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Aufgrund ihrer Unterschrift unter dem offenen Brief "Philosophy for Palestine" erteilt die Universität zu Köln der jüdischen Philosophie-Professorin Nancy Fraser eine Absage bzgl. der geplanten Albertus-Magnus-Professur und der damit verbundenen Vorlesungen für das Sommersemester.
Zusammengefasst

„Mit großem Bedauern teilen wir mit, dass die Albertus Magnus Professur 2024 mit Nancy Fraser nicht wie geplant stattfinden wird. Alle im Zeitraum 15.-17. Mai geplanten Veranstaltungen entfallen“, so die Verkündung auf der Website der Universität. Als Grund wird in der Stellungnahme vom 05.04.2024 der Inhalt des Briefes „Philosophy for Palestine“ genannt, welcher dort so interpretiert wird, die Unterzeichner stellten das „Existenzrecht Israels […] in Frage“ und relativierten den „Terrorangriff der Hamas“.
Die Albertus-Magnus-Professur dient der Ehrung herausragender Wissenschaftler, die zu einer kürzeren Vorlesungsreihe von der Universität berufen werden. Die Aussagen des Briefes seien jedoch mit der Haltung der Institution nicht vereinbar. Diese veröffentlichte das Rektorat am 09.10.2023.

Relativierung des Überfalls durch die Hamas?

Möglicherweise bezieht man sich auf die Aussage, dass die Geschichte des Nahost-Konflikts nicht mit dem Angriff vom 07.10.2023 begonnen hat. In dem Statement der Philosophen heißt es:

„To focus, as we do here, on the actions of the Israeli state and the unflagging support it receives from the US and its allies, is neither to celebrate violence, nor to equivocate on the value of innocent lives. Civilian deaths, regardless of nationality, are tragic and unacceptable. Yet to act as though the history of violence began with Hamas’s attacks on October 7, 2023 is to display a reckless indifference to history as well as to both Palestinian and Israeli lives. In order for  violence to stop, the conditions that produce violence must stop.“

„Wenn wir uns wie hier auf die Aktionen des israelischen Staates und die unermüdliche Unterstützung durch die USA und ihre Verbündeten konzentrieren, bedeutet das weder, dass wir die Gewalt feiern, noch dass wir den Wert unschuldiger Leben in Frage stellen. Der Tod von Zivilisten, gleich welcher Nationalität, ist tragisch und inakzeptabel. Doch so zu tun, als ob die Geschichte der Gewalt mit den Angriffen der Hamas am 7. Oktober 2023 begann, bedeutet, eine rücksichtslose Gleichgültigkeit gegenüber der Geschichte und dem Leben von Palästinensern und Israelis an den Tag zu legen. Damit die Gewalt aufhört, müssen die Bedingungen, die zu Gewalt führen, beendet werden.“

Offener Brief „Philosophy for Palestine“

Der letzte Satz nimmt Bezug auf den amerikanischen Literaturkritiker Saree Makdisi und dessen Ausführungen über eine mehr als 16-jährige Geschichte der Besetzung des Gazastreifens vor dem 07.10.2023 durch israelische Siedlungspolitik. Makdisi ist zum Teil palästinensischer Abstammung. Er führt aus, dass er regelmäßig von dem britischen öffentlich-rechtlichen Sender BBC interviewt wurde, bis er den Interviewer auf den historischen Kontext der aktuellen Geschehnisse in Gaza aufmerksam machte. Das sei sein letzter Auftritt bei der BBC gewesen.

Unterbindung kritischer akademischer Stimmen

Makdisi und Fraser reihen sich damit in eine lange Liste kritischer akademischer Stimmen ein, die seitens der Universitäten offenbar zunehmend unerwünscht sind. Zwar ergänzte man am 08.04.2024, mutmaßlich veranlasst durch die öffentliche Debatte, die Stellungnahme der Universität Köln durch den Zusatz, es ginge nicht darum, ob Fraser grundsätzlich auftreten könne, sondern ausschließlich um die besondere Ehrung, die mit der Berufung einherginge, aber es ist fraglich, inwieweit ein solcher Austausch mit der Professorin noch stattfinden wird, zumal ihre Vorlesung abgesagt bleibt.
Laut TAZ steht der Universitätsrektor Joybrato Mukharjee hinter der von der deutschen Regierung vertretenen Staatsräson in Bezug auf Israel. So war der israelische Botschafter Ron Prosor, der einen „Waffenstillstand [als eine] Belohnung für [die] Hamas“ ansieht (03:15 ZDF-Interview), bereits zu Gast in Köln. Dadurch veranlasste Proteste der Studenten beantwortete der Direktor mit Hausverbot, welches mittlerweile durch das Kölner Verwaltungsgericht gekippt wurde.

