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In der Mediathek der ARD läuft derzeit der Vierteiler “Herrhausen – Der Herr des Geldes". Darin wird der Scheideweg deutlich, an dem deutsche Interessenpolitik damals stand und heute immer noch steht.
Zusammengefasst

Ein Kommentar von Rechtsanwalt und Steuerberater Christian Moser

So langsam dämmert es ja immer mehr Deutschen, dass wir nicht Herr im eigenen Hause sind. Es gab auch unter den damaligen Entscheidungsträgern den einen oder anderen, der sich die Wiedervereinigung anders vorstellte, als sie wurde. So wurde seinerzeit Detlev Karsten Rohwedder, der Chef der Treuhandgesellschaft, ermordet, nicht unwahrscheinlicherweise wegen seiner zu verantwortungsvollen Politik, die dem Ausverkauf der DDR-Betriebe im Wege stand.

Noch spannender aber ist der Fall Alfred Herrhausen. Auch er, der Vorstandschef der Deutschen Bank, wurde von der RAF – was auch immer darunter firmierte – ermordet. Beide Fälle wurden wie die Nordstream-Sprengungen nie vollständig aufgeklärt, was schon darauf hindeutet, dass mehr dahinterstecken dürfte als eine dieser austauschbaren Terrorzellen von “rechts” oder “links”, die ja doch meistens Markenprodukte der Geheimdienste sind.

Zu Herrhausen hat Dirk Pohlmann umfangreiche Recherchearbeiten betrieben und hält dazu Vorträge. Er empfiehlt ausdrücklich, den Vierteiler der ARD “Herrhausen – Der Herr des Geldes” anzusehen, in dem der Fall Herrhausen überraschend realistisch dargestellt wird. Dieser Empfehlung schließe ich mich an. Ein paar Punkte, die in diesem Vierteiler anklingen, finde ich sehr entscheidend für den Blick auf die jüngere deutsche Geschichte und auf die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen.

Den größten Gegenwind, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, erfuhr Herrhausen als Reaktion auf seinen Vorschlag, den Entwicklungsländern die Schulden zu erlassen, um ihnen eine freie Entfaltung zu ermöglichen. Das bedeutete eine Politik, die das Gegenteil der Knebelungsverträge des IWF gewesen wäre. Ein solches Ansinnen war natürlich unerhört. Ein solcher Erlass hätte zu einer gerechteren und prosperierenderen Welt beigetragen statt zu Flüchtlingsströmen.

Kurz gedacht könnte man ja meinen, ein Sprung der Entwicklungsländer auf Augenhöhe mit uns würde bei uns Arbeitsplätze und Wohlstand kosten. Das ist aber nur dann der Fall, wenn wir an überkommenen Produktionsmethoden und eingefahrenen Handelsbeziehungen krampfhaft festhalten. Die Geschichte bedeutet immer Veränderung, so auch in der Wirtschaft. Die Rohstoffe aus den Entwicklungsländern importieren wir so oder so. Wenn wir dafür in einem freien Wettbewerb höhere Preise bezahlen müssen, steht es uns frei, bessere Produkte dagegenhalten zu können. Damit können wir einen höheren Erlös erzielen und damit die höheren Energiekosten bezahlen. Wir werden damit in unserer eigenen Produktivität und damit letztlich in unserem eigenen Wohlstand nach oben getrieben. Ein Ungleichgewicht entsteht dabei nur durch eine künstliche Verknappung, wie wir es derzeit durch das von unserer „eigenen” Regierung gegen uns selbst verhängte Energie-Embargo erleben.

Herrhausen verhandelte intensiv mit Gorbatschow über dessen Glasnost‐ und Perestroika-Politik und versprach sich davon die Öffnung des russischen Marktes insbesondere für Deutschland. Er betrieb hier klare Realpolitik. Wenn Deutschland der Sowjetunion bei der Rettung ihrer Wirtschaft geholfen und dabei Zugang zu deren Markt bekommen hätte, dann wäre dies ein Vorsprung gewesen, den Deutschland gegenüber dem Westen gehabt hätte und der den Wohlstand Deutschlands auf Generationen hätte sichern können.

Ebenso wie Osteuropa der traditionelle deutsche Einflussraum ist, sozusagen der deutsche Hinterhof, so ist gerade diese Verbindung das Schreckgespenst der Angloamerikaner. Dagegen haben sie zwei Weltkriege geführt. Es ist bezeichnend, dass Herrhausen gleich im ersten Teil der ARD-Serie von einem Amerikaner genau daran erinnert wird: „Sie haben den Krieg verloren, vergessen Sie das nie!” Klarer kann man die amerikanische Eroberungs- und Unterdrückungspolitik gegenüber Deutschland nicht auf den Punkt bringen. Und dieses Zitat war auf den Schuldenerlass gegenüber der Dritten Welt bezogen, nicht einmal auf die darauffolgenden Verhandlungen Herrhausens mit den Sowjets. Da schrillten bei allen die Alarmglocken: bei den Amerikanern, bei der Stasi und deren RAF-Vorposten. Jene Truppe wird dann folgerichtig zuletzt auch von der CIA bemüht. Gegen Deutschland sind sich wieder einmal alle einig.

