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Milliardenschaden, keine Konsequenzen: Die politische Farce um den Cum-Ex-Skandal

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Erinnerungslücken als Strategie? Olaf Scholz und die Farce um den größten Steuerbetrug Deutschlands.
Zusammengefasst

Es ist wieder soweit: Bundeskanzler Olaf Scholz muss am 6. Dezember vor dem Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal erscheinen – zum dritten Mal. Es scheint jedoch ein Ritual zu sein, das mehr mit symbolischen Bekundungen als mit tatsächlicher Aufklärung zu tun hat. Denn Scholz, der einst als Hamburger Bürgermeister fungierte, hat ein bemerkenswert selektives Gedächtnis, das offenbar immer dann versagt, wenn es um Treffen mit Protagonisten dieses größten Steuerbetrugs in der Geschichte der Bundesrepublik geht.

„Ich habe keine eigene Erinnerung.“
„Ich habe keine detaillierte Erinnerung.“

Olaf Scholz zu Cum-Ex / SZ

Christian Olearius, ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der Warburg Bank, führte nachweislich Gespräche mit Scholz. Deren Inhalt bleibt im Dunkeln, weil der heutige Kanzler sich partout nicht erinnern will. Es ist fast bewundernswert, wie ein Mensch mit einer solch ausgeprägten Vergesslichkeit die höchsten Ämter der Bundespolitik erklimmen konnte. Die Offenbarungen aus Olearius’ Tagebüchern, die die Treffen mit Scholz minutiös dokumentieren, hätten jeden anderen in Erklärungsnot gebracht. Scholz hingegen hält stoisch an seiner Amnesie fest – eine politische Überlebensstrategie, die offenbar erfolgreich Früchte trägt.

Anne Brorhilker: Die einsame Kämpferin gab auf

Während Scholz immer wieder mit Erinnerungslücken jonglierte, hatte Anne Brorhilker, die ehemalige Chefermittlerin im Cum-Ex-Komplex, genug von der Farce. Nach über einem Jahrzehnt unermüdlicher Arbeit quittierte sie im April 2024 ihren Dienst. Der Grund: Mangelnder politischer Wille und – man staune – Versuche, ihr die Zuständigkeit für die Hälfte der Fälle zu entziehen. NRW-Justizminister Benjamin Limbach beschwichtigte prompt, die Ermittlungen seien gesichert. Bis heute gibt es jedoch keine neuen Anklagen. Die Botschaft ist klar: Steuerhinterzieher dürfen sich sicher fühlen, solange die politische Klasse ihre Schutzschirme spannt.

Brorhilker hatte in ihrer Amtszeit eine makellose Bilanz vorzuweisen: 15 Anklagen, kein Freispruch. Doch selbst dieser Erfolg war nicht genug, um politische Rückendeckung zu erhalten. Ihr Nachfolger Tim Engel versprach ambitioniert fünf Anklagen bis Jahresende 2024. Bis jetzt bleibt es bei Worten. Die „Schonzeit für Steuerhinterzieher“ hat begonnen.

Cum-Cum: Neues Kapitel, alte Muster

Der „Stern“ enthüllte kürzlich, dass Olaf Scholz und sein damaliger Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) auch bei Cum-Cum-Geschäften der HSH Nordbank versagt haben. Diese fragwürdigen Deals zwischen 2003 und 2012, die dem Fiskus 275 Millionen Euro entzogen, wurden der Hamburger Finanzverwaltung bereits 2017 bekannt. Während Olaf Scholz als Bürgermeister und Peter Tschentscher als damaliger Finanzsenator agierten, schien niemand einen Grund zu sehen, die verlorenen Millionen einzufordern. Vielleicht war man schlicht zu beschäftigt, Erinnerungslücken zu kultivieren. Die Nachfolgebank HCOB behauptet, alles sei ordnungsgemäß gewesen. Natürlich. Schließlich schützt das Steuergeheimnis offenbar nicht die Allgemeinheit, sondern vor allem die Täter.

