Angriff auf Touristen in Kaschmir
Bei einem Anschlag am 22. April 2025 im indischen Teil Kaschmirs im beliebten Urlaubsort Pahalgam wurden 26 Personen getötet und mehr als 20 verletzt. Während die deutsche Version von Wikipedia noch keinen gesonderten Eintrag zu diesem Anschlag aufweist, diskutiert die englische Version, ob sie den Titel von »„2025 Pahalgam attack“« zu „2025 Pahalgam massacre“ ändern sollen. Der Angriff gilt als der schwerste seit den Anschlägen in Mumbai 2008.
Der Anschlag ereignete sich auf einer breiten Wiese, die nur zu Fuß oder mit dem Pony erreicht werden kann. Ein Augenzeuge berichtet von »„etwa tausend Menschen“«, die durch die schmalen Zugänge zu der Wiese zu fliehen und sich in alle Richtungen zu retten versuchten. Mehrere bewaffnete Terroristen in Tarnanzügen griffen von verschiedenen Seiten an und töteten gezielt nichtmuslimische Männer, männliche Hindus und Christen. Der Augenzeuge »erzählt unter Schock«: „Die Terroristen fragten nach dem Namen und der Religion der männlichen Touristen und schossen aus nächster Nähe auf sie.“
Der Leiter der örtlichen Ponywallas »berichtet«, dass sie Verletzte auf Ponys und improvisierten Tragen zur Versorgung brachten. Ein Walla, der selbst aufgrund seiner Religion nicht Ziel der Angriffe war, »ließ sogar sein Leben« bei dem Versuch, die Touristen zu schützen.
Zu dem Anschlag bekannte sich die Rebellengruppe »The Resistance Front (TRF)«, die von den Vereinten Nationen als Terrorgruppe ausgewiesen und für Tötungen von Zivilisten, Mitgliedern religiöser Minderheiten, lokaler Politiker und Touristen verantwortlich ist. Die TRF nannte als Grund für den Angriff die Ansiedlung von Nicht-Kaschmiren im Kaschmir-Tal, was einem demographischen Wandel Vorschub leiste.
„Eine wenig bekannte militante Gruppe namens ,Kashmir Resistance´ bekannte sich in einer Social-Media-Botschaft zu dem Anschlag. Sie drückte ihre Unzufriedenheit darüber aus, dass über 85 000 ,Außenseiter´ in der Region angesiedelt worden waren, was einen demographischen Wandel anstachele. ,Folglich wird sich Gewalt direkt gegen diejenigen richten, die versuchen, sich illegal niederzulassen´, hieß es.“
»CNBC«
Während Indien dieser Terrorgruppe mögliche Verbindungen zu Pakistan unterstellt, wies Islamabad eine Beteiligung zurück.
Hintergrund der seit Jahrzehnten schwelenden Konflikte
Den Staat »Pakistan« gibt es seit 1947, er entstand aus den überwiegend muslimischen Teilen von Britisch-Indien. Der indische Kampf um die Unabhängigkeit von der britischen Krone führte nicht zu einem einheitlichen Staat. Der Chef der indischen Kongresspartei, Jawaharlal Nehru, und der Anführer der Muslim-Liga, Muhammad Ali Jinnah, konnten sich nicht einigen, Jinnah forderte einen eigenen Staat. Dieser Forderung nach einer Aufteilung stimmte der britische Vizekönig Lord Mountbatten zu. Es wurde die Regelung getroffen, dass Gebiete mit muslimischer Mehrheit zu dem neuen Staat Pakistan gehören sollten, der Rest zu Indien. Gemischte Gebiete wie das ehemalige Königreich Punjab wurden einfach geteilt. Diese Teilung löste eine riesige Fluchtwelle aus, im Zuge derer wohl bis zu »750 000 Menschen« durch Gewalt und Strapazen ihr Leben verloren. Michael Mann spricht davon, dass ein „weltweit nie da gewesener Bevölkerungsaustausch“ stattgefunden habe:
„Der Grenzverlauf der neuen Staaten wurde schließlich erst einen Tag nach der offiziellen Unabhängigkeit bekannt gegeben. Juristisch hatten sich die Briten damit der Verantwortung entzogen, moralisch freilich nicht, die Folgen waren verheerend. Dorfgemeinschaften und Familien wurden auseinandergerissen (…) Zwischen 1947 und 1950 wanderten nach Schätzungen mehr als 10 Millionen Menschen über die neuen Grenzen – ein weltweit nie da gewesener Bevölkerungsaustausch.“
Michael Mann / »Bundeszentrale für Politische Bildung«
Die Zugehörigkeit des ehemaligen Fürstenstaates Kaschmir ist bis heute umstritten. 1947 gab es zwar mehr Muslime in Kaschmir, der Maharaja, selbst ein Hindu, entschloss sich aber, sein Fürstentum in den indischen Staat einzugliedern. Als Folge kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen, die zu der Situation führten, dass beide Staaten bis heute das ganze Gebiet für sich beanspruchen.
