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Rauchmelderspione
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KI-generiert

Ein Rauchmelder meldet Rauch – auch!

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Labortheorie
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Smarte Geräte sammeln Daten, sie analysieren Verhaltensmuster, Vorlieben und sogar Emotionen. Unbemerkt und umfassender, als den meisten bewusst ist. Damit werden sie zu digitalen Spionen, deren Neugier keine Pause kennt.
Zusammengefasst

Herr Müller hat sich sein Leben mit seinen smarten Helfern gut eingerichtet. Er weiß, dass seine elektronischen Endgeräte mehr Augen und Ohren haben als er Tassen im Schrank. Als er jedoch erfuhr, dass seine Rauchmelder in Nebentätigkeit als Spione tätig waren, fiel er aus allen Wolken und war verärgert darüber, gehörte er doch zu den Menschen, die man liebevoll „Resthaarverwalter“ nennt. Es geht ihm dann aber zu weit, dass die Rauchmelder ihm permanent von oben auf die Glatze blicken. Wer auch immer sich das Bild, das sein Rauchmelder liefert, anschaut, bekommt einen viel besseren Rundumblick, als nur beispielsweise die Kamera seines Fernsehers, aber der Blickwinkel ist verzerrt, was den etwas eitlen Herrn Müller dann doch stört, zumal sein vorwölbender Bauch als ein zweiter Schwachpunkt an seiner Optik hinzukommt.

Da lobt Herr Müller sich seinen Staubsaugerroboter. Der hält seine Augen auf Bodenhöhe. Früher waren Staubsauger sperrig und laut, saugten den Schmutz auf und erschreckten höchstens die Katze. Heute ist sein Gerät klein und smart und ein Alleskönner. Es erstellt eine detailliertere Karte der Wohnung als Google Maps, und sendet die Bilder seiner Wohnung, die es zur „Verbesserung der Navigation“ macht, direkt an die Server in seinem Herkunftsland, so dass Herr Müller personalisierte Werbeangebote erhält, sobald er das Internet nutzt. Auch die aufgezeichneten Gespräche dienen nur der „Angebotsverbesserung“. 

Gelegentlich versucht Herr Müller, Sport zu treiben, da sich dank der Armada smarter Helfer deutlich weniger selbst bewegt. Das scheint der technischen Allgegenwart nicht entgangen zu sein, denn sein Kühlschrank, der ihn offenbar besser kennt als seine Ex-Frau, schlägt ihm häufiger gesunde Produkte zum Nachkaufen vor als früher.

Die Bundesnetzagentur warnt

Als Herr Müller von seiner Krankenversicherung das Angebot erhielt, sich im Rahmen einer Routineüberprüfung der Mitgliedergesundheit hinsichtlich seines Body-Mass-Index und seiner Fitness überprüfen zu lassen, grübelte er. Hatte der Staubsauger die häufigen Chipskrümel gemeldet, die er in der Wohnung fand? Hatte sein Smart-TV die Aufzeichnungen, wie er lümmelnd mit Erdnussflips auf der Couch chillte, weitergeleitet? Hatte Alexa ihn denunziert, weil er häufig in die Bierkiste griff? Oder war doch die schnöde Handykamera der Verräter gewesen? Die Recherche ergab Abgründe: Im Jahr 2021 wurden über 4600 verbotene (Überwachungs-)Produkte auf Betreiben der Bundesnetzagentur auf Internet-Plattformen gelöscht.

