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Wenn Richter Richter richten

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Am Mittwoch fand die mündliche Verhandlung über das Rechtsmittelverfahren betreffend die Verurteilung des Weimarer Richters Dettmar wegen angeblicher Rechtsbeugung statt. Der Verlauf wirft Fragen auf.
Zusammengefasst

Ein Kommentar von Rechtsanwalt und Steuerberater Christian Moser

Im Jahre 2021 erließ der Weimarer Familienrichter Christian Dettmer zwei Beschlüsse, mit denen er an Weimarer Schulen die Anordnung des Tragens von Masken untersagte. Unstreitig ging diesen Entscheidungen eine Kontaktaufnahme des Richters mit den antragstellenden Eltern voraus. Dettmer holte kritische Gutachten von Medizinern ein, die belegten, dass das Tragen von Masken gegenüber der nicht vorhandenen Schutzwirkung unverhältnismäßig schädlich für die Kinder sei.

Im Nachgang zu diesen Beschlüssen eröffnete die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren wegen angeblicher Rechtsbeugung gegen ihn, ließ sein Büro und seine Privaträume durchsuchen. Der Bundesgerichtshof hob auf die eingelegten Rechtsmittel der Behörde die von Dettmar erlassenen Beschlüsse auf mit der Begründung, das Familiengericht sei für die Untersagung der Anordnung des Tragens von Masken an öffentlichen Schulen nicht zuständig. Stattdessen habe das Verwaltungsgericht entscheiden müssen.

Dettmar wurde zwischenzeitlich am 23. August 2023 vom Amtsgericht Erfurt zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Hiergegen ist nunmehr vor dem Bundesgerichtshof (BGH) die Revision anhängig. Die Staatsanwaltschaft beantragte ihrerseits, dass die Strafe so weit erhöht werde, dass eine Bewährung nicht mehr in Betracht komme, die Strafe also sofort angetreten werden müsse. Infolge der Verurteilung droht Dettmar zudem der Verlust seines Richteramtes, das er derzeit freilich bereits nicht mehr tatsächlich ausübt.

Merkwürdige mündliche Verhandlung

Der Verlag Beck, der „Standard-Verlag” für die Rechtswissenschaft, welcher auch die wichtigste rechtswissenschaftliche Zeitung, die Neue Juristische Wochenschrift, NJW, herausgibt, berichtet über die mündliche Verhandlung vom vergangenen Mittwoch auf seiner Internetpräsenz. Dort ist zu lesen, dass der erkennende Senat intensiv mit der Verteidigung darüber diskutiert habe, inwieweit aus Sicht Dettmars von einer Zuständigkeit des Familiengerichtes hätte ausgegangen werden können. Dabei bildeten die Senatsmitglieder zum Teil abstruse Diskussionsbeispiele, wie die Frage, ob ein Familienrichter einen Haftbefehl gegen einen gewalttätigen Vater erlassen dürfe, oder ob ein Richter die Abschiebung eines Vaters unterbinden dürfe. Im Ergebnis sei zu erkennen, dass der Senat wohl nicht davon ausgehe, dass Dettmer sich habe als zuständig betrachten können.

Im Zuge dieser Diskussion soll der Wahlverteidiger Dettmars, der renommierte Strafverteidiger Strate, laut dem Bericht von Beck mit seinem Vortrag „zurückgerudert” sein und bekundet haben, dass er sich mit seinem eigenen Mandanten „nicht gemein” mache. Von Prozessbeobachtern höre ich, dass Beck-Aktuell dabei die Äußerungen Strates in der mündlichen Verhandlung nicht zutreffend wiedergebe. Strate habe lediglich bekundet, dass diese Beispiele „nicht gemeint” seien. Die Formulierung, er mache sich „nicht gemein”, sei nicht gefallen.

Freilich ist es mehr als merkwürdig, dass ausgerechnet der Bundesgerichtshof in einer Revisionsverhandlung abstruse Beispiele abfragt, die mit dem zu entscheidenden Fall nichts zu tun haben.

Im Zweifel gegen den Angeklagten?

Noch interessanter ist die Frage, wieso das Gericht am Mittwoch noch nicht entscheiden konnte und die Entscheidung auf November vertagte. Jeder Nichtjurist, aber Krimi-Zuschauer, kennt den allgemeinen Grundsatz „in dubio pro reo”, also „im Zweifel für den Angeklagten”. Allein die Tatsache, dass der Senat ausgiebig und unter Hinzuziehung selbst abstruser Beispiele darüber diskutiert, ob ein Familienrichter in dem betreffenden Falle zuständig sein konnte, zeigt, dass selbst unter Fachleuten keine eindeutige Klarheit darüber besteht, wie die Zuständigkeit nun zu betrachten sei. Dann aber gilt „im Zweifel für den Angeklagten” und ist Dettmar deswegen freizusprechen.