Diese auf dem Reißbrett vorgenommene Trennung in Indien und Pakistan begründete die ewige Feindschaft zwischen den beiden Staaten. »Silke Dietrich und Jürgen Webermann« formulieren es so: „Ein Strich aus der Landkarte besiegelte 1947 das Schicksal von Millionen (…) So endete der Freiheitskampf Mahatma Gandhis in Gewalt, Tod und Vertreibung.“ Wie undurchdacht die übereilte Entscheidung war, zeigt sich daran, dass Pakistan sich aus West- und Ostpakistan zusammensetzte, die über 1000 Kilometer voneinander entfernt lagen, das eine im Nordwesten des Staates Indien, das andere an der Küste im Westen.
Pakistans Geschichte wurde im Wesentlichen von Militärdiktaturen bestimmt, die immer wieder von kurzen demokratischen Phasen unterbrochen wurden. 1956 rief Pakistan sich zur ersten Islamischen Republik der Welt aus. Es ist bis heute von mangelnder innenpolitischer Stabilität geprägt.
„Ethnisch-religiöse Konflikte, Terrorismus, Autoritarismus, Menschenrechtsverletzungen und Korruption sind Probleme des Landes. Als besonders gravierend gilt die Diskriminierung von Frauen und religiösen Minderheiten.“
»Wikipedia, Pakistan«
Außenpolitisch war die Zeit nach der Unabhängigkeit vor allem durch kürzere kriegerische Auseinandersetzungen mit Indien geprägt. Der »Erste Indisch-Pakistanische Krieg (Erste Kaschmirkrieg)« 1947 endete mit der De-facto-Zweiteilung Kaschmirs, der »Zweite Indisch-Pakistanische Krieg (Zweiter Kaschmirkrieg)« 1965 brachte keine Veränderungen. Im »Dritten Indisch-Pakistanischen Krieg (Bangladesch-Krieg)« 1971 verlor Pakistan Ost-Pakistan, dann Bangladesch. Das Gebiet Ost-Pakistan bestand zur Hälfte aus Bengalen, die aber kulturell, ökonomisch und politisch unterdrückt wurden. Als im März 1971 die oppositionelle ostpakistanische Awami-Liga siegte, weigerte sich die vorherige Regierung, den Sieg anzuerkennen und die Regierungsgeschäfte zu übergeben. Die Awami-Liga rief daraufhin zum zivilen Ungehorsam auf, was zum Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung führte. Indien unterstützte die Unabhängigkeitsbewegung des ausgerufenen Staates „Bangladesh“ und griff, als der Flüchtlingsstrom auf bis zu zehn Millionen Menschen wuchs, direkt ein. Pakistan bombardierte mit seiner Luftwaffe indische Ziele und versenkte mit einem U-Boot eine indische Fregatte. Der Krieg endete mit einer Kapitulation Westpakistans in Ostpakistan (seitdem Bangladesch) und einem Waffenstillstand mit Indien.
Verschärfte Lage aufgrund des jüngsten Terrors
Als Reaktion auf den Terroranschlag rüsten beide Seiten verbal auf und haben Maßnahmen ergriffen. Indiens Premierminister Narendra Modi äußerte in einer kämpferisch-aggressiven Rede, Indien werde die Terroristen bis zum Ende der Welt verfolgen.
“India will identify, track, and punish every terrorist and their backers. We will pursue them to the ends of the earth. The spirit of India will never be broken by terrorism. Terrorism will not go unpunished.”