„Saugrotober könnten verboten sein, wenn sie heimlich Bilder bzw. Audiodateien per WLAN oder Bluetooth an das Smartphone des Besitzers übertragen können. (…) Smarte Produkte sind in Deutschland verboten, wenn mit ihnen Gespräche einer anderen Person mitgehört oder Menschen heimlich beobachtet werden können und ein Zugriff aus der Ferne möglich ist. Beispiele hierfür sind per App gesteuerte Roboter oder alltagserleichternde Assistenzsysteme. (…) Vorsicht ist insbesondere bei Spielzeugen geboten, die sich mit dem Internet verbinden.
Man sollte auch auf den Kauf von GPS-/GSM-Trackern verzichten, die über eine Abhörfunktion verfügen. Diese kann per App oder SMS-Befehl aus der Ferne aktiviert werden, sodass sie grundsätzlich jeder nutzen kann, der Kenntnis von der Telefonnummer der SIM-Karte des GPS-/GSM-Trackers hat.
Besonders tückisch sind Produkte, die wie Alltagsgegenstände aussehen und unbemerkt Bild und Ton aufnehmen können. Dabei sind der Bundesnetzagentur in der letzten Zeit Duftspender oder Taschentuchboxen aufgefallen.“

»Bundesnetzagentur, 2021«

Herr Müller nahm sich vor, seinen Duftspender einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Auch seine »Lampen und die Powerbank« sah er jetzt in ganz anderem Licht.

Reality Show statt Privatsphäre

Bislang hatte Herr Müller sich damit abgefunden, dass er das Plus an Komfort eines durchgesmarteten Lebens mit dem Verlust von Privatsphäre bezahlte. Er achtete bei jedem neuen smarten Gerät genau auf die Position, um sicherzustellen, dass er nicht in peinlichem Outfit erwischt und mit löchrigen Socken in die Cloud geladen wird. Mittlerweile betrachtet er das Handy als einen lästigen und zum Tratschen neigenden neugierigen Nachbarn, dem nichts entgeht. Und schließlich muss er den Hackern ja auch etwas bieten, weshalb er wieder mutig seinen geliebten Katzenpyjama trägt.

Seine Worte wählt Herr Müller sehr achtsam, da er nicht möchte, dass es ihm wie seinem Freund Schneider ergeht. Dieser hatte sich während einer Autofahrt über eine geplante Reise in die Alpen unterhalten. Am folgenden Tag stand der Staatsschutz vor der Tür und bezichtigte ihn umstürzlerischer Absichten, weil er den „Führer“ übermäßig gelobt hatte. Dass jedes im Auto getätigte Gespräch aufgezeichnet und der Inhalt gescannt wurde, wusste Schneider schon lange. Dass dabei aber solch gravierende Fehler in der Auswertung bezüglich eines Reiseführers geschehen können, erschreckte ihn dann doch. Die Recherche ergab einen Strom von abgefischten Daten: 

„Etwa alle zwei Minuten werden die GPS-Position des Fahrzeugs sowie die Statusdaten an das Mercedes-Backend übertragen.“, „Die Zahl der elektronischen Gurtstraffungen wird gespeichert, etwa aufgrund starken Bremsens (erlaubt Rückschlüsse auf den Fahrstil).“ „Gefahrene Kilometer auf Autobahnen, Landstraßen und in der Stadt“, „Die letzten 100 Lade- und Entladezyklen der Starterbatterie werden mit Uhrzeit und Datum sowie Kilometerstand gespeichert, woraus sich Fahr- und Standzeiten ergeben.“ „Das Aufladen der Antriebsbatterie kann von Renault via Mobilfunkverbindung jederzeit unterbunden werden (etwa aufgrund nicht bezahlter Leasing-Rechnung für die Antriebsbatterie)“, „[Informationen via Mobilfunk mitlesen]. Diese Ferndiagnose ist standardmäßig ausgeschaltet, kann aber vom Hersteller jederzeit aktiviert werden.“, „Bei jeder Fahrt, spätestens jedoch alle 30 Minuten, wird ein Datenpaket an Renault gesendet“, „Zahl der Verstellvorgänge des elektrischen Fahrersitzes (erlaubt Rückschlüsse auf die Anzahl der Fahrer)“, „Anzahl der eingelegten Medien“

»ADAC«

„Wie gut, dass ich kein Auto fahre“, denkt Herr Müller dann. Oder: „Wie gut, dass ich keinen Rasen zu pflegen habe.“ Denn ein anderer Freund hatte sich nämlich über eine nötige Nachsaat auf seinem bereist sehr ausgedünnten Rasen unterhalten. Zwei Tage später bekam er ein Schreiben vom Gesundheitsamt, dass nur eine bestimmte Menge an Cannabis erlaubt sei und ob er nicht eine Suchtberatung in Anspruch nehmen wolle. Ansonsten würde man bei wiederholter Ablehnung seinen Arbeitgeber informieren.

