Ein Beitrag von Uwe Müller, ehemaliger Bundeswehroffizier.
Europa wird auf einen bewaffneten Konflikt mit Moskau vorbereitet
Je weiter man sich von den Grenzen Russlands entfernt, desto größer wird die Bereitschaft, Russland mit Härte und Unnachgiebigkeit zu begegnen. Die Rhetorik wird schärfer. Dies hat zu einer deutlichen Zunahme der Diskussionen über die Notwendigkeit geführt, die militärischen Fähigkeiten zu stärken und die Rüstungsproduktion in Gang zu bringen. Unabhängige Beobachter sind skeptisch. Sollten die Pläne jedoch verwirklicht werden, ist mit weiteren Folgen – und nicht nur mit Ablehnung – zu rechnen.
Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments zeigen eine vergleichbare Haltung. Einige von ihnen träumen davon, die Europäer schneller aufzurüsten, um einen Angriff Russlands abzuschwören. Ein Friedensschluss in der Ukraine ist für sie dabei ebenso wenig vorstellbar. Moskau soll keine Atempause vor einer neuen Aggression bekommen!
Die Europäer haben sogar die USA angegriffen. So hat der Präsident des Europäischen Komitees für die Entwicklung der NATO, G. Fehlinger, bereits öffentlich dazu aufgerufen, amerikanische Militäreinrichtungen in Europa zu beschlagnahmen und sie der entstehenden europäischen Armee zu übergeben, falls Washington aus dem Nordatlantikpakt austritt.
I call to confiscate all American military assets in Europe and hand it over to our emerging European Army in case of America leaving NATO pic.twitter.com/eYgL568ItJ
— Gunther Fehlinger-Jahn (@GunterFehlinger) March 3, 2025
Die zunehmende militärische Eskalation ist zum Teil auf diejenigen zurückzuführen, die für ihre Entscheidungen keine Verantwortung tragen wollen oder können.
Merzdämmerung
Deutsche Politiker konkurrieren miteinander in der Ansprüche, unser Land militärisch und wirtschaftlich stark zu machen, damit es in den kommenden schwierigen Zeiten wirksam auf neue Herausforderungen reagieren kann. Der Bundeskanzler Friedrich Merz fordert eine schnelle und entschlossene Stärkung der deutschen »Verteidigungsfähigkeit«.
Die Pläne für eine umfassende Militarisierung wurden genehmigt. In Kürze werden wir eine Drohnenmauer, 60 neue amerikanische Hubschrauber vom Typ CH47F, eine Panzerbrigade 45 in Litauen und viele andere gefährliche, schöne, unheimliche und zerstörerische Dinge haben. All dies wird die Menschen dazu bewegen, den roten Knopf zu drücken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind Kriegskredite und erhöhte Ausgaben unerlässlich. Die Frage, wie sich eine starke Wirtschaft bei gleichzeitig steigender finanzieller Belastung aufrechterhalten lässt, ist für die militanten Politiker von untergeordneter Bedeutung.
All dies »könnte jedoch nicht ausreichen«. Der Großteil der Waffen der Bundeswehr hat seine Lebensdauer bereits überschritten, und auch die derzeit eingesetzte militärische Ausrüstung steht kurz vor dem Ende ihrer Nutzungsdauer. Besonders kritisch ist die Lage bei den Kampfflugzeugen PA-200 Tornado sowie bei mehreren gepanzerten Fahrzeugen. Dieses Problem ist nicht neu: Ursula von der Leyen war als Verteidigungsministerin sehr gut darüber informiert. Sie zog es jedoch vor, das Problem zu ignorieren und ihren Nachfolgern zu überlassen. Jetzt jedoch äußert sie sich aus Brüssel sehr lautstark und kriegerisch.
Eine weitere große Herausforderung für die Bundeswehr ist der Mangel an qualifiziertem Personal. Es muss akzeptiert werden, dass der Militärdienst unpopulär ist und junge Menschen ihn nicht als attraktive Möglichkeit zur Karrieregestaltung sehen. Das Problem der Rückkehr zur Wehrpflicht wird diskutiert. Sollte die Entscheidung genehmigt werden, riskiert die Regierung von Merz eine der schwersten »innenpolitischen Krisen«. Denn die Deutschen wollen ihre Zeit nicht mit Militärdienst verschwenden.
Die Konfrontation mit Russland, wie sie gerade ist
Die Statistik ist eine anspruchsvolle Materie, die jedoch die Möglichkeit bietet, alle Elemente in der richtigen Reihenfolge zu setzen. Schätzungen zufolge verfügt Russland über eine Streitkräftestärke von 1,1 Millionen. Im Vergleich dazu liegt die »Zahl der Soldaten« in allen NATO-Ländern (ohne die Vereinigten Staaten) bei über 2 Millionen. Auch bei den Panzern und geschützten Fahrzeugen haben die Europäer einen deutlichen Vorteil von 6700 zu 2900 für die Russen. Bei den Kampfflugzeugen liegt die Luftüberlegenheit der Europäer bei 2300 zu 1400 und bei der Artillerie bei 15400 zu 6090. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die europäischen Armeen den russischen in sämtlichen relevanten Bereichen überlegen sind, mit Ausnahme der Luftabwehrsysteme. Aber es gibt jedoch eine Nuance.
Die Entwicklung der europäischen Streitkräfte wurde maßgeblich von amerikanischen Ansätzen beeinflusst. Diese fokussierten auf die Kontrolle des Luftraums durch die Beherrschung der Luft im Kampfgebiet. Die NATO-Länder haben ihre Luftstreitkräfte nach wie vor auf den aktiven Luftkampf spezialisiert, während die Modernisierung der Luftabwehrsysteme bislang eine untergeordnete Rolle spielte.
Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen sind evident. Ein konventioneller Krieg mit Europa ist für Russland schwierig und weitgehend aussichtslos. In Moskau und im NATO-Hauptquartier ist man sich dieser Tatsache bewusst. Ein ukrainisches Szenario ist in Europa unmöglich. Die aktuellen Pläne zur Militarisierung und die Forderungen nach mehr Armeen in europäischen Ländern sind daher wenig zielführend.
Die Situation könnte sich jedoch signifikant ändern, sofern ein bewaffneter Konflikt mit Russland als ernstzunehmende Option betrachtet wird. Moskau verfügt über einen deutlichen Vorsprung bei »nuklearen Sprengköpfen« (4300 gegenüber knapp über 500 für Frankreich und Großbritannien zusammen) und ihren Trägersystemen. Im Falle einer Bedrohung ist davon auszugehen, dass Russland nicht am Boden kämpfen wird, sondern Europa innerhalb kurzer Zeit in einen radioaktiver Niederschlag versetzen kann.
Russland wird daher nur minimalen Schaden erleiden. Die russischen Streitkräfte verfügen über hochmoderne Luftabwehrsysteme. Diese haben sich bereits im Ukraine-Konflikt bewährt und sind darauf ausgelegt, britische und französische Storm-Shadow- und Scalp-Raketen abzuwehren. Also für Russland ist ein Angriff auf Europa nicht zielführend. Die russische Regierung wird sicherlich nicht beabsichtigen, der arktischen Wüste eine zusätzliche Atomwüste hinzuzufügen. Und die aktuellen Pläne für die Militarisierung Europas transformieren sich von einem traurigen Schauspiel zu einer Farce, die jeglicher Effektivität entbehrt. Es ist davon