliner Zeitung« erklärt eine Sprecherin:

„Das Ministerium prüfe ‚die Frage der Umsetzung des fraglichen Vorhabens‘. Zu Einzelheiten, einem möglichen Zeitplan beispielsweise, könne man derzeit keine Angaben machen.“

»Sprecherin Justizministerium / Berliner Zeitung«

Diese Zurückhaltung deutet auf die Komplexität des Vorhabens hin, insbesondere da Begriffe wie „Hass und Hetze“ juristisch vage und interpretationsanfällig sind.

Die Verschärfung wird von Fachpolitikern der Koalition jedoch bereits mit konkreten Zielrichtungen unterfüttert. Die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion Susanne Hierl (CSU) betont, das geltende Recht lasse bestimmte Formen von Hetze straffrei, die bewusst so formuliert seien, dass sie knapp unterhalb der Strafbarkeitsschwelle bleiben, insbesondere online. „Diese Graubereiche möchten wir verringern“, sagt Hierl. Sie verweist auf die Leugnung des Existenzrechts Israels oder Aufrufe zur Beseitigung des Staates als Beispiele, die künftig strafbar werden sollten. Die historische Verantwortung Deutschlands werde dies erfordern. Carmen Wegge, rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, ergänzt, dass die zunehmende Verrohung der Sprache, etwa in sozialen Medien, geschlossenen Chatgruppen oder an Schulen, eine Verschärfung des Strafrechts nötig mache. Ziel sei es, Menschenwürde zu schützen, ohne die Meinungsfreiheit einzuschränken. Doch genau hier beginnen die Zweifel.

„Es geht nicht darum, Meinungsfreiheit einzuschränken, sondern Menschenwürde wirksam zu schützen.“

»Carmen Wege / Berliner Zeitung«

Schutz der Menschenwürde oder politische Kontrolle?

Die Argumentation der Koalition klingt zunächst nachvollziehbar, denn wer wollte bestreiten, dass Antisemitismus, Rassismus oder Gewaltfantasien bekämpft werden müssen? Die vorgeschlagenen Maßnahmen wecken allerdings Skepsis. Der Tatbestand der Volksverhetzung setzt voraus, dass Äußerungen geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören. Strafbar sind derzeit Aufrufe zu Hass oder Gewalt gegen nationale, rassische, religiöse oder ethnisch bestimmte Gruppen sowie Angriffe auf die Menschenwürde durch Beschimpfung, Verächtlichmachung oder Verleumdung. Die Koalition will diesen Rahmen nun erweitern, etwa durch die explizite Strafbarkeit von antisemitischen Verschwörungsmythen. Ebenso sollen das Leugnen, Verharmlosen oder Billigen von Kriegsverbrechen und Völkermorden außerhalb des Holocaust, etwa in Ruanda oder an den Jesiden, strafbar werden. Schutzlücken in digitalen Räumen, insbesondere in geschlossenen Chatgruppen, will die SPD schließen, indem sie die Öffentlichkeitsvoraussetzung des Tatbestands lockert. Hass sei auch hinter verschlossenen Türen gefährlich, sagt Wegge der Berliner Zeitung.

„Auch geschlossene Chatgruppen, in denen volksverhetzende Inhalte, rechtsextreme Symbole oder Gewaltfantasien verbreitet werden, müssen endlich rechtssicher erfasst werden – denn Hass ist auch hinter verschlossenen Türen gefährlich.“

»Carmen Wege / Berliner Zeitung«

Die Union geht aber noch weiter und fordert, dass strafbare Inhalte gegen Gruppen mit bestimmten Weltanschauungen wie ethnische oder religiöse Minderheiten klarer erfasst werden. Wegge wiederum will „entmenschlichende“ Aussagen, etwa Vergleiche mit Ungeziefer oder Krankheiten, sowie die Verbreitung rechtsextremer Symbole oder antisemitischer Äußerungen an Schulen (außer im historischen Kontext) konsequent ahnden. Besonders brisant ist der Vorschlag, bei mehrfacher Verurteilung wegen Volksverhetzung das passive Wahlrecht zu entziehen.

