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Amtsgericht Stuttgart: Michael Schele wegen Volksverhetzung verurteilt – Verteidigung kündigt Berufung an

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Der DJ und Grundrechtsaktivist Michael Schele wurde soeben vom Amtsgericht Stuttgart wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.
Zusammengefasst

Am 21. November 2022 veranstaltete Schele in Stuttgart eine Demonstration mit dem Titel „Galerie der Impf-Opfer“, in deren Rahmen eine Vielzahl von kleinen Plakaten ausgestellt wurde mit unterschiedlichen Botschaften zum Thema Impfschäden. Auf einem dieser Plakate wurde ein Bezug zum Nürnberger Kodex hergestellt, auf dem anderen wurden die sog. Corona-Impfstoffe als „Massenvernichtungswaffen“ und „injizierbare Biowaffen“ bezeichnet und mit Zyklon-B-Gas verglichen, allerdings handelte es sich hierbei lediglich um ein Zitat der Holocaust-Überlebenden Vera Sharav.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart sah hierin eine Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 Strafgesetzbuch und beschuldigte Schele, eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzes bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich und in einer Versammlung verharmlost zu haben.

Bezüglich der Erwähnung des Nürnberger Kodex ist eine Volksverhetzung meines Erachtens kaum zu begründen, da damit der Sinn und Zweck des Nürnberger Kodex ad absurdum geführt wird. Bezüglich des Vergleichs mit Zyklon-B wird man ein Verharmlosen von Verbrechen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus als vertretbare Würdigung annehmen können, § 6 Abs. 1 Nummer 1 Völkerstrafgesetzbuch, allerdings fehlt es an der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens, da nur eine äußerst geringe Anzahl von Personen das kleine Plakat überhaupt wahrgenommen haben dürfte.

Eine rechtsgutgefährdende Handlung lag meines Erachtens daher nicht vor, welche nach dem Bundesverfassungsgericht allerdings Voraussetzung einer Volksverhetzung ist.

„Der öffentliche Frieden bezieht sich nicht auf den Schutz vor subjektiver Beunruhigung der Bürger durch die Konfrontation mit provokanten Meinungen und Ideologien, sondern auf Äußerungen, die ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen angelegt sind.“

BVerfG 22.6.2018 – 1 BvR 2083/15, NJW 2018, 2861 (2862).

Das Amtsgericht Stuttgart sah dies anders und verurteilte Schele wegen Volksverhetzung zu 60 Tagessätzen á 10 € Geldstrafe. Die Verteidigung wird gegen das Urteil Berufung einlegen.

Stellungnahme der Verteidigung

Rechtsanwältin Viktoria Dannenmaier und Rechtsanwalt Christian Moser gaben nach dem Urteil gegenüber „Dauerwelle Demo Report“ eine kurze Stellungnahme ab und kündigten eine Berufung an.

Anmerkung: Die Überschrift des Artikels wurde daraufhin geändert. In der ursprünglichen Fassung hieß es noch „Verteidigung kündigt Rechtsmittel an“. Dies wurde geändert in „Verteidigung kündigt Berufung an“.

Zusammenfassung des Prozessgeschehens

Dauerwelle Demo Report“ hat die Verhandlung in Stuttgart wie folgt zusammengefasst:

17.05.2024 Stuttgart

„Verhandlung gegen Michael Scheele geht los.

Ausweiskontrolle und das Nicht mitnehmen von Schreibsachen wird von der Anwältin bemängelt.

Staatsanwalt liest die Anklage vor. Es geht um ein Zitat aus der Galerie der Aufklärung. Verharmlosung der NS Zeit.

Verhandlung gegen Michael Scheele geht los.

Ausweiskontrolle und das Nicht mitnehmen von Schreibsachen wird von der Anwältin bemängelt.

Staatsanwalt liest die Anklage vor. Es geht um ein Zitat aus der Galerie der Aufklärung. Verharmlosung der NS Zeit.

