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Ein Spiel um Gehorsam und Zufall
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Die Hungerspiele der Macht: Wie Deutschlands Wehrpflichtdebatte zur dystopischen Farce wird

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Interview polnischer Historiker
Anwaltliche Intelligenz
Alarm in der Nachtstadt
Milliarden fließen in Kasernen, während Bildung und Kultur schrumpfen. Die jungen „Tribute“ stehen zwischen Pflicht und Widerstand, während die Mächtigen unbeirrt ihre Strategie verfolgen.
Zusammengefasst

In einer Zeit, in der politische Eliten ihre Bürger wie Spielfiguren auf einem Schachbrett behandeln, erinnert die aktuelle Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland an eine düstere Neuauflage der „Tribute von Panem“. Die schwarz-rote Koalition aus CDU/CSU und SPD liefert sich einen öffentlichen Schlagabtausch, der nicht nur Chaos und Inkompetenz offenlegt, sondern auch die Frage aufwirft, ob die Herrschenden überhaupt noch wissen, was sie tun. Im Zentrum des Streits steht ein geplantes Losverfahren, das junge Männer per Zufall in die Musterung und potenziell in den Wehrdienst zwingen soll. Die Parallelen zu Suzanne Collins’ dystopischem Werk, in dem Jugendliche per Los für ein tödliches Spektakel ausgewählt werden, sind frappierend und alarmierend.

Ein Minister gegen die eigene Koalition: Pistorius’ Machtkampf

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) versetzt die schwarz-rote Koalition in Rage. Norbert Röttgen, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, wettert gegenüber der »Süddeutschen Zeitung (SZ)«:

„Ich habe es in über 30 Jahren Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag noch nie erlebt, dass ein Bundesminister in seinem eigenen Verantwortungsbereich ein wichtiges Gesetzgebungsverfahren frontal torpediert und die eigene Fraktion ins Chaos stürzt.“

»Norbert Röttgen | SZ«

Der Vorwurf offenbart die tiefe Spaltung: Pistorius habe in der SPD-Fraktionssitzung mit aller Macht gegen einen mühsam ausgehandelten Kompromiss mobil gemacht, der junge Männer per Zufallsprinzip für die Musterung auswählen sollte, ein Plan, der die Bürger wie entbehrliche Figuren in einem dystopischen Machtspiel behandelt.

Gegenüber dem TAGESSPIEGEL bemühte sich Pistorius um sachliche Rechtfertigung und ließ erkennen, dass er die Streichung der flächendeckenden Musterungen ab 2027 ebenso wie die vorgesehene Werbepflicht für ausgeloste Rekruten für überflüssig und zeitraubend hält.

„Ich torpediere nicht, und ich bin auch nicht destruktiv. […] Ich habe nur gewisse Schwierigkeiten damit, dass zwei elementare Stellen meines Gesetzentwurfs geändert werden, bevor dieser überhaupt offiziell in den Bundestag eingebracht worden ist. […] Wir verlieren zudem viel Zeit, wenn die Truppe bei allen zur Musterung ausgelosten jungen Männern noch einmal aktiv für sich werben soll.“

»Boris Pistorius | TAGESSPIEGEL«

Seine kompromisslose Blockade des Vorschlags, den SPD- und CDU/CSU-Verteidigungsexperten wie Siemtje Möller, Falko Droßmann, Norbert Röttgen und Thomas Erndl erarbeitet hatten, ließ eine geplante Pressekonferenz am Dienstag in einem Chaos enden. Journalisten standen vor verschlossenen Türen, während die Koalition hinter den Kulissen implodierte.

Losverfahren: Die Hungerspiele der Bundeswehr

Das Herzstück des Streits ist das zuvor erwähnte Losverfahren, das tatsächlich an die grausame Lotterie in Panem erinnert. Alle 18-jährigen Männer sollen einen Fragebogen zur Wehrtüchtigkeit ausfüllen. Freiwillige werden zur Musterung eingeladen, doch bei zu wenigen Freiwilligen soll ein Zufallsverfahren entscheiden, wer zusätzlich gemustert wird. Der tatsächliche Wehrdienst soll zunächst freiwillig bleiben, doch die Union drängt auf einen verpflichtenden Mechanismus, der dauerhaft Personal sichert. Jens Spahn, CDU/CSU-Fraktionschef, verteidigte das Modell:

„Da scheint mir das vorgeschlagene Verfahren das fairstdenkbare. Ich habe jedenfalls noch keinen faireren Vorschlag gehört.“

»Jens Spahn | Handelsblatt«

Der Vorschlag stößt allerdings auf deutliche Ablehnung. Die Grünen bezeichnen das Verfahren als „völlig undurchdacht“ und „absolut willkürlich“, während Linksfraktionschef Sören Pellmann es unmissverständlich beim Namen nennt: eine „Lotto-Wehrpflicht“, die eher an dystopische Planspiele aus den Tributen von Panem erinnere.

»Die Linke im Bundestag | 𝕏«

Auch die AfD zeigt sich gespalten: Parteichefin »Alice Weidel bezeichnete das Vorhaben als schwachsinnig«, während »interne Konflikte« die Fraktion daran hindern, eine einheitliche Position zu formulieren. Die Idee, das Schicksal junger Menschen per Los zu bestimmen, wirkt wie eine zynische Machtdemonstration, die die Bürger als entbehrlich betrachtet.