Wohlgemerkt ist diese Diskussion nicht erst auf der subjektiven Ebene des Vorsatzes einzuordnen, sondern bereits auf der Ebene des objektiven Tatbestandes, also, ob objektiv eine Rechtsbeugung vorliegt. Diese setzt nämlich voraus, dass in unvertretbarer Weise und willkürlich gegen das Recht entschieden wurde.

Das Recht unterliegt dem Wandel

Was ist denn Recht? Recht und Gesetz sind nicht dasselbe. Gesetz ist lediglich der Wortlaut der Normen, die vom Gesetzgeber erlassen wurden. Das Recht steht darüber und zwar auch in dem Sinne, dass das Gesetz gegen das Recht verstoßen kann. Das haben wir zum Beispiel in Gestalt des Infektionsschutzgesetzes erlebt. Und dafür gibt es Normenkontrollverfahren. Das Recht wird gebildet durch die Gesamtheit der Rechtsordnung und geformt durch die Rechtsanwendung in Rechtsprechung, Literatur und Rechtspraxis. Hinzu tritt noch die Rechtsanschauung der Allgemeinheit, also das, was die Allgemeinheit als Recht empfindet. Daher muss das Recht in der täglichen Praxis seinen Niederschlag finden und unterliegt deshalb einer ständigen Veränderung. Selbst die höchstrichterliche Rechtsprechung, die der Vereinheitlichung des Rechtes und der Rechtssicherheit dient, wird immer wieder modifiziert, ja sogar ins Gegenteil verkehrt, wenn ein zuständiges Obergericht seine Meinung ändert. Dies nennt sich Rechtsfortbildung. Darum gibt es mehrere Instanzen.

Es ist der Normalfall der Rechtsprechung, dass ein Gericht eine Entscheidung fällt, die von der nächsten Instanz als rechtswidrig betrachtet und aufgehoben wird. Es ist auch der Normalfall, dass rechtliche Fragen uneinheitlich beantwortet werden. Dann ist es Aufgabe der Obergerichte, eine klarstellende Entscheidung zu treffen. Diese Entscheidung bedeutet nicht, dass bis dahin das Gegenteil Unrecht war, sondern dass ab diesem Zeitpunkt das Entschiedene als Recht gelten soll, damit der Streit beendet wird und erst durch diese klärende Entscheidung Rechtssicherheit eintritt.

Eine Rechtsauffassung ist keine Rechtsbeugung

Genauso verhält es sich hier. In dem gegenständlichen Falle ging es um die Anwendung des § 1666 BGB, der es dem Familiengericht erlaubt, im Falle der Gefährdung des Kindeswohls Anordnungen gegen die Eltern, aber auch gegen Dritte zu treffen. Dass durch die Anordnung der Masken das Kindeswohl gefährdet worden war, dürfte außer Frage stehen. Dass es sich bei der Schulverwaltung in Bezug auf die Eltern um Dritte handelt, steht auch außer Frage. Dementsprechend war bis zur Klärung der von Dettmar entschiedenen Fälle die Ansicht darüber, ob ein Familiengericht gegen Behörden Anordnungen treffen dürfe, in Rechtsprechung und Literatur ungeklärt.

Ebenfalls im Jahre 2021 trat der ehemalige Familienrichter Hans-Christian Prestien dafür ein, den § 1666 BGB in ähnlichen Fällen anzuwenden und stellte hierfür von ihm entwickelte Formulare bereit. In dem Vorstand der Anwälte für Aufklärung e. V. diskutierten wir damals diese Formulare und deshalb auch die Frage der Anwendbarkeit des § 1666 BGB. Wir kamen damals zu dem gut vertretbaren Ergebnis, dass diese Norm in Betracht komme, auch wenn dies möglicherweise streitig sei. Das größere Problem sahen wir in der Frage, ob Formulare ratsam seien und nicht andere Risiken bieten könnten.

Erst die höchstrichterliche Entscheidung über die Aufhebung der Beschlüsse des Weimarer Richters Dettmar „klärte” diese offene Frage. Bis dahin durfte Dettmar aber davon ausgehen, dass er sich als zuständig erklären könne. Die Annahme einer Rechtsbeugung scheidet daher schon auf den ersten Blick aus.