Ganz auf ein individuelles Leben verzichten möchte Herr Müller eigentlich nicht, er hofft einfach, dass der Hacker, der mit Popcorn vor seinem Computer sitzt und schallend über ihn lacht, irgendwo in China sitzt und nicht der leicht nerdige Sohn des Nachbarn ist, der darüber nachdenkt, einen Youtube-Kanal über die peinlichen Gesangseinlagen des Nachbarn zu starten. Hat nicht jeder persönliche Augenblicke, die auch privat bleiben sollen? 

»Peinliche private Momente: Singen in der Badewanne«

Herr Müller überlegt, wie spannend es für andere sein könnte, wenn er laut unter der Dusche singt, vor dem Spiegel posiert wie ein Star oder seinem Frust über zu eng gewordene Kleidung Luft macht. Es passt ihm nicht, dass diese Szenen zur Belustigung für Cyberprofis dienen können. 

Der Spion im eigenen Haus

Ein „Peinlichkeitsfilter“ wäre ein willkommenes neues Feature für alle kamerabewehrten Geräte. Es kann jedoch auch ohne Bild beschämend werden, wenn Herr Müller da nur an einige brisante Gespräche denkt … Eine Recherche ergab Hinterhältiges: jeden Tag werden

„tausende aufgezeichneter Gerspräche von Amazon-Mitarbeitern angehört, transkribiert und mit Anmerkungen versehen. Dies dient … der Verbesserung des Sprachassistenten. Zwangsläufig führt dieses Vorgehen dazu, dass auch private oder sogar intime Gespräche Gegenstand der ,Verbessrungsmaßnahmen´ werden. In einem solchen Fall sind die Mitarbeiter offiziell angewiesen, diese Aufnahme nicht eiter zu bearbeiten und aufzuhören. Bislang wussten die Alexa-Besitzer davon jedoch nichts“.

»kanzlei.biz«

Wie beruhigend, dass der Internetriese seinen Mitarbeitern genau diese Art Filter auferlegt. Wenn der Inhalt des Aufgezeichneten zu privat wird, sollen die Mitarbeiter das Mithören sofort beenden. Es liegt ja auch in der Natur des Menschen, eher bei Gesprächen über den geplanten Einkauf als bei heißem Bettgeflüster mitzuhören. Da vertraut Herr Müller voll und ganz auf die Kooperation der amazon-Mitarbeiter.

Nur manchmal fragt er sich, ob sein Privatleben nur peinlich ist. Oder ob das irgendwann einmal gegen ihn verwendet werden kann.

Wenn der Smartpark übernimmt

Manchmal zweifelt Herr Müller, ob er noch der Herr im eigenen Hause ist. Selbst sein Toaster kennt ihn besser, als ihm lieb ist, und scheint zu grummeln, wenn er statt des politisch korrekten Vollkorn- doch wieder ein Weizentoast einlegt. Manchmal fühlt er sich zum Untermieter in seiner eigenen Wohnung degradiert, die schlauer zu sein scheint als er selbst. Erst vor zwei Tagen wollte das Thermostat ein Wörtchen mitreden. Als er die Heizung höher stellen wollte, empfahl ihm die smarte Alexa, doch lieber den kratzigen Wollpullover von Tante Inge überzuziehen, den er in der hintersten Ecke seines Schrankes versteckt und nur hervorholt, wenn seine Tante zu Besuch kommt. Herr Müller bildet sich ein, dass seine Musikbox sich räuspert, wenn er statt zur Tofu-Wurst doch zum geliebten Schnitzel greift. Sein Liebesgesäusel von letzter Nacht geht in China vielleicht schon viral und seine Waschmaschine blubbert unzufrieden, wenn er das Waschmittel nach eigenem Ermessen dosiert.

