Die schwarz-rote Koalition aus CDU, CSU und SPD prahlte im Koalitionsvertrag damit, freiwillige Bundesaufnahmeprogramme soweit wie möglich zu beenden, explizit Afghanistan als Beispiel genannt, und keine neuen Programme aufzulegen.

Diese Ankündigung erweist sich nun als hohle Phrase, weil Gerichte die Regierung zwingen, Afghanen trotz offiziellem Stopp im Mai einzufliegen. Die Taliban übernahmen im August 2021 die Macht in Afghanistan, seither häufen sich schwere Menschenrechtsverletzungen, besonders gegen Frauen. Dennoch ignoriert die Regierung ihre eigenen Worte, um Klagen zu umgehen, die »von Organisationen wie Kabul Luftbrücke unterstützt« werden.
Dritte Flugladung trotz Programmstopp
Zum dritten Mal seit dem Regierungswechsel starten Afghanen mit Aufnahmezusage von Islamabad aus per Linienflug mit Zwischenstopp in Istanbul nach Deutschland, wo sie in Hannover landen und auf die Bundesländer verteilt werden.
„Wie ein Journalist der Deutschen Presse-Agentur am Flughafen in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad erfuhr, werden sie an Bord einer Linienmaschine mit einem Zwischenstopp in Istanbul in die Bundesrepublik geflogen.“
»Deutschlandfunk«
»Bereits zweimal zuvor« nutzten Gruppen denselben Weg. Das Bundesinnenministerium beharrt darauf, dass alle Einreisenden ein Verfahren mit Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen. Doch ein »Bericht von Cicero« deckte im Februar 2023 Unstimmigkeiten über gefälschte Pässe und Identitäten auf. Diese Enthüllungen führten zu staatsanwaltlichen Ermittlungen wegen des Verdachts auf illegale Visa-Ausstellung und erschütterten das öffentliche Vertrauen.

Die Programme umfassten ursprünglich Ortskräfte deutscher Institutionen, Journalisten, Anwälte, Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger, die Taliban-Verfolgung fürchten. Die Visa für eine Ausreise nach Deutschland erlangen Betroffene trotz des Einreisestopps, durch deutsche Klagen.
1910 Wartende in Pakistan
Rund 1910 bis 2200 Menschen mit Aufnahmezusage oder Aufnahmeerklärung verharren derzeit in Pakistan aus, darunter »laut WeLT« nur knapp 220 ehemalige Ortskräfte, etwa 60 von der Menschenrechtsliste, knapp 600 aus dem Überbrückungsprogramm und etwa 1030 aus dem Bundesaufnahmeprogramm.
„In Pakistan wartet derzeit noch viele Menschen – das Innenministerium spricht von rund 1910, das Außenministerium von rund 2200 Personen. Wie die Differenz zustande kommt, ist unklar. Womöglich zieht das Innenressort Fälle mit widerrufener Aufnahmezusage ab, die dem Auswärtigen Amt noch nicht bekannt sind.“
»FOCUS«
Viele Familien warten Monate oder Jahre in Islamabad. »Pakistan treibt einen harten Abschiebekurs« und droht mit Rückführung nach Afghanistan, wo möglicherweise Folter oder Tod drohen. Das Auswärtige Amt holte deswegen teilweise Abgeschobene zurück, doch in der vergangene Woche verblieben noch 230 in Afghanistan.
Ministerduell um Tempo und Verzögerung
»FOCUS berichtet«, Innenminister Alexander Dobrindt setze auf Verzögerungstaktik, indem Sicherheitsinterviews schleppend geführt, Flüge gestoppt und Gerichtsfristen ausgereizt werden, um Widerrufe zu prüfen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verstärkte personell die Abteilung. Außenminister Johann Wadephul (CDU) drängt hingegen auf zügige Abwicklung, verhandelte mit Pakistan eine Frist bis Jahresende, betonte, alle Behörden müssten mitarbeiten, damit Helfer sich auf Deutschland verlassen können. »Wadephul hingegen sicherte dem pakistanischen Kollegen zu«, bis Dezember Verfahren durchzuführen, sah ausreichend Zeit.
[Ich habe mit] „pakistanischen Kollegen darüber gesprochen, dass wir aus seiner Sicht Zeit haben, bis zum Jahresende diese Verfahren durchzuführen. […] Ich halte das für einen ausreichenden Zeitraum. Aber es ist auch ein Zeitraum, den jetzt alle deutschen Behörden nutzen müssen, damit die Menschen, die uns in vielen Situationen geholfen haben, auch wissen, sie können sich auf die Bundesrepublik Deutschland verlassen“
»Johann Wadephul | Handelsblatt«
Das Innenministerium plant den Abschluss aller Verfahren bis Ende 2025, doch das Auswärtige Amt verweist auf Dobrindts Zuständigkeit.
Zeitplan wackelt bei kleinsten Hürden
Sicherheitsinterviews »starteten seit September wieder«, pro Woche in einem hohem zweistelligen Bereich. Bei geschätzten 800 offenen Fällen dauert das grob zehn Wochen, Weihnachtspause dünnt Personal aus.
„Bei allen Zahlen gibt es viele Unsicherheiten, grob lässt sich aber eine Rechnung anstellen: Wenn es pro Woche 80 Interviews gibt und noch rund 800 geführt werden müssen, würde die Sicherheitsprüfung noch zehn Wochen dauern.“
»FOCUS«
Erfolgreiche Interviews garantieren keine sofortige Einreise, nur Gerichtsurteile erzwingen Flüge, wie bei »der Gruppe im September«. Bis Jahresende alle Ausflüge zu schaffen, erfordert möglicherweise Charterflüge statt Linienmaschinen. Verzögerungen kosten Unterkünfte durch die Deutsche »Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit«. Der Haushalt 2026 plant wahrscheinlich keine Mittel, Grüne fordern eine Übertragung.
Humanitäre Pflicht als Türöffner für Migration
Die fortlaufende Aufnahme afghanischer Ortskräfte zeigt, wie schnell humanitäre Argumente zum Instrument für eine erweiterte Zuwanderung werden. Offiziell gestoppte Programme werden de facto fortgeführt, während bürokratische Hürden und Ressortstreit die Umsetzung verschleiern – ein System, das humanitäre Pflicht mit politischem Opportunismus verknüpft.