Haintz.Media

Bild:
Chansonnier Boris Steinberg
Quelle:
Tanja Fuegener

„Man muss aufpassen, dass man sich nicht an den großen Mainstream-Sumpf verkauft“

Bild:
Quelle:

Beitrag teilen:

Mehr aus der Kategorie:

Stargate
Staatliche Kontrolle, wirtschaftlicher Niedergang
AfD auf X
Sänger Boris Steinberg bricht mit Altbewährtem: Vom kulturellen Aufbruch in Krisenzeiten bis hin zu seinen kritischen Konzerten mit politischen Themen. Hier wird es spannend.
Zusammengefasst

Chansonsänger Boris Steinberg begann 2022 eine Protest-Konzertreihe gegen 2G namens „SalonG ChanGsonG ohne Gs“. Am Freitag geht die Veranstaltung mit großem Abschiedskonzert im Berliner Charlottchen in die letzte Runde. HAINTZ.media sprach mit ihm.

HAINTZ.media: Auf deiner Homepage erklärst du, dass dein „KünstlerSein“ keine G-Regelungen erträgt. Was ging seit Frühjahr 2020, als die Corona-Maßnahmen begannen, konkret in dir vor?

Boris Steinberg: Als diese G-Regelungen immer größer und ausgrenzender wurden und ein potenzielles Publikum nicht mehr an kulturellen Veranstaltungen teilnehmen durfte, war ich natürlich entsetzt, zornig, wütend. Mir war klar, dass ich dann auch selbst auf keine Bühne mehr gehen werde. Es war mir unmöglich, solche Einschränkungen zu unterstützen. Und wenn man eine gravierende Entscheidung trifft, dann ist die Stille der Gewohnheit passé, dann öffnet sich eine neue Tür. Es folgte mein Interview bei #alles auf den Tisch. Ich wählte das Thema „Kirche und Glaube in Zeiten von Corona“. Mein Gesprächspartner wurde Herr Pfarrer Martin Michaelis, und mit unserem Gespräch haben wir viel zu diesem Thema klären können. So ging es Schritt für Schritt weiter. Ich war bei vielen Montagsspaziergängen, dann folgten die Demos um #FRIEDLICH ZUSAMMEN und die ersten Auftritte in neuem Ambiente. Meine olle, schöne Kleinkunstszene mit allem, was sie ausmachte, lag auf einmal Lichtjahre hinter mir. Es ging plötzlich um etwas Neues; ich brach mit dem Altvertrautem.

HAINTZ.media: Wie ist die Idee zum „SalonG ChanGsonG ohne Gs“ entstanden?

Boris Steinberg: Ich war bereits in der alten Zeit als Veranstalter tätig. Das Berliner Chansonfest war zehn Jahre mein Baby. Und von 2010 bis 2017 war ich monatlicher Gastgeber meines „Salon Chanson“ in der Berliner Volksbühne. 2022 wurde dieser dann zum „SalonG ChanGsonG ohne Gs“. Die Aussagen wurden wieder politisch-gesellschaftskritischer, denn die Zeit des unterhaltsamen Geplänkels auf der Bühne war – zumindest für mich – vorbei.

HAINTZ.media: Warst du schon immer politisch aktiv?

Boris Steinberg: Nun ja, ich war nie ein Politik-Groupie, hing nie einer Partei an. Doch ich habe mich in meinen Chansons immer gegen Ausgrenzungen, Stigmatisierungen, Rassismus etc. positioniert. Und natürlich war ich stets bei den CSDs (Anm. der Red.: Christopher Street Days) mit dabei. In der Corona-Zeit tauchte ich in eine neue Szene ein, die ebenso subversiv daherkam, wenn auch mit anderen Anliegen und anderem Hintergrund, aber vergleichbar mit der neuen Chanson-Szene der wilden 90er in Berlin – neue Kollegen, neue Bühnen, ein so waches und intensives neues Publikum.

HAINTZ.media: Welches Feedback hast du von deinen Zuschauern bekommen?

Boris Steinberg: Nach einem meiner ersten Auftritte ebbte der Applaus nicht ab, als ich die Bühne verließ. Ich wurde umarmt, Daumen gingen hoch. Ein Zuschauer sagte zu mir: „Wow, du bist wie Solo Sunny.“ Was war ick gerührt! Und immer wieder hörte ich ein Schwärmen über die Poesie und die Kraft von Chansons und das gerade eben in dieser Zeit. Klaro, Chansons sind eben auch Rock ’n‘ Roll.

HAINTZ.media: Du hast im April dieses Jahres deine aktuelle CD „Peep-O-Rama“ veröffentlicht. Was hat dich dazu motiviert, im Zeitalter von Streaming-Diensten einen physischen Tonträger auf den Markt zu bringen?

Boris Steinberg: Haha, voll Retro, ich weiß. Wer hat überhaupt noch einen CD-Player? Die großartige Alternative wäre natürlich Vinyl gewesen, doch dies ist zu teuer in der Herstellung. Ich habe ja auch keinen Megadeal bei einem großen Label – zum Glück. Wenn ich Musik kaufe, möchte ich auch etwas in den Händen halten, das Booklet lesen, ein Cover anschauen. Das gehört für mich einfach dazu. Aber über das Label wird heutzutage auch Streaming angeboten.