Es gehört zur Realpolitik, sich dieses Umstandes immer bewusst zu sein – nüchtern, aber mit klarem Blick. Paradoxerweise war gerade die Politik der alten Bundesrepublik, so servil sie gegenüber ihrem amerikanischen Hegemon sein musste, hin und wieder von ebendiesem Streben um Ausgleich geprägt, der das völlige Gegenteil des amerikanischen Top-Down-Managements in den internationalen Beziehungen bedeutete.

Meistens glänzten die bundesrepublikanischen Politiker aber durch vorauseilende Selbstbeschneidung. Dies kommt besonders markant in einem kurzen Zwiegespräch zum Ausdruck, das Herrhausen in dem Vierteiler anlässlich des Gorbatschow-Besuches in Deutschland mit dem Außenminister Hans-Dietrich Genscher führt. Dieser versucht – sehr originalgetreu – Herrhausen eine Belehrung in Sachen deutscher Willfährigkeit zu halten und ihm die Eroberung russischer Märkte zu verbieten. Er geht sogar so weit, den Wunsch Herrhausens nach der deutschen Einheit ebenso als unerhört zu begreifen, wie ich es noch aus meinen damaligen Schulbüchern kenne und von der Reaktion von Schülern und Lehrern auf mein selbiges Ansinnen vom 10. November 1989. Die Geschichte strafte sie alle Lügen. Herrhausen behält in dem Dialog Recht, indem er die Wiedervereinigung als eine geschichtliche Notwendigkeit beschreibt. Er verpasst Genscher eine Belehrung, die sich gewaschen hat, und damit eine Lektion in Patriotismus. Den heute wieder patriotisch gesunden Zeitgeist der Jugend widerspiegelnd kommentiert Frau Herrhausen den Auftritt ihres Mannes mit den Worten: „Sehr sexy! Zum Verlieben!”

Die Standpauke hat Genscher verdient. Ich habe noch sehr im Ohr, wie er damals in den Verhandlungen über die Wiedervereinigung ohne Not unsere Ostgebiete verschenkte. Heute wissen wir, dass Gorbatschow damals viel weitreichendere Angebote machte und Genscher die Öffentlichkeit schlicht belog.

In dem Vierteiler erfahren wir aber, dass Genscher darüber hinaus noch derjenige war, der den Franzosen als Preis für die deutsche Einheit den Euro zusicherte. Kohl machte dabei einfach mit und versuchte, Herrhausen dazu zu zwingen, hierfür einen Plan zu entwerfen. In dem Vierteiler wird deutlich gezeigt, dass Herrhausen die Abschaffung der D-Mark zugunsten einer europäischen Währung für mindestens zu früh, jedenfalls zu dem Zeitpunkt für Wahnsinn hielt. Als seine Befürchtung beschreibt er in dem Vierteiler genau das Szenario, das uns heute in die Schuldenunion geführt hat.

Letztlich wurde mit Herrhausen durch vermeintliche Kommunisten ein Mann aus dem Weg geräumt, der die Armen entschuldet, Russland einen verlässlichen Wirtschaftspartner und Deutschland gesicherten Wohlstand gebracht hätte. Wären die Amerikaner die Leidtragenden gewesen? Das hätte ausschließlich an ihnen selbst gelegen und ob sie dazu in der Lage gewesen wären, ihrerseits eine kluge Wirtschaftspolitik zu betreiben. Vielleicht hätte ihnen dabei ein Trump gutgetan.

In dem Vierteiler wird auch gezeigt, dass Herrhausen gegen den Widerstand einiger Vorstandsmitglieder die Deutsche Bank mit dem Einstieg in das Investmentgeschäft zu einem Global Player machen wollte. Heute ist die Deutsche Bank längst ein solcher Global Player und spielt damit eine sehr zweifelhafte Rolle. Sein Nachfolger Ackermann gelangte zu trauriger Berühmtheit nicht nur mit dem Victory-Finger à la Churchill, sondern auch mit seinem Satz: „The Deutsche Bank is surely not a German bank!” Fortgesetzte sogenannte “Finanzkrisen”, vulgo für Raubzüge der Hochfinanz, prägen seitdem die Bühne der Finanzpolitik. Gerhard Schröder tat sein Übriges, indem er den deutschen Finanzmarkt für Hedgefonds freigab. Gut möglich, dass dies gerade nicht das Szenario war, das Herrhausen wollte. Sein übriges Wirken spricht dagegen. Womöglich hätte er versucht, die Deutsche Bank stark genug zu machen, diesen Auswüchsen widerstehen zu können. Man weiß es nicht; er hat die Probe dazu nicht mehr antreten dürfen.

Was bleibt? Das Wohl eines Landes und Volkes liegt in der nüchternen Erkenntnis seiner Lebensinteressen und in der ebenso nüchternen Verfolgung derselben. Die Lebensinteressen des Volkes nüchtern zu verfolgen, bedeutet, sich vor Überschwang zu hüten, sich aber ebensowenig von denjenigen einschüchtern zu lassen, die das Wohl unseres Volkes nicht im Sinne haben oder es nicht haben können. Der nüchterne Ausgleich der Interessen führt aus sich selbst heraus zum Frieden. Es könnte so einfach sein, würde nicht hinter den Kulissen mit Mord und Totschlag gearbeitet. Jeder, der sich im guten Werk versucht, sei deshalb an die Worte Kohls erinnert, die dieser Herrhausen im Vierteiler mit auf den Weg gibt: „Halt’ Deinen Kopf unten! Den brauchen wir noch!”

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