Aufrüstung um jeden Preis: Die Zeitenwende der Herrschenden

Diese Debatte offenbart eine tiefere Agenda, und zwar die Militarisierung Deutschlands als Antwort auf geopolitische Spannungen. Die Bundeswehr »soll um 80.000 Soldaten« aufgestockt werden, »doch die Freiwilligenzahlen« bleiben hinter den Erwartungen zurück. Aktuell dienen etwa »180.000 Soldaten« und damit 20.000 weniger als geplant. Um das Ziel zu erreichen, setzt die Koalition auf Werbekampagnen, die den Wehrdienst als Abenteuer vermarkten. Kriegstüchtigkeit wird als erstrebenswertes Ziel für unsere Generation ausgegeben. Die Bundeswehr präsentiert sich selbst als coolen Ort der Selbstverwirklichung, während sie in Wirklichkeit wirtschaftliche und geopolitische Interessen der Eliten verfolgt.

»Janine Beicht | 𝕏«

Die Koalition plant »ein vierstufiges Modell«: Zunächst setzt man auf Freiwilligkeit und Werbeerfassung. Bei Misserfolg greift das Losverfahren für Musterungen, gefolgt von einer „Bedarfswehrpflicht“, die per Zufall Soldaten einzieht. Im Verteidigungsfall wäre eine allgemeine Wehrpflicht mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag möglich. Der Staatsrechtsprofessor Udo Di Fabio bestätigt in einem Gutachten, dass sowohl die Bedarfswehrpflicht als auch das Losverfahren verfassungskonform seien, da die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr einen hohen verfassungsrechtlichen Rang habe.

„Ex-Verfassungsrichter Udo Di Fabio hält in einem Gutachten für die Bundestagsfraktion der CDU/CSU die Auswahl der Wehrpflichtigen durch ein Losverfahren für vereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Wehrgerechtigkeit. Innerhalb eines Losverfahrens habe jeder Auswahlbeteiligte die gleichen Chancen. Zufall bedeute keine Willkür, die fremden Interessen und Wünschen folge. Vielmehr sei der Zufall ‚eine Auswahlgrundlage’, die sich ‚nahezu objektiv einer Beeinflussung durch äußere Steuerungsmechanismen oder innere Zusammenhänge entzieht.’“

»LTO«

Doch die rethorische Frage bleibt: Wessen Interessen werden hier eigentlich wirklich verteidigt? Die der Bürger oder die der globalen Machtblöcke?

Die Jugend als Bauernopfer: Widerstand gegen die Kriegslogik

Die Pläne stoßen selbstverständlich auch bei der jungen Generation auf massiven Widerstand. Während ältere Wähler und CDU-Anhänger die Wehrpflicht unterstützen, »lehnt die Mehrheit der 18- bis 29-Jährigen sie ab«. Für viele junge Menschen wirkt das Ganze wie ein unfreiwilliges Spiel. Man soll antreten und hofft, nicht im militärischen Labyrinth unterzugehen. Die Bundeswehr kämpft nicht nur mit fehlenden Freiwilligen, sondern auch mit infrastrukturellen Mängeln: Es fehlt an Kasernen und Ausbildern. Pistorius kündigte in diesem Zusammenhang einen »Kasernenbau vom Fließband« an.

„Ohne entsprechende Infrastruktur kann es keinen personellen und materiellen Aufwuchs der Streitkräfte geben. Im vergangenen Jahr hat das BMVgBundesministerium der Verteidigung daher das Gesamtbauvolumen des militärischen Bundesbaus um mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro gesteigert. Dieser positive Trend soll gemeinsam fortgesetzt werden. Der militärische Bundesbau soll weiter beschleunigt, das Bauvolumen gesteigert und die Expertise gebündelt werden.“

»Bundesministerium der Verteidigung«

Gleichzeitig werden Milliarden aus Bildung, Kultur und Sozialem gestrichen, während die Polizei gegen Proteste vorgeht, etwa bei »Demonstrationen gegen Waffenproduktion in Berlin«. Für die jungen „Tribute“ von heute heißt das: Sie werden gezwungen, zwischen Pflicht und Protest, zwischen Gehorsam und Widerstand zu wählen – während die Mächtigen unbeirrt ihren Kurs durchsetzen. Diese Repression zeigt, wie weit die Herrschenden gehen, um ihre Pläne ohne echte Debatte durchzudrücken.

Wenn die Politik mit unserer Zukunft pokert

Die Absurdität dieser politischen Manöver erinnert an die Hungerspiele, wo die Mächtigen die Regeln nach Belieben ändern. Während die Koalition sich in internen Machtkämpfen verliert, bleibt die Zukunft junger Menschen ein Spielball politischer Interessen. Die Bürger, insbesondere die Jugend, müssen sich fragen: Wollen wir uns dieser Logik beugen, die uns als entbehrliche Figuren in einem globalen Machtspiel sieht? Der Widerstand, sei es an Schulen, Universitäten oder Arbeitsplätzen, ist nicht nur notwendig, sondern dringend geboten, um die dystopische Vision einer „Lotto-Wehrpflicht“ zu verhindern.

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Janine Beicht

Janine Beicht ist gelernte Kommunikationsdesignerin, arbeitet aber seit 2020 im Gesundheits- und Sozialwesen. Als Aktivistin engagiert sie sich besonders auf dem Gebiet der Psychologie unter dem Aspekt der jeweiligen politischen Machtinteressen.

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