HAINTZ.media: Im Titeltrack geht es um die „Huren der Kunst“. Wie ordnest du das aktuelle Verhalten von Künstlern ein? Gibt es hier noch einen Unterschied zwischen der Kleinkunstszene und dem Mainstream?

Boris Steinberg: Je bekannter man als Kunstschaffender wird, desto mehr muss man aufpassen, dass man sich nicht an den großen Mainstream-Sumpf verkauft. So verlockend Erfolg auch ist, er birgt unendlich viele Gefahren. Wird es dann auch noch politischer, hmm, dann muss man sogar Obacht geben, nicht instrumentalisiert zu werden. Einige namhafte Kollegen haben daran wohl nicht gedacht, und nun werden ihre Songs von Partei X oder Y zu Wahlzwecken eingesetzt, unter anderem ganz aktuell bei Herbert Grönemeyer, der sich nun per Anwalt von solchen Einsätzen distanziert. Andere wiederum haben gar keine Scham oder Skrupel: Die legen so richtig los und verunglimpfen, hetzen, beleidigen, was das Zeug hält – und dann kriegen sie dafür sogar noch Preise. Uh und ah, ich sehe aktuell so einige Kunsthuren im Einsatz.

HAINTZ.media: Bei Konzerten thematisierst du auch die „LGBTQIA+“-Szene. Welches Verhältnis hast du zu dieser Bewegung?

Boris Steinberg: Naja, ich gehöre doch noch dazu. Auch wenn man ab einem bestimmten Alter in der queeren Szene kaum noch wahrgenommen wird, so bin ich weiterhin eher ‚vogue‘ als woke unterwegs. (lacht) Und was für ein umfassendes Thema! Dazu kann ich kaum etwas in Kürze sagen, aber ich versuche es mal: Für meinen Geschmack hat sich die Community zu sehr in die Arme einer woken Politik geworfen. Und wie auch schon zuvor gesagt, merkt man zuweilen erst zu spät, dass man benutzt wird. Ich fände es höchste Zeit, dass sich die Community saniert und wieder autarker wird. Wenn ich zum Beispiel sehe, wie bei einigen CSD-Umzügen in den USA die Waffenlobby und auch die Pharmaindustrie mit ihren Wagen mitrollen – also, da wird mir übel. Und ob es nun an jeder Ecke eine Regenbogenflagge braucht? Toleranz kann man nicht aufdrücken oder gar erzwingen. So etwas funktioniert nicht. Wir waren gesellschaftlich schon viel weiter. Bei allem, was es noch an Rechten zu erkämpfen gibt, muss aufgepasst werden, dass es nicht noch mehr Rückschritte gibt. Die Stimmung ändert sich, und so werden wieder vermehrt brutale Übergriffe auf die Community registriert, und CSDs müssen polizeilich geschützt werden. Das ist doch alles unglaublich ätzend. Aufgeheizte Debatten um alles, was die Community betrifft, tragen mit Sicherheit dazu bei. Auch Diskussionen sind Mangelware geworden. Stets und überall ist irgendjemand beleidigt wegen allem und nichts. Und mir fehlt bei allem eine Leichtigkeit, der Humor – meine Jüte, dafür ist oder war doch unsere Szene immer bekannt. Dass einem in diesen Zeiten der Humor abhandenkommen kann, ist allerdings leicht nachvollziehbar. Und auch das ist ja wiederum ein großes gesellschaftliches Thema, das nicht nur die Community betrifft.

HAINTZ.media: Denkst du, dass es eine ausreichende Corona-Aufarbeitung geben wird?

Boris Steinberg: Wie wir sehen, besteht null Interesse von Seiten unserer ach-so-liebevoll-verantwortungsbewussten Politiker-Garde, einer Aufklärung zuzustimmen. Doch dank dem BSW und der AfD starten ja nun die ersten Untersuchungsausschüsse auf Ebene der Bundesländer. Die Dinge nehmen ihren Lauf so oder so. Auch der Mainstream kann sich den Offenbarungen rund um die Spritzen nicht länger verschließen. Seit der Veröffentlichung der RKI-Protokolle sind noch mehr Menschen stutzig geworden und hinterfragen. Und mal unabhängig von diesen Bewegungen – wir alle sehen und hören doch, was um uns geschieht. Wir erfahren im Austausch von den dramatischen Auswirkungen: von übelsten Nebenwirkungen, Impfschäden, einer Übersterblichkeit. Aufarbeitung betrifft aber auch alle anderen Themen, denn wo wir auch hinschauen, es ist ja nahezu alles aus den Fugen gerissen. Dieser Prozess innerhalb der Gesellschaft erinnert mich an die biblischen Schilderungen vom Jüngsten Gericht.

HAINTZ.media: Im Chanson „Öffne deine Sinne (Taschentuch des Lebens)“ beschreibst du, wie wichtig es ist, dass Menschen mit offenen Sinnen durchs Leben gehen, um gesellschaftlichem Unrecht, Konformitätsdruck und Angstmache die Stirn zu bieten. Welche Rolle spielt Spiritualität für dich?