— Nationalist Mumbaikar 🇮🇳™ (@Ayush_Shah_25) April 24, 2025
~ PRIME MINISTER NARENDRA MODI 🔥🔥🔥 pic.twitter.com/b2ge2RDwwa
Infolge des Terroraktes kam es zu einem »Schusswechsel« zwischen indischen und pakistanischen Soldaten entlang der »„Line of Control“«, einer 740 km langen Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Außerdem ordnete das Außenministerium Indiens die Ausweisung aller pakistanischen Staatsbürger bis zum 29. April an und ließ den Hauptgrenzübergang schließen. Weiterhin setzte die Regierung in Neu-Delhi den Vertrag über die Nutzung der Wasserressourcen aus, was große Auswirkungen auf die Stabilität in der Region haben kann.
Ein Streitpunkt zwischen Indien und Pakistan blieb die Wassernutzung des Flusses Indus, eine Frage, die 1947 durch die Teilung der ehemaligen britisch-indischen Provinz Punjab (persisch: „Fünfstromland“) entstanden war. Der Indus entspringt in der chinesischen Region Tibet, fließt durch Kaschmir (dort zunächst durch den indischen, dann durch den pakistanischen Teil), durchquert den Punjab und fließt durch Pakistan ins Arabische Meer. 1960 wurde die Wassernutzung des Indus und seiner Nebenflüsse durch den »Indus-Wasservertrag« geregelt. Pakistan wurde das fast alleinige Nutzungsrecht für die drei westlichen und besonders wasserreichen Flüsse Indus, Jhelam und Chenab zugesprochen, während Indien die Nutzung der drei östlichen Flüsse Ravi, Beas und Satluj zugesprochen wurde.
Zunächst hieß es, dass Indien als Reaktion auf die Terrorattacke die Schleusentore des Indus Richtung Pakistan komplett geschlossen habe, was gravierende Auswirkungen auf Pakistans Landwirtschaft und Wasserkraftwerke haben würde.
India has stopped the flow of Indus River water to Pakistan
— Indo-Pacific News – Geo-Politics & Defense (@IndoPac_Info) April 24, 2025
In a government-released video today, officials confirmed that all four sluice gates feeding Indus River water from India into Pakistan, via four dams and their corresponding canals, have been shut.
Impact on Pakistan:… pic.twitter.com/5Cjwsm6aAB
Doch ein komplettes Abschneiden des Indus »scheint nicht möglich«, höchstens eine Drosselung des Weiterfließens, da Indien gar nicht die Kapazitäten hat, das ganze zurückgehaltene Wasser in Staubecken zu speichern.
Pakistan reagierte seinerseits und erklärte, es werde Versuche Indiens, die pakistanischen Wasserressourcen zu gefährden, als »„Kriegsakt“« werten. Es wies indische Diplomaten aus und kündigte die Aussetzung des Handels an. Außerdem kündigte es die Aussetzung des »Simla-Abkommens (auch Shimla-)« an. In diesem Friedensvertrag hatten sich Pakistan und Indien auf die „Line of Control“ als Waffenstillstandslinie in Kaschmir geeinigt und darauf, die Differenzen auf friedlichem Wege beizulegen, ohne jegliche Intervention Dritter.
Führer aus allen Teilen der Welt haben den terroristischen Angriff eindeutig verurteilt. Auch die Vereinten Nationen mahnen zur Zurückhaltung, damit die Lage sich nicht verschlechtere.
World leaders condemn the Pahalgam terror attack: After almost 24 hours, Pakistan & China have reacted on the attack and expressed condolences@MollyGambhir brings you this report with @rajnikalra6 pic.twitter.com/r79JjoaIPf
— WION (@WIONews) April 23, 2025
UN calls on India, Pakistan for 'maximum restraint' & situation doesn't 'deteriorate'.#Pahalgam #PahalgamTerroristAttack #PakistanArmy #PakArmy #pakistan #UN #UnitedNations pic.twitter.com/Ir8tPuBzvO
— Urban Secrets 🤫 (@stiwari1510) April 24, 2025
Pakistan verfügt über die »sechstgrößte Armee der Welt« und wie Indien über Atomwaffen. Daher ist die Befürchtung nicht unberechtigt, dass sich aus einem kleinen Funken eine unkontrollierbarer Flächenbrand entwickelt.