Christian Olearius: Verfahrenseinstellung als Freibrief

Ein weiteres Highlight im Cum-Ex-Drama war die Einstellung des Verfahrens gegen Christian Olearius, ehemals Co-Chef der Warburg Bank. Gesundheitliche Gründe wurden angeführt. Verständlich, denn ein Prozess, der Steuerhinterziehung in 14 Fällen behandelt, könnte einen 82-Jährigen durchaus überfordern. Dass Olearius nicht verurteilt wurde, könnte fast als humanitärer Akt gewertet werden, wenn es nicht so zynisch wäre. Denn während Kleinkriminelle wegen Bagatelldelikten vor Gericht landen, dürfen Großbetrüger offenbar in Ruhe ihren Lebensabend genießen. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie geschickt die Reichen und Mächtigen das System für sich zu nutzen wissen.

Der Fall Stephan Harbarth: Ein Verfassungsrichter mit zweifelhaftem Profil

Die Berufung von Stephan Harbarth, ehemaliger Anwalt, Cum-Ex-Erfinder und Lobbyist, zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts wirft ein grelles Licht auf die Verflechtung von Wirtschaft und Recht in Deutschland. Seine Vergangenheit als Partner in Kanzleien, die an der rechtlichen Begleitung von Cum-Ex-Geschäften beteiligt waren, ist nicht bloß ein Detail, sondern ein Zeichen für strukturelle Probleme. Diese Personalie nährt den Verdacht, dass in Deutschland häufig diejenigen mitgestalten, die zuvor von bestehenden Grauzonen profitierten. Die Glaubwürdigkeit des höchsten Gerichts der Republik wird so nicht nur angekratzt, sondern grundlegend in Frage gestellt. Ein solches Signal kann in Zeiten wachsender Skepsis gegenüber den Eliten kaum falscher sein.

Ein Schlusswort ohne Hoffnung

Der Cum-Ex-Skandal und seine schleppende Aufarbeitung stehen beispielhaft für die Schwächen eines Systems, das scheinbar stärker darauf bedacht ist, die Interessen mächtiger Akteure zu schützen, als konsequent gegen Steuerbetrug vorzugehen. Während kleine Steuersünder rigoros verfolgt werden, können sich prominente Figuren wie Olaf Scholz, Peter Tschentscher oder Christian Olearius auf einen Rechtsstaat verlassen, der durch Erinnerungslücken und systemische Dysfunktionalität auffällt. Die 65. Sitzung des Hamburger Untersuchungsausschusses bietet wenig Hoffnung auf echte Aufklärung – eher wird erwartet, dass weitere Lücken in der Erinnerung des Bundeskanzlers zutage treten.

Parallel dazu könnte das geplante Bürokratieentlastungsgesetz die Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals noch weiter gefährden. Es sieht vor, die Aufbewahrungsfristen für steuerlich relevante Belege von zehn auf acht Jahre zu verkürzen, obwohl die Verjährungsfrist für Cum-Ex-Vergehen auf 15 Jahre verlängert wurde. Kritiker wie die Organisation Finanzwende warnen, dass dies den Tätern ermögliche, entscheidende Beweise zu vernichten, bevor sie rechtlich belangt werden könnten. Angesichts der bisherigen Verluste von geschätzten 45 Milliarden Euro durch Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte und der schleppenden Rückholung dieser Gelder wäre dies ein erheblicher Rückschlag für die Steuerjustiz.

Das Zusammenspiel aus politischer Trägheit und möglichen rechtlichen Schlupflöchern offenbart eine tiefe Krise in der deutschen Rechts- und Steuerpolitik, die dringend reformiert werden muss, um das Vertrauen in den Rechtsstaat wiederherzustellen.

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Janine Beicht

Janine Beicht ist gelernte Kommunikationsdesignerin, arbeitet aber seit 2020 im Gesundheits- und Sozialwesen. Als Aktivistin engagiert sie sich besonders auf dem Gebiet der Psychologie unter dem Aspekt der jeweiligen politischen Machtinteressen.

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