Boris Steinberg: Wir alle sind ja spirituelle Wesen und verbunden mit dem großen Ganzen. In unserer Erziehung werden wir aber nur höchst selten damit konfrontiert, um diese Fähigkeit beziehungsweise das Wissen darum zu stärken. Dies ist aber nötig. Spiritualität ist zu etwas Ungreifbarem geworden, zu etwas, worüber man womöglich abfällig die Nase rümpft. Aber wir spüren und fühlen alles, was um uns herum geschieht. Wir werden täglich überflutet von Emotionen der gesamten Welt, nur viele sind sich dessen nicht bewusst. Doch ein Bewusstsein darüber ist so wichtig, damit jeder für sich selbst Verantwortung trägt, welche Energien wir selbst wiederum in die Welt hinaussenden. Ist es nur Ärger, Wut, Zorn? Oder knipsen wir unsere innere Lampe an, gehen lichtvoll in unseren Alltag und verschönern damit die Schwingung der gesamten Welt ein bisschen mehr? Jeder kann seine spirituelle Kraft wieder für sich entdecken, sie in den Alltag integrieren. Dazu braucht es allerdings die Stille, die Ruhe. Denn dies ist etwas ganz Individuelles und Persönliches. Die Parole lautet: Komm näher zu dir!

HAINTZ.media: Wie gelingt es dir, authentisch zu sein und bei allem, was in der Gesellschaft passiert, nicht die Hoffnung zu verlieren?

Boris Steinberg: Genau darum geht es mehr denn je, nämlich authentisch zu sein. Wir befinden uns in einer so intensiven Zeit, die von uns verlangt, dass wir neu gucken und die Scheuklappen ablegen, auch wenn wir uns dadurch von alten Sichtweisen verabschieden müssen. Einfach so weiterzumachen, wird über kurz oder lang in die Sackgasse führen, denn der Umbau ist im vollen Gange. Die alte Zeit ist vorbei. Gleichzeitig ist es aber auch so wichtig, nicht zu allem Ja und Amen zu sagen, sich treu zu bleiben, die eigenen Werte eben nicht einfach abzulegen.

HAINTZ.media: Hast du konkrete Zukunftspläne? Womit dürfen wir 2025 von Boris Steinberg rechnen?

Boris Steinberg: Langfristige Pläne? Kann man überhaupt noch planen? Ja, durchaus – zugleich muss man lernen, locker zu bleiben, wenn die Pläne nicht funktionieren. Auch davon ist diese Zeit geprägt. (lacht) Ich lebe mehr im Moment als jemals zuvor, und das fühlt sich gut an. Natürlich bin ich in Bewegung, aber völlig anders im Vergleich zu früher, zu der alten Zeit. Vieles, was mir einst sooo wichtig war, hat an Bedeutung verloren – und auch das fühlt sich gut an. Ich erwarte vorerst keine so leichte Zeit, dafür ist zu viel los; der Umbau ist zu gewaltig. Aber die Kraft, die wir alle in uns tragen und von der wir letztlich noch gar nicht wissen, wie mächtig sie ist – diese Kraft wird sich ab jetzt mehr und mehr zeigen: vom Schatten ins Licht. Weiterhin zu singen, ist aber durchaus mein Plan. Deswegen bin ich stets auf der Suche nach Konzertveranstaltern, die ihre Bühnen für gesellschaftskritische Künstler und für meine ChanGsonGs öffnen. Und ich spiele auch sehr, sehr gerne private Wohnzimmerkonzerte. Mit meiner Personal Juke Box, meinem CD-Player, in dem meine Begleitmusiker quasi sitzen, bin ich frei und flexibel. Ich singe zumeist ohne Mikrofon, ohne großen technischen Aufwand. Ein bisschen Glitzer bringe ich auch noch mit – und etwas Peep-O-Rama dieser Zeit sowieso. Es kann also knisterig werden. (grinst)

HAINTZ.media: Mit welchen Gefühlen siehst du dem Ende deiner Veranstaltungsreihe im „Charlottchen“ entgegen?

Boris Steinberg: Zunächst freue ich mich auf das große Abschlusskonzert am 22. November mit vielen Gastmusikern aus dem Bereich Chanson und einem hoffentlich vollen Theatersaal. Und ich blicke zurück mit einem lachenden und einem weinenden Auge – frei nach dem Motto von Paulchen Panther: Heute ist nicht aller Tage, ich komm wieder, keine Frage.

Beitrag teilen:

Unterstützen Sie uns!

Helfen Sie mit, freien Journalismus zu erhalten

5

10

25

50

Picture of Redaktion

Redaktion

Redaktionelle Beiträge aller Art z.B. von Agenturen, Lesern oder anderweitigen Quellen außerhalb unserer Redaktion, markieren wir entsprechend.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

main-1_800x800
Anzeige5
Heilnatura_AminoEssentiell_Webshop_DE_2403232_1920x1920
photo_2023-07-28_17-03-52

Buch-Empfehlung

Die_Grosse_Taeuschung