Zur Ausladung der Philosophin äußerte sich u.a. der Antisemitismus-Forscher Wolfgang Benz wie folgt:

„Die Universität ist der Ort der Auseinandersetzung, der Diskussion auch streitiger Themen […]. Über philosophische und politische Positionen der prominenten Philosophin Nancy Fraser hätte die Universität Köln den Raum zur Debatte bieten müssen […] Sie auszuladen ist nicht nur krähwinkelhaft, es ist unwürdig.“

Antisemitismus-Forscher Wolfgang Benz laut Frankfurter Rundschau

Insgesamt deutlich verengter Debattenraum

Dieser Debattenraum hat sich innerhalb der letzten Jahre allerdings insgesamt deutlich verengt.
So kündigte die Universität Bonn der Wissenschafterin und Autorin Ulrike Guérot im Februar 2023 ihre Professur für Europapolitik aufgrund Plagiatsvorwürfen, gegen die sie juristisch vorgeht.
Sie ist vielleicht das Paradebeispiel für eine über Jahrzehnte hoch angesehene Wissenschaftlerin, die dadurch in Verruf geriet, dass sie sich nicht der von der Regierung vorgegebenen Meinung unterordnete. Sie war sowohl scharfe Kritikerin der Grundrechtseinschränkungen während der sog. Corona-Pandemie als auch Erstunterzeichnerin des «Manifests für Frieden» von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht.

Der Virologe Alexander Kekulé wurde im Dezember 2021 vorläufig seines Dienstes an der Universität Halle-Wittenberg enthoben. Der Vorwurf lautet, er habe seine Lehrverpflichtungen nicht ausreichend erfüllt. Im September 2023 scheiterte er mit einem Antrag vor Gericht. Er hat in den Jahren seit 2020 gemäßigte Kritik geäußert, so hielt er beispielsweise eine Studie Christian Drostens für falsch, die diesen zu einer Warnung vor „unbegrenzter Wiederöffnung von Schulen und Kindergärten“ in der Lockdown-Zeit veranlasste. Im Februar dieses Jahres bezeichnet Kekulé den Umgang in dieser Zeit mit Andersdenkenden als „Entmündigung„. Stefan Homburg schreibt dazu auf X:

Die Humboldt-Universität Berlin sagte einen Vortrag der Biologin Marie-Luise Vollbrecht ab, da sie die These vertritt, es gäbe nur zwei biologische Geschlechter. Wie so vielen anderen heftet ihr aufgrund dieser Einschätzung im Rahmen der Gender-Debatte das Attribut „umstritten“ an, welches sich ebenfalls der Philosoph Richard David Precht gefallen lassen muss, dessen Autorenlesung „Eine Geschichte der Philosophie“ in der Hamburger Kulturfabrik abgesagt wurde, um dem zeitgleichen Auftritt des israelischen Sängers Asaf Avidan den Vortritt zu geben. Precht unterstellte man zuvor antisemitische Äußerungen in einer Episode des Podcasts „Lanz & Precht“.

Ist die Wissenschaftsfreiheit nur noch Geschichte?

Die Freiheit von Forschung und Lehre geht auf die platonische Athener Schule der Antike zurück, in der Grundpfeiler demokratischer Gesellschaftsordnungen erarbeitet wurden. Sie ist im Artikels 5 (3) des Grundgesetzes der BRD verankert. Dennoch scheint Wissenschaftlern, die eigene Thesen vertreten, welche nicht mit denen der Regierung konform gehen, dieses Recht zunehmend verwehrt zu werden.


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Annika Hoberg

Annika Hoberg hat einen Magister in Germanistik, Anglistik und Philosophie. Sie arbeitet als Lehrerin und setzt sich als Aktivistin für Frieden, freiheitliche Werte und das Prinzip der Menschheitsfamilie ein.

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