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Friedrich Merz bei Caren Miosga
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ARD Mediathek

Der Illusionist im Kanzleramt: Merz‘ Fernsehauftritt bei Miosga

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Fehlgeleitete Forschung
Fadenkreuz auf Politiker
Während Merz Optimismus verbreitet, fehlt jede greifbare Lösung für Renten, Pflege und Arbeitslosigkeit. Die Versprechen wirken wie Zettelwirtschaft im Sturm realer Krisen.
Zusammengefasst

Friedrich Merz, der CDU-Chef, der seit Mai dieses Jahres die schwarz-rote Koalition aus CDU/CSU und SPD leitet, nutzte seinen Auftritt in der ARD-Sendung »Caren Miosga« am Sonntagabend, um sich als unerschütterlicher Lenker Deutschlands zu präsentieren, während seine Umfragewerte weiter abrutschen und die AfD sogar im »Deutschlandtrend« erstmals gleichauf mit der Union liegt.

»Deutschlandtrend | ARD Tagesschau«

In einer Zeit, in der die Wirtschaftskrise eskaliert und allein in der Automobilbranche seit Sommer 2024 »mehr als 50.000 Stellen abgebaut« wurden, wich Merz geschickt den drängenden Problemen aus und konzentrierte sich stattdessen auf vage Visionen, die eher an Wunschdenken erinnern als an handfeste Politik.

„Bedrohungen aus der Luft“

Zu Beginn der Sendung ging es um die jüngsten »Drohnensichtungen«, die den Münchner Flughafen mehrfach lahmlegten und deren mediale Ausschlachtung das Land in Aufruhr versetzte. Merz erklärte dazu, ohne Belege vorzulegen:

„Unsere Vermutung ist, dass Russland hinter den meisten dieser Drohnenflüge steckt.“

»Friedrich Merz | Miosga«

Er sprach von einem „Test“ Putins und äußerte, dass Deutschland in der Vergangenheit Warnsignale übersehen habe. Gleichwohl wies er den Vorwurf mangelnder Vorbereitung zurück:

„Wir werden nicht kalt erwischt. Es ist einfach in dieser Massivität erst in den letzten Wochen aufgetreten.“

»Friedrich Merz | Miosga«

Der Polizei fehle es an Instrumenten, um effektiv zu reagieren, und es gebe Techniken weltweit, die Abwehr ermöglichen, die Deutschland nun brauche, betonte er. Mit besonnener Haltung versprach er Maßnahmen, doch offen bleibt, warum diese Techniken noch immer fehlen.

Verteidigungspflicht für alle: Merz‘ Vision vom Zwangsdienst

Der Übergang zur Debatte über die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands führte Merz nahtlos zu seinem Plädoyer für einen universellen Pflichtdienst, der die gesamte Jugend einbeziehen soll, einschließlich Frauen in einem sozialen Pflichtjahr.

„Ich vermute, es wird bei Freiwilligkeit allein nicht bleiben.“

»Friedrich Merz | Miosga«

Zwar wolle er das mit der SPD zunächst freiwillig umsetzen, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, doch er sei skeptisch, ob das ausreiche, um genügend Personal für die Bundeswehr zu gewinnen. Seine Meinung sei „dass wir den Wehrdienst wieder brauchen“.

Die »Verschiebung der Bundestagsdebatte« über den Gesetzentwurf zum neuen Wehrdienst, ursprünglich für den 9. Oktober geplant und nun um eine Woche verschoben, sei eine gemeinsame Entscheidung der Fraktionen von Union und SPD und nicht allein die Schuld der CDU/CSU, wie Verteidigungsminister Boris Pistorius behauptet habe. Es könne sein, dass er die internen Vorgänge im Parlament nicht so mitbekommen habe, bemerkte Merz spitz. Für eine Grundgesetzänderung zur Einführung des Pflichtjahrs brauche es eine Zwei-Drittel-Mehrheit, doch Merz schwieg zu den Dilemmata, da Kooperationen mit Linkspartei oder AfD ausgeschlossen sind.

Von Bürgergeld zu Grundsicherung

Beim Bürgergeld kündigte Merz eine Umbenennung in „Grundsicherung“ an, um eine Signalwirkung zu erzeugen: Es handle sich nicht um eine Lohnersatzleistung auf Dauer, sondern um ein System mit strengeren Regeln gegen Missbrauch und stärkeren Anreizen für die Rückkehr in den Arbeitsmarkt. Wenn 100.000 Menschen aus dem Bürgergeld zurück in den Arbeitsmarkt geholt werden würden, spare das bis zu 1,5 Milliarden Euro, und bei mehr als 300.000 könnten es fünf Milliarden werden, rechnete er vor.

Die Einigung mit der SPD stehe kurz bevor. In Bezug auf Rente, Altersvorsorge, Gesundheit und Pflege warnte Merz vor höheren Ausgaben:

»Gr@ntlɘr | 𝕏«

Er sei Befürworter eines Pflichtbeitrags in eine private kapitalgedeckte Altersvorsorge und wolle die Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung bis Anfang der 2030er Jahre stabil halten, unterstützt durch Zuweisungen aus dem Bundeshaushalt.

„Ich bin persönlich ein Befürworter eines Pflichtbeitrages in eine private kapitalgedeckte Altersversorgung.“

»Friedrich Merz | Miosga«

Reformvorschläge sollen im Herbst 2026 vorliegen, da die Haltelinie bis 2031 reiche, danach aber Probleme begännen. Mit der sogenannten »Aktivrente« solle ab nächstem Jahr freiwillig längeres Arbeiten gefördert werden, wobei die ersten 2.000 Euro steuerfrei blieben, um den demografischen Wandel und den Arbeitskräftemangel zu bekämpfen. Er könne sich vorstellen, dass die Bürger mit 70 Lebensjahren noch arbeiten.

»Doktor Dementi | 𝕏«

Zur Pflegeversicherung räumte er Einsparungen ein:

„Wir müssen bei der Pflegeversicherung sparen. Und zwar relativ kurzfristig, weil wir die Beiträge nicht erhöhen wollen zum 1. Januar. Und deswegen diskutieren wir über alle Optionen.“

»Friedrich Merz | Miosga«

Ob der Pflegegrad 1 abgeschafft werde, verneinte er zunächst. So einen Vorschlag gebe es nicht, aber Sekunden später ruderte er zurück. Dass Deutschland 11,8 Milliarden Euro für Klima ins Ausland überweist, während die Pflegestufe 1 nur 1,8 Milliarden kostet, blieb unkommentiert.

»Dr. David Lütke | 𝕏«

Reformen im Schneckentempo

Merz hatte im Sommer den „Herbst der Reformen“ ausgerufen. Am 17.09.2025 verkündete er noch großspurig:

„Dieser sogenannte Herbst der Reformen, er ist längst eingeleitet.”

»Friedrich Merz | Generaldebatte im Bundestag«

Doch in der Sendung gab er zu, noch nicht liefern zu können, und schob die Verantwortung auf die Koalition. Er betonte, er sei nicht allein in der Regierung, und erklärte, die CDU/CSU hätte mit einer absoluten Mehrheit anders handeln können – womit er die Verzögerungen der SPD anlastete.

„Ja, ich hätte mir auch mehr erwartet in den ersten Wochen und Monaten. […] Wir sind doch nicht allein in dieser Regierung. […] Wenn die CDU/CSU die absolute Mehrheit bekommen hätte…“

»Friedrich Merz | Miosga«

Im Herbst nächsten Jahres würden Reformvorschläge zur Rente auf dem Tisch liegen. Die Modernisierungsagenda umfasse Bürokratieabbau und Digitalisierung, wobei Minister Karsten Wildberger in wenigen Monaten bereits »40 Seiten dazu verfasst« habe. Zur Wirtschaft verkündete Merz Optimismus:

„Man sieht es vielleicht noch nicht auf den ersten Blick, aber wir haben den Trend umgekehrt, dass die Investitionen nicht mehr aus Deutschland herausgehen, sondern nach Deutschland zurückkommen.“

»Friedrich Merz | Miosga«

Randthemen wie die EU-Chat-Kontrolle oder vegane Würste („Eine Wurst ist nicht vegan“) wurden angesprochen, während Migrantengewalt, Messerattentate, Gruppenvergewaltigungen, Energiepreise, Arbeitslosenzahlen, Milliarden für Umwelthilfe und NGO Projekte ignoriert blieben. Zum 35. Jahrestag der Deutschen Einheit »pries er in seiner Rede« den gesellschaftlichen Zusammenhalt als sein Werk, dem nur noch die bessere Stimmung fehle.

„Erinnern wir uns, wie viel Kraft ein positiver Geist freisetzen kann und wie viel Energie verschwendet und vergeudet wird durch Pessimismus und Lamoyanz.“

»Friedrich Merz | Tag der Deutschen Einheit | phoenix YouTube«

Die emotionale Fassade

Persönliche Momente prägten den Abend, als Miosga Merz‘ tränenreichen Auftritt bei der Eröffnung der Münchner Synagoge Reichenbachstraße ansprach, wo er sichtlich bewegt war:

„Das sind Augenblicke, die sind einfach da in so einer Rede. […] Ich bin da an dieser Stelle auch sehr empfindlich, gerade, wenn es um Kinder geht. Und ich möchte, dass unser Land ein Land ist und bleibt, in dem Kinder, auch jüdische Kinder, ohne Gefahren leben und groß werden können.“

»Friedrich Merz | Miosga«

Seine Familiengeschichte sei geprägt von Verstrickung, Wiedergutmachung und Aufarbeitung. Er wies etwa Forderungen nach einem Ausschluss Israels vom nächsten Eurovision Song Contest zurück und bezeichnete ein solches Vorgehen als „Skandal“. Sollte es dennoch dazu kommen, so betonte der Kanzler, müsse Deutschland konsequent reagieren und selbst auf eine Teilnahme verzichten.

„Das würde ich befürworten. Ich halte es für einen Skandal, dass darüber überhaupt diskutiert wird. Israel gehört dazu.“

»Friedrich Merz | Miosga«

Den Trump-Friedensplan für Gaza unterstütze er und habe mit Netanjahu und Trump telefoniert. Deutschland werde beim Wiederaufbau vorne mithelfen, um den Hunger zu beenden. Zur Staatsräson sagte er, obwohl er im Juni noch gegenteilig gesprochen hatte, plötzlich Folgendes:

„Staatsräson hat man in der Regel für das eigene Land und nicht für andere.“

»Friedrich Merz | Miosga«

Die Solidarität mit Israel stehe nie infrage, doch die israelische Armee sei zu weit gegangen, und die Regierung wolle keine Zwei-Staaten-Lösung. Innerparteilich stand er unter Druck, da Kritik an seiner Ankündigung, Rüstungsexporte nach Israel zu stoppen, als Ende der Staatsräson gewertet wurde.

Der Kontrast zur Bürgerlast

Während sich Friedrich Merz in der ARD-Sendung als standhafter Krisenmanager inszenierte, offenbarte sich vor allem ein Kanzler, der mehr ankündigt als liefert. Seine Visionen von Pflichtdienst, Reformen und Eigenverantwortung bleiben vage, während konkrete Entlastungen für Bürger ausbleiben. Statt greifbarer Ergebnisse dominieren Beschwichtigungen und Schuldzuweisungen an die Koalition.

Merz spricht vom „Herbst der Reformen“ und kündigt Vorschläge erst für das kommende Jahr an, ein Eingeständnis der politischen Stagnation. Zugleich verlangt er den Menschen mehr Arbeit, Verzicht und Geduld ab, während sich Regierung und Spitzenbeamte »satte Gehaltserhöhungen genehmigen«.

„Bundespräsident, Kanzler und Minister dürfen sich auf satte Gehaltserhöhungen einstellen. Ihre Bezüge sollen um 5,8 Prozent steigen!“

»BILD«

Wenn Merz verkündet, er arbeite dafür, dass man in zehn Jahren sagen werde, es habe „in Deutschland einen Bundeskanzler gegeben, der dieses Land so geführt hat, dass wir aus dieser schwierigen Zeit gut herausgekommen sind“, wirkt seine Selbstlobhymne wie blanker Hohn angesichts ungelöster Krisen und wachsender Belastungen für die Bevölkerung.

»Friedrich Merz | 𝕏«

So bleibt am Ende vor allem der Eindruck eines Kanzlers, der vom Aufbruch spricht, während die Bürger längst den Preis für seine Versäumnisse zahlen.





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Janine Beicht

Janine Beicht ist gelernte Kommunikationsdesignerin, arbeitet aber seit 2020 im Gesundheits- und Sozialwesen. Als Aktivistin engagiert sie sich besonders auf dem Gebiet der Psychologie unter dem Aspekt der jeweiligen politischen Machtinteressen.

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