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Markus Haintz kommentiert „Weidel stellt Strafanträge wegen Beleidigung im Netz“

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Anmerkungen zu dem lesenswerten und gut recherchierten Artikel von Lars Wienand zum Thema Politikerbeleidigung 
Zusammengefasst

Anbei meine Anmerkungen zu dem Artikel von »Lars Wienand«, Zitate stammen aus diesem Artikel.

1. „Nazischlampe“

Natürlich darf man Alice Weidel grundsätzlich nicht „Nazischlampe“ nennen. Das Urteil des Landgerichts Hamburg im Jahr 2017 bezog sich auf einen satirischen Beitrag. Man kann dazu stehen, wie man möchte. Aber das bedeutet natürlich nicht, dass diese sexualisierte Beleidigung grundsätzlich zulässig ist. Sie ist es nicht.

Allerdings tut sich Weidel mit diesem Video-Ausschnitt und der damaligen Aussage bei Anne Will keinen Gefallen. Sie suggeriert damit, dass die Aussage allgemein zulässig sei. Wenn sich nun jemand auf das Video bezieht, wird ein entsprechendes Strafverfahren einzustellen sein.

Der Normalbürger kann jedenfalls dann nicht mehr erkennen, dass eine Äußerung im satirischen Kontext zulässig sein kann, anlasslos aber eine Beleidigung darstellt, wenn die Betroffene eine solche (unglückliche) Aussage trifft.

Warum Frau Weidel die Beschwerde damals zurückgezogen hat, weiß ich nicht. Diesen Fall hätte man durchaus ausdiskutieren können. Vermutlich wollte man vermeiden, dass eine höhere Instanz entscheidet, statt „nur“ das LG Hamburg. Es sei hierzu angemerkt, dass das Landgericht Hamburg in Presseangelegenheiten/im Äußerungsrecht zu Recht einen guten Ruf genießt.

2. Sexualisierte Beleidigungen gegen Politikerinnen

Gerade gegenüber Politikerinnen aller Parteien ist es eine absolute Unsitte, diese teilweise aufs Übelste sexualisiert zu beleidigen. N****, H***, F**** und dergleichen muss Frau sich nicht gefallen lassen. 

Gegenüber Männern gibt es weder zahlenmäßig noch bezüglich der Intensität eine vergleichbare Beleidigungswelle. (Wir führen Hunderte von Verfahren im Zivilrecht und Strafrecht zu diesem Thema.) Wir wurden auch schon häufiger angefragt, ob man dies und das anzeigen könne. Wir tun das nur ausnahmsweise und in besonders üblen Fällen, wenn gewünscht, sonst nicht.

Wir sollten uns zumindest gesellschaftlich darauf einigen können, wo Grenzen zu ziehen sind. Die juristische und gesellschaftliche Debatte dazu ist überfällig und sollte von allen Seiten ergebnisoffen geführt und diskutiert werden.

3. „Waffengleichheit“

Juristisch ist natürlich nichts dagegen einzuwenden, sich derselben juristischen Waffen zu bedienen und gleichzeitig deren Abschaffung zu fordern. Dennoch ist es schwer, das dem Bürger zu vermitteln. Weidel muss natürlich das Recht haben, üble Beleidigungen anzuzeigen. Es wäre aber dann taktisch sinnvoller gewesen, dies auch öffentlich selbst zu äußern, bevor ein gut recherchierter Artikel von »Lars Wienand« das ans Licht bringt. Natürlich war klar, dass das irgendwann rauskommt.

Ich persönlich halte wenig davon, dass sich verschiedenste Seiten nun gegenseitig zehntausendfach im Jahr anzeigen. Viele der Internetpostings haben eine einstellige oder zweistellige Aufrufzahl. Ob all das zur Anzeige gebracht werden muss, wage ich zu bezweifeln. § 188 StGB ist hier ohnehin nicht einschlägig. Das kann die Polizei aber letztlich nicht entscheiden, da es eine Einzelfallabwägung ist.

Das Thema Waffengleichheit ist aber dahingehend interessant und wichtig, dass den aktuell Regierenden klar sein muss, dass dieselben Waffen, die sie momentan gegen die Opposition einsetzen, irgendwann gegen sie eingesetzt werden können. Schon allein das ist ein Grund, § 188 StGB im eigenen Interesse abzuschaffen bzw. zumindest die Reform rückgängig zu machen.

Ich für meinen Teil möchte keine politisch motivierte Strafverfolgung, egal in welche Richtung.

4. Meldestellen

Sowohl die staatlichen als auch die privaten Meldestellen (z. B. SO DONE) gehören abgeschafft. Wir brauchen zwar eine gesamtgesellschaftliche Lösung für Äußerungsdelikte im Internet, aber Meldestellen sind diese Lösung sicherlich nicht.