„Alexa – halt dir die Ohren zu!“

Diesen Satz möchte Herr Müller oft lautstark Alexa und allen digitalen Mitbewohnern zurufen. Wenn die Produkte, die morgens beim Frühstück im Radio angepriesen werden, am nächsten Tag als von Alexa initiierte Bestellung vor der Tür liegen. Wenn er nach einem Streit mit seiner Freundin auf seinem Handy Vorschläge für Beziehungsratgeber bekommt. Wenn sie ihn nach dem Ausruf: „Das ist doch zum Mäuse melken!“ beim Tierschutz meldet. Wenn er bei jedem Hit im Radio darauf achten muss, dass sie nicht ein Sonderangebot von „Wildberry Lillet“ oder „Piña Colada“ bestellt. Eine Recherche, wie man der Smart-WG auch mal die Ohren stopfen kann, ergab Gruseliges. Bisher dachte er, dass es privat bleibt, wenn er nur vor Geräten mit abgeklebter Kamera wilde Tanzbewegungen wie Michael Jackson oder einen Hüftschwung à la Elvis übt, die mehr wie ungelenkte Verrenkungen wirken. Herrn Müller erschreckte, wie weit die technischen Überwachungsmöglichkeiten bereits fortgeschritten sind. Mit der neuen Technologie Wi-Fi Sensing können Bewegungen und Präsenz in einer Wohnung oder in einem Gebäude erfasst werden.

„Die Möglichkeit WLAN-Signale zu analysieren, um Bewegungen und Aktivitäten zu erfassen, ist nicht nur für Smart-Home- und Sicherheitsanwendungen interessant. Auch Nachrichtendienste haben erkannt, dass diese Technologie ein leistungsstarkes Mittel zur verdeckten Überwachung darstellt.“

»ProSec«

Wi-Fi Sensing nutzt also die WLAN-Netze der Umgebung, um Bewegungen und Aktivitäten zu erfassen, auch ohne Lichtquelle oder Kameratechnik, alleine durch Veränderungen in der Reflexion der Signale. So lässt sich die Position von Menschen im Raum präzise bestimmen.

Obwohl es für Hacker sicherlich Interessanteres gibt als die Live-Übertragung, wie er in Pantoffeln und ungekämmt über den Flur seiner Wohnung schlurft, hat Herr Müller doch manchmal das Gefühl, sich vor den Geräten, die versprachen, sein Leben glücklicher zu machen, verstecken zu wollen. Er überlegt, das WLAN nachts abzuschalten, um nicht dabei „ertappt“ zu werden, wenn er statt zu schlafen anderen Aktivitäten nachgeht. Er hat sich angewöhnt, die Smartwatch lieber komplett auszuschalten, wenn er sich in einer Unterhaltung über die Nachbarn unterhält – wie den aus dem ersten Stock, der im löchrigen Pyjama den Müll rausbringt, den von nebenan, der mit seinem Sohn nicht klar kommt oder den aus dem zweiten Stock, dem sein neues Nasenfahrrad so gar nicht steht. Er ist sich bewusst, dass es möglch ist, sich auch in ausgeschaltete Geräte einzuhacken. Dennoch hofft er einfach, dass es dann Putins Spione sind und nicht einer seiner direkten Nachbarn ist, der an seinem Privatleben teilnimmt.

In einem ersten mutigen Schritt zurück zur Selbstbestimmung hat Herr Müller investiert und solche Rauchmelder gekauft und installiert, die ihn nicht überwachen können. Jetzt melden sie Rauch, ausschließlich Rauch, nicht „auch Rauch“.

„Gratuliere zu diesem Schritt“ sagt sein Freund, als er ihm davon erzählt, und murmelt in seinen nicht vorhandenen Bart: „Das wusste ich natürlich schon.“

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Zusätzliche Quelle für technisch intensiv Interessierte zu Rauchmeldern: »Intelligente Rauchmelder«

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