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Krise an der deutsch-polnischen Grenze: Soldaten, Aktivisten und das „Migranten-Pingpong“

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An Übergängen entlang der deutsch-polnischen Grenze stehen seit dem 7. Juli polnische Soldaten. Auslöser sind politische Spannungen rund um Rückführungen von Migranten, bei denen Deutschland unter anderem nächtliche Abschiebungen vorgeworfen werden. Aktivisten sprechen von illegalen Aktionen – die polnische Regierung dementiert.
Zusammengefasst

Ein Beitrag von Daria Szmelter.

Seit dem 7. Juli sind an allen Grenzübergängen zu Deutschland polnische Soldaten im Einsatz. Die Maßnahme erfolgte unter dem Druck der „Bewegung zum Schutz der Grenze“, die bereits seit Wochen in Eigenregie Patrouillen organisiert. Auslöser waren mehrere Vorfälle, bei denen die deutsche Polizei Migranten in Nacht-und-Nebel-Aktionen nach Polen gebracht haben soll. Zahlreiche Videoaufnahmen dokumentieren diese Einsätze.

Vorwürfe an deutsche Behörden: Rückführungen unter fragwürdigen Bedingungen

Am Samstag, dem 5. Juli, bestätigten mir polnische Polizeibeamte, dass es vermehrt zu nächtlichen Rückführungen durch deutsche Einsatzkräfte komme. Dabei würden Migranten – so der Vorwurf – ohne offizielle Verfahren über die Grenze nach Polen gebracht. In vielen Fällen fänden diese Einsätze inoffiziell und ohne Dokumentation statt.

Zugleich machten die Beamten deutlich, unter welch schwierigen Bedingungen sie die östliche Außengrenze der EU zu Belarus schützen. Der Frust ist spürbar: Während Polen im Osten europäische Verantwortung übernimmt, werden im Westen – so der Vorwurf – Migranten unkontrolliert über die Grenze nach Polen zurückgedrängt. Deutschland, so heißt es, entziehe sich seiner Verantwortung und lasse Polen die Konsequenzen seiner Migrationspolitik tragen.

Die deutsche Regierung beruft sich in ihrer Verteidigung auf das Dublin-Abkommen. Man sei berechtigt, Asylsuchende zurückzuführen, die zuerst in Polen in die EU eingereist seien. Die Vorwürfe illegaler Rückführungen weist Berlin zurück.

Wojewoda Rudawski besucht die Grenze – Regierung bemüht sich um Deeskalation

Am Montag zeigte die polnische Regierung Präsenz: Adam Rudawski, der Wojewoda (Vizegouverneur) der Woiwodschaft Westpommern (eine Position, vergleichbar mit einem deutschen Regierungspräsidenten), reiste an den Grenzübergang Lubieszyn. Dort sprach er mit Aktivisten, Anwohnern und Medienvertretern. Rudawski dementierte die von Aktivisten erhobenen Vorwürfe. Es gebe keine Beweise für illegale Rückführungen durch deutsche Beamte. Dennoch bleibt eine zentrale Frage offen: Wenn es keine derartigen Vorfälle gab – warum wurde dann das Militär an allen Grenzübergängen stationiert?

Rudawskis Besuch diente erkennbar dazu, die erhitzte Stimmung zu beruhigen. Die Regierung will den Dialog mit den Bürgern suchen, ohne offen gegen die zivilen Patrouillen vorzugehen. Rudawski setzte auf Gespräche, um die Lage zu stabilisieren und die zunehmend gereizte öffentliche Debatte zu entschärfen.

Tomasz Froelich: „Das ist Migranten-Pingpong“

Bereits am Samstag, dem 5. Juli, war Tomasz Froelich, AfD-Abgeordneter im Europäischen Parlament, privat an die Grenze gereist. Er brachte Pizza mit und sprach mit Aktivisten sowie Anwohnern vor Ort. In einem Statement bezeichnete Froelich die Situation als symptomatisch für das europäische Migrationsversagen:

„Wir schieben Migranten ab, Polen will sie nicht aufnehmen – und nach kurzer Zeit stehen sie wieder bei uns. Das ist Migranten-Pingpong.“

»Tomasz Froelich / 𝕏«

Froelich forderte konsequente Abschiebungen in die Herkunftsländer, statt Verantwortung zwischen europäischen Staaten hin- und herzuschieben, denn diese Praxis löse keine Probleme, sondern verlagere sie nur und belaste das Verhältnis zwischen den Völkern. Er kritisierte die deutsche Flüchtlingspolitik der vergangenen Jahre, während er die zivilen Patrouillen ausdrücklich lobte: »2015 wären solche Patrouillen in ganz Europa hilfreicher gewesen als all die naiven Teddybärchenwerfer.“« Ganz Europa leide immer noch an Merkels Willkommenskultur:

Tomasz Froelich / »𝕏«

Die gesellschaftlichen Spannungen wachsen

Was sich derzeit an der Grenze abspielt, ist längst kein rein verwaltungstechnisches oder rechtliches Problem mehr. Die gesellschaftliche Stimmung ist angespannt – und das nicht nur in Polen. Viele Menschen fühlen sich von der Politik allein gelassen.

Aktivisten bringen ihren Frust offen zum Ausdruck, indem sie äußern: „Deutschland hat unter Merkel Migranten aus aller Welt eingeladen – und jetzt sollen wir es ausbaden.“ Oder, in noch schärferer Tonlage, „Deutschland hat zum zweiten Mal Europa in den Abgrund geführt.“ Viele Polen verweisen auf die schlimme Sicherheitslage in Deutschland, Frankreich und anderen westeuropäischen Ländern. Für viele steht fest: „Das wollen wir hier nicht.“

Flugblätter wurden verteilt, in mehreren Sprachen, die unmissverständlich klarstellen: Illegale Migranten sind in Polen nicht erwünscht. In Gesprächen wird deutlich: Die Sorge um Sicherheit, insbesondere für Frauen und Kinder, sowie um die eigene kulturelle Identität ist groß.

PiS strebt Referendum zur Migration an

Bei einer Pressekonferenz am Samstag, dem 5. Juli, erklärte Jarosław Kaczyński, Vorsitzender der PiS (Prawo i Sprawiedliwość, Recht und Gerechtigkeit), dass seine Partei bereits über eine halbe Million Unterschriften für ein Referendum zur illegalen Migration gesammelt habe und dass die Sammlung fortgesetzt werde. Man wolle, dass die Bürger in dieser grundlegenden Sicherheitsfrage mitbestimmen können.

Kommt das Referendum nicht zustande, wäre Polen ab Juni 2026 verpflichtet, die Regelungen des EU-Migrationspakts umzusetzen. Dieser sieht vor, dass jährlich rund 30 000 Migranten aufgenommen werden müssen – oder andernfalls pro nicht aufgenommenem Flüchtling eine Strafzahlung von bis zu 25 000 Euro fällig wird. Zwar basiert der Pakt auf dem Prinzip europäischer Solidarität, doch in Polen wächst der Widerstand gegen diese Verpflichtung.

Die verstärkten Kontrollen an allen Grenzübergängen zu Deutschland, die gleichzeitige Präsenz von Militär, Aktivisten und politischen Entscheidungsträgern sowie widersprüchliche Aussagen zu Rückführungen machen eines deutlich: Die europäische Migrationspolitik steckt in einer tiefen Krise. Die Geschehnisse an der deutsch-polnischen Grenze sind Ausdruck eines grundlegenden Misstrauens – zwischen Staaten, Behörden und Gesellschaften. Wie lange sich diese Lage noch stabil halten lässt, ist ungewiss.

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