Beweisaufnahme beginnt nachdem Scheele Angaben zu seiner Person gemacht hat.

Zur Sache möchte er keine Angaben machen.

Erster Zeuge:
Polizist erzählt über die Galerie. Es gab drei Plakate, die die Corona Situation mit dem Holocaust verglichen haben.
Die Plakate wurden beschlagnahmt.

Der Zeuge berichtet über die Galerie. Passanten Seiten stehengeblieben. Er war nicht eingeteilt für die Veranstaltung, sondern wurde hinzugezogen, um die Anzeige aufzunehmen.

Der Angeklagte habe sich sehr kooperativ verhalten. Mehrere Passanten sagten dem Polizist, daß der Angeklagte es richtig macht und sie fangen es gut.

Der Zeuge erinnere sich an ca. 50 Plakate. Laut Anwalt waren es 2-3000. Der Zeuge glaubt nicht, daß es so viele waren.

Anzeige kam durch eine Zeugin per Mail. Sie habe Plakate mit Bezug zum Holocaust gesehen.

Der Zeuge kann sich nicht mehr an viele Details der Plakate erinnern. Es ging um Corona, um Impftote.

Alle Plakate waren gleich groß.

Der Zeuge wird entlassen.

Die Verhandlung wurde kurz unterbrochen. Es gab anscheinend Ungereimtheiten wegen der Galerie.
Nach der Unterbrechung gucken sich die Anwälte und die Richterin Fotos eines Prozessbeobachters von der Ausstellung an. Es waren deutlich mehr als 50 Plakate.

Die nächste Zeugin wird geladen. Eine Mitarbeiterin des Ordnungsamtes.
Am ersten Tag ist sie mit einem Kollegen inkognito zur Galerie gegangen und haben sich die Plakate angeguckt. Dabei haben sie die beiden fraglichen Plakate gefunden und fotografiert.
In Absprache mit einem Vorgesetzten wurde entschieden die Polizei einzuschalten und Anzeige zu erstatten, weil es angeblich über die Meinungsäußerung hinausgeht.

Die Passanten waren interessiert. Der Versammlungsleiter war passiv. Die Zeugin war ca. 15 Minuten vor Ort.

Grundsätzlich ging die Ausstellung um die Coronapandemie und um angebliche Impfopfer. Die Zeugin und der Kollege haben sich nicht zu erkennen gegeben und wollten es erst mit dem Dienststellenleiter besprechen.

Keine Fragen der Staatsanwaltschaft.

Die beiden Plakate hingen angeblich nebeneinander. Der Polizist vorher sagte, daß sie ca einen Meter auseinander hingen.

Plakate wurden nicht wieder aufgehängt.

Die Zeugin wird entlassen.

Es gab ein Telefonat mit einem Polizisten, in dem Scheele angeblich gesagt haben sollte, er könne die Plakate erneut ausdrucken. Staatsanwaltschaft und Richterin bestätigten, daß diese Aussage nicht so ausgelegt wird, daß Scheele es zum Trotz erneut ausdrucken will.

Die Anwälte erklärten, daß es in der Galerie nicht nur um Corona ging.

Die Anwältin liest einen Bericht über die SPD Politikerin Esken vor, in der sie die AFD mit Nazis verglich.
Es folgen weitere Zitate von Personen des öffentlichen Lebens, in dem sie gegen Impfgegner hetzen und straffrei ausgehen. Bosetti, Scholz und Böhmermann zum Beispiel. Diese Aussagen wurden dort auch ausgehängt.

Die Richterin liest die bisherigen Strafen vor. Straftaten vor der Coronapandemie gab es keine.

Die Beweisaufnahme wird geschlossen. Es folgt eine Unterbrechung bis elf Uhr.

Verhandlung gegen Michael Scheele.

Plädoyers beginnen.

Der Staatsanwalt beginnt. Er fasst die Galerie zusammen und beschreibt die verschiedenen Themen.
Der Vergleich zwischen dem Impfstoff und Zyklon B sei hart(?!?).
Auch Zitate zur Verharmlosung des Holocaust können eine Straftat sein.
Zu Gunsten des Angeklagten: Es waren nur zwei von vielen Plakaten mit diesem Thema
Seine Lebenssituation mit Arbeitslosigkeit durch die Coronapandemie müsste strafmildernd sein.
Pflege der Mutter des Angeklagten spricht für ihn.

Zu Lasten des Angeklagten sprechen Vorstrafen und seine laufende Bewährung.
Der Angeklagte sei kein klassischer Volksverhetzer.
Er fordert eine 90 Tagessätze a 10€. Kosten des Verfahrens soll Angeklagter tragen.

Plädoyer der Verteidigung.
Verharmlosung des Holocaust liege nicht vor. Die Galerie hätte das Ziel einen Diskurs zu erzielen.
In der Galerie ging es darum verschiedene Meinungen darzustellen. Der Mandant möchte einen friedlichen Austausch erzielen.
Die beiden Plakate waren nicht besonders platziert.
Bei der Galerie ginge es um viele Themen. Es ging darum eine Grundlage für Diskussion zu schaffen.

Die Anwältin liest den Nürnberger Codex vor. Bei dem Aushang ging es darum daran zu erinnern, daß es diesen Codex gibt. Die Anwältin sieht darin keine Straftat oder eine Relativierung.

Vera Sharavs Zitat. Dieses Zitat stammt von einer Holocaust Überlebenden bei einer Demo in Nürnberg zum Nürnberger Codex. Es folgt eine Zusammenfassung ihrer Lebensgeschichte und die Hintergründe ihrer Rede aus Nürnberg. Sie schildere ihre persönlichen Erfahrungen während der Coronazeit, es ginge nicht um eine Gleichsetzung mit der NS Zeit.

Der Angeklagte habe diese Aussage nicht getätigt. Er habe dieses Zitat gewählt, um der Bevölkerung zu zeigen, daß es Holocaust Überlebende mit solchen Meinungen gibt. Die Quelle des Zitats wurde angegeben.

Eine neutrale Schilderung des Zitats reiche nicht aus für Volksverhetzung.

Der öffentliche Frieden sei nicht gestört worden. Dafür gehören emotionale Appelle und eine Herabsetzung der Hemmschwelle zu Straftaten.
Es wurde nicht zum Handeln der Passanten aufgefordert.

Bei mehreren tausend Plakaten können die zwei Plakate nicht den öffentlichen Frieden stören.

Die Anwältin fordert Freispruch.

RA Chris Moser, der zweite Anwalt von Scheele, sieht darin auch keine Straftat.

Ein Plakat gibt nur den Nürnberger Codex wieder. Ohne Aufruf, ohne Kommentar, nur als Zitat.

Plakat von Vera Sharav:
Es ist grotesk ein Zitat von ihr als Holocaust Verharmlosung aufzuführen.
In dem Plakat geht es nicht um eine Gleichsetzung.
Das Zitat verharmlose nicht. Es sei eher eine Warnung. Man bediene sich der Schwere des damaligen Geschehens um darauf hinzuweisen, keine Verharmlosung.

Die verschiedenen Zitate sollten eine Diskussion anregen, nicht zu Straftaten anregen. Es gab keine Hinweise auf Störung des öffentlichen Friedens.

Auch er plädiert auf Freispruch.

Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil:
60 Tagessätze a 10€
Plus kosten des Verfahrens.“

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Markus Haintz

Markus Haintz ist Journalist und Rechtsanwalt mit dem juristischen Schwerpunkt in den Bereichen Medien- und Äußerungsrecht. Journalistisch befasst er sich vor allem mit den Themen Meinungsfreiheit, Recht sowie Innen- und Außenpolitik.

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