Auf den zweiten Blick scheidet sie erst recht aus, denn Rechtsbeugung ist als Straftatbestand gemäß § 339 StGB ein krasser Ausnahmefall. Eben weil die Rechtsentwicklung in dem beschriebenen Maße fließend ist, kann eine Rechtsbeugung, also ein strafwürdiges Hinbiegen des Rechtes, nur dann angenommen werden, wenn ins Auge springende Willkür vorliegt, die sich über alles, was Recht ist, bewusst hinwegsetzt. Darum ist der Tatbestand der Rechtsbeugung auch nicht als Vergehen, sondern als Verbrechen ausgestaltet, also mit einer besonders hohen Strafandrohung, die unterstreicht, dass hier nur ganz krasse Fälle einschlägig sein dürfen.

Dettmar handelte nach dem Amtsermittlungsgrundsatz

Auch der Vorwurf an Detmar, dass er im Vorhinein durch den Kontakt mit den Antragstellern sich die Fälle beschafft haben solle und auch die Gutachter selber herangezogen habe, ist abwegig. Das familiengerichtliche Verfahren auf der Grundlage des § 1666 BGB unterliegt dem Amtsermittlungsgrundsatz, das heißt, der Richter ermittelt von Amts wegen, also aus seiner eigenen Zuständigkeit heraus und nicht bloß auf Antrag. Er ist, wenn er selbst Anzeichen für eine Kindeswohlgefährdung wahrnimmt, dazu verpflichtet und angehalten, von sich aus tätig zu werden. Insofern ist er Richter und Ermittlungsbehörde in einem.
 
Genau das hat Dettmar getan. Er nahm wahr, dass an den Schulen eine Maskenpflicht angeordnet wurde, stufte diese zutreffend als Kindeswohlgefährdung ein und wurde entsprechend tätig. Wie sonst hätte er tätig werden sollen, als mit betroffenen Eltern Kontakt aufzunehmen? Das ist sogar das Standardverfahren im Falle des § 1666 BGB. Dass Dettmar seinen Verdacht der Kindeswohlgefährdung durch wissenschaftliche Gutachten untermauerte, sollte ebenfalls selbstverständlich sein. Es ist ja nicht so, dass es sich bei den eingeholten Gutachten um Scharlatanerie gehandelt hätte, sondern es handelt sich um angesehene Wissenschaftler. Heute wissen wir zudem, dass es eben solche kritischen Wissenschaftler waren, die die Wissenschaft in ihrem echten Sinne verkörperten, im Gegensatz zur Hilfswissenschaft der Bundesministerien.
 
Dettmar erkannte folglich das Unrecht an den Schulen, wurde im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes tätig und traf eine entsprechende Entscheidung. In der Fachsprache lautet eine solche Entscheidung nicht umsonst, „erkannte für Recht”. Dies ist das Gegenteil von Rechtsbeugung. Rechtsbeugung ist es, unter Ausnutzung der Amtsbefugnisse wissentlich Unrecht zu sprechen. Das hat Dettmar weder getan, noch gewollt.

Die Justiz ist abhängig

Am Beispiel des Christian Dettmar erleben wir das Menetekel der deutschen Justiz. Das Sinnbild der Justiz ist die Göttin Justitia mit der Waage. Gewogen und zu leicht befunden („mənēʾ mənēʾ təqēl ûp̄arsîn”, Daniel 5) wurde vor dem Recht nicht Christian Dettmar, sondern die Justiz im Allgemeinen und im Besonderen die höhere Justiz. Sie sind nicht dazu in der Lage, die offensichtlichsten Rechtsgrundsätze aufrechtzuerhalten, wenn sie sich ihrem Brötchengeber gegenüber in der Pflicht fühlen. Wie sehr sie sich winden müssen, um endlich einmal das auszusprechen, was seit 2020 Not tut, zeigt sich schon darin, dass sie sich bis November Zeit lassen müssen, bis sie sich trauen, etwas zu Papier zu bringen. Seit 2020 erleben wir Anwälte, die wir uns an das halten, was wir gelernt haben, das Bollwerk der stromlinienförmigen Richter gegen das Grundgesetz, die Freiheitlich Demokratische Grundordnung und die Grundrechte.
 
„Wes Brot ich eß, des Lied ich sing.” Und so speist der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes im Bundeskanzleramt, gegen welches zugleich Verfahren auf seinem Schreibtisch liegen. Ist gegen ihn ein Verfahren wegen Rechtsbeugung jemals eröffnet worden?

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