„Bei den Koalitionsgesprächen von Union und SPD hatte sich die Arbeitsgruppe Innen, Recht, Migration und Integration darauf verständigt, im Rahmen der Resilienz-Stärkung der Demokratie den Entzug des passiven Wahlrechts bei mehrfacher Verurteilung wegen Volksverhetzung regeln zu wollen. Außerdem soll gegebenenfalls der Tatbestand der Volksverhetzung mit Blick auf Amtsträger und Soldaten verschärft werden.“

»Deutschlandfunk«

Dieses Vorhaben könnte gezielt Politiker wie den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke treffen, der bereits mehrfach wegen Volksverhetzung in den Fokus geriet. Hier zeigt sich ein politischer Subtext, denn die Verschärfung scheint nicht nur auf den Schutz der Gesellschaft abzuzielen, sondern auch auf die Schwächung bestimmter politischer Gegner.

Juristische Warnungen: Ein schmaler Grat

Während Union und SPD von einem gesetzgeberischen Handlungsbedarf sprechen, warnen Juristinnen vor den Risiken. Strafrechtsprofessorin Frauke Rostalski, Mitglied des Deutschen Ethikrats, sieht in der geplanten Verschärfung eine Bedrohung der Meinungsfreiheit, die sie in einem Interview mit der Berliner Zeitung neben anderen Tatbeständen wie der „Politikerbeleidigung“ kritisiert.

„Auch der Paragraf 130 StGB, die Volksverhetzung, wurde erweitert und soll laut Koalitionsvertrag noch mal erweitert werden. Vorher wurden Strafrahmen der Beleidigungsdelikte erweitert, und es sind neue Regelungen dazugekommen, insbesondere die „Verhetzende Beleidigung. […] Das führt zu Selbstzensur.“

»Frauke Rostalski / Berliner Zeitung«

Ebenso mahnt Elisa Hoven, Richterin am sächsischen Verfassungsgerichtshof, in einem eigenen Beitrag für die »Kriminalpolitische Zeitschrift« (KriPoZ} vor einem Eingriff in die freie Rede.

„Der Gesetzgeber dringt seit einigen Jahren vermehrt mit Strafvorschriften in den offenen Meinungsaustausch ein. […] In einer Demokratie gelingt dies über praktische Deliberation, in deren Zentrum
der freie Meinungsaustausch steht.“

»Elisa Hoven / KriPoZ«

Im »Verfassungsblog« warnt Hoven davor, an einen politisch umstrittenen Straftatbestand, der zudem erhebliche Auslegungsspielräume eröffne, weitreichende politische Konsequenzen zu knüpfen. Dies sei ein Vorgehen, das sie als rechtlich wie demokratisch riskant einschätzt.

„Der Tatbestand der Volksverhetzung bewegt sich in einem sensiblen Spannungsverhältnis zur Meinungsfreiheit, die Inhalte, über die verhandelt wird, sind fast immer politisch.“

»Elisa Hoven / Verfassungsblog«

Die Kritik der Juristinnen ist berechtigt. Der Paragraf 130 ist bereits jetzt interpretationsfähig formuliert, was Spielraum für unterschiedliche Anwendungen lässt. Eine Erweiterung könnte diesen Spielraum noch vergrößern und die Schwelle zur Strafbarkeit senken. Besonders die Idee, Äußerungen in geschlossenen Chatgruppen oder gegen „Weltanschauungen“ zu ahnden, birgt das Risiko, dass subjektive Empfindlichkeiten oder politische Interessen die Rechtsprechung lenken. Wer entscheidet, was „hassvoll“ ist? Und wie wird sichergestellt, dass die historische Verantwortung Deutschlands nicht als Vorwand dient, um unliebsame Meinungen zu unterdrücken?

Das „Lügenverbot“: Ein weiterer Stachel

Neben der Verschärfung der Volksverhetzung sorgt ein weiterer Punkt auf Seite 123 im Koalitionsvertrag für Kontroversen: die Aussage, dass die „bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen“ nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt sei.

»Screenshot / Koalitionsvertrag 2025«

Kritiker sprechen zu Recht von einem »Lügenverbot«, das als Reaktion auf die Rede des amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz interpretiert wird. Diese Formulierung ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die Koalition die Grenzen der freien Rede neu definieren will. Die Frage bleibt: Wer bestimmt eigentlich, was eine „falsche Tatsachenbehauptung“ ist? In einer Zeit, in der Informationen oft politisch instrumentalisiert werden, wird ein solches Gesetz die Meinungsfreiheit erheblich einschränken und den Staat zum Schiedsrichter über Wahrheit machen.

Ein Frontalangriff auf die Demokratie

Die Pläne von Union und SPD sind kein Dilemma, sondern ein unverhohlener Angriff auf die Grundprinzipien der Demokratie. Der Wunsch, Antisemitismus und Rassismus zu bekämpfen, mag legitim erscheinen. Die Mittel – vage Begriffe, eine aufgeweichte Öffentlichkeitsvoraussetzung sowie der Wahlrechtsentzug – entlarven jeodch eine Regierung, die Kontrolle über Schutz stellt. Die schwammigen Formulierungen und weitreichenden Auslegungsmöglichkeiten des Paragrafen 130 öffnen den Weg für politische Willkür, die nicht nur Extremisten, sondern auch kritische Stimmen mundtot machen könnte. Deutschlands historische Verantwortung wird schamlos als Vorwand genutzt, um die freie Rede zu knebeln.

Die Koalition zeigt kein Interesse an klaren, rechtsstaatlichen Kriterien, die Missbrauch verhindern könnten. Stattdessen treibt sie ein Gesetz voran, das die Meinungsfreiheit stranguliert und das Vertrauen in die Demokratie weiter untergräbt. Ein Staat, der die Rede seiner Bürger derart reglementiert, zerstört den gesellschaftlichen Zusammenhalt, den er vorgibt zu schützen. Diese Regierung handelt nicht als Hüterin der Demokratie, sondern als ihre Totengräberin. Wenn die Koalition diesen Kurs fortsetzt, wird sie neben der Meinungsfreiheit zugleich die gesamte demokratische Ordnung in den Abgrund reißen.

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Janine Beicht

Janine Beicht ist gelernte Kommunikationsdesignerin, arbeitet aber seit 2020 im Gesundheits- und Sozialwesen. Als Aktivistin engagiert sie sich besonders auf dem Gebiet der Psychologie unter dem Aspekt der jeweiligen politischen Machtinteressen.

Eine Antwort

  1. Die AfD ist derzeit die einzige politische Kraft mit über 10.000.000 Masse, der man das Stoppen dieses Totengräber-Wahnsinns zutrauen kann.
    Beweisansatz aus diversen Internetz-Quellen:

    „Björn Höcke (AfD) will Volksverhetzung als Straftat abschaffen oder einschränken.“

    Ähnliche Aussagen bei
    https://zuerst.de/2024/04/20/gummiparagraph-volksverhetzung-afd-will-reform-des-§-130/

    Das wäre wenigstens ein Anfang. M. M. gehört alles außer dem Rufmord-Paragrafen in den Bereich der gesellschaftlichen Ächtung, also raus aus dem Strafrecht; damit die verweichlichte, infantilisierte Jammer-, Heulsusen-, Flenn- und Hyperempfindlichkeitsvortäusch-Gesellschaft (Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschung einer Straftat (§ 145d)) endlich mal reif, mündig und erwachsen wird.

    Problem:
    Der Doktor Josef Schuster sieht das einzige Licht im Tunnel, die AfD, als Todfeind. Siehe Original-Aussagen in den gestrigen Kommentaren bei
    Haintz.media/artikel/deutschland/deutschland-wo-messergewalt-weniger-wiegt-als-die-falsche-meinung/#comment-1836

    Lösungsvorschlag:
    Einen kurzen, netten, öffentlichen Brief an Josef S. (Antideutsch: Open Letter). Erstentwurf:

    „Bitte definieren Sie öffentlich im AfD-Zusammenhang, was Sie unter Bedrohung, Gefahr, jüdisches Leben, deutsches Leben, menschenwürdiges Leben und Streitkultur verstehen. Wir verstehen darunter den Lernstoff von ScienceFiles.org/2020/05/08/anleitung-zum-mundigsein-10-regeln-zur-abwehr-von-manipulationsversuchen/ .

    Bitte lesen Sie Ares-Verlag.com/product/Grundrechte-und-Grundunrecht-Richterdaemmerung/ und schreiben Sie dazu eine Kritik.

    Welche Selbstbestrafung wünschen Sie sich,
    falls es Ihnen nicht gelingt sich an Ihre eigene Forderung zu halten?:
    Schweigen ist keine Option.“

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