5. § 188 

Es gibt keine Beleidigung, die das politische Wirken eines Politikers erheblich beeinträchtigen kann. Auch üble Beleidigungen können dies nicht. Niemand wird seine Wahlentscheidung davon abhängig machen, ob ein politischer Gegner einen Politiker als was auch immer beschimpft. Politiker werden bei ihrer Amtsausübung auch dann ernst genommen, wenn sie von politischen Gegnern beschimpft werden.

Anders sieht es bei übler Nachrede und Verleumdung aus. Der falsche Vorwurf, ein Politiker sei drogensüchtig oder bestechlich, kann dessen politisches Wirken (und eine Wahlentscheidung) tatsächlich erheblich beeinträchtigen.

Strafbar wäre eine solche Aussage natürlich nur, wenn sie unwahr oder jedenfalls nicht erweislich wahr wäre. 

Die [konkrete] Tat muss geeignet sein, das politische Wirken eines Politikers erheblich zu erschweren. Dieses Thema ist inzwischen weitestgehend ausdiskutiert. Selbst die Amtsgerichte verurteilten nach unserer Erfahrung praktisch nicht mehr nach § 188 StGB. Der Großteil der Postings hat eine äußerst geringe Reichweite. Schon allein deshalb wird zumeist nur noch § 185 StGB, die einfache Beleidigung, angewandt.

6. SO DONE

„Anwältin Wende hatte auch mit einigen Fällen zu tun, die von einer Anwaltsfirma mit einem besonderen Geschäftsmodell kommen: Diese geht für Politiker KI-unterstützt auf die Suche nach Beleidigungen im Netz, macht auch zivile Ansprüche geltend und finanziert sich daraus. Die Verteidigungspolitikerin und FDP-Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte im September 2024 bestätigt, dass sie mit diesem Unternehmen, das So Done heißt, 1.894 Sachverhalte seit Februar 2023 angezeigt hat. Als entschiedene Unterstützerin von Waffenlieferungen für die Ukraine ist sie im Netz offenbar für viele eine besondere Hassfigur.

Wichtig und richtig, auch dieses Thema zu beleuchten. Der Artikel wäre unvollständig, wenn dieses Thema ausgelassen worden wäre.

Hierzu ist zu sagen, dass auch Strack-Zimmermann vielfach tatsächlich beleidigt wird. Allerdings beteiligt sie sich eben auch an dem unlauteren Geschäftsmodell von SO DONE, gegen welches ich mit meinem Team rechtlich und medial vorgehe, und zeigt hundertfach zulässige Aussagen an. 

7. Schwachkopf

„Der ´Schwachkopf´-Fall wird vielfach von Juristen als große Ausnahme mit einer übereifrigen Staatsanwaltschaft eingeschätzt.“

Korrekt. Mir ist kein weiterer vergleichbarer Fall bekannt und wir sollten hier auch die Kirche im Dorf lassen. Es ist keineswegs so, dass es in Deutschland regelmäßige Hausdurchsuchungen wegen Beleidigungen gibt. Angesichts von hunderten von Akten haben wir hier einen sehr guten Überblick. Die Ermittlungen zu mutmaßlichen Tätern erfolgen in aller Regel nicht über Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen von Telefonen/Computern, sondern über Abfragen von Meldedaten bei den Social-Media-Plattformen und über OSINT-Recherche (Open Source Intelligence).

8. Staatsanwaltschaften

„Die Staatsanwaltschaften hätten auch wenig Interesse und Lust auf die Verfahren.“

In Göttingen (»ZIC«, Zentralstelle Internet- und Computerkriminalität, Cybercrime) und Bamberg (»ZCB«, Zentrale Cybercrime Bayern) scheint das anders zu sein. Grundsätzlich dürfte das zutreffen.  

9. #188MussWeg

„Generell sei die Frage, ob die betroffenen Politiker wirklich in ihrem politischen Leben beeinträchtigt würden, meint Anwältin Wende. ´Für Verleumdungen, wenn etwa Bestechlichkeit behauptet wird, ist das gut vorstellbar.´ Beleidigungen seien aber nie tatbestandserfüllend, so Wende: ´Ich halte den Paragrafen 188 in der Form, wie er formuliert ist, für so sinnlos wie ein Ohrläppchen am Ellenbogen.´“

Meine Rede. Danke. Siehe oben unter Punkt 5. 

§ 188 kann bei Beleidigungen schon tatbestandsmäßig nicht erfüllt sein. Erfreulich, dass diese Debatte nun immer häufiger geführt wird. 

Markus Haintz
Rechtsanwalt

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Markus Haintz

Markus Haintz ist Journalist und Rechtsanwalt mit dem juristischen Schwerpunkt in den Bereichen Medien- und Äußerungsrecht. Journalistisch befasst er sich vor allem mit den Themen Meinungsfreiheit, Recht sowie Innen- und Außenpolitik.

Eine Antwort

  1. Danke für deine sachliche Einordnung und und deine grundsätzliche Menschenfreundlichkeit. Eine Stimme der Vernunft im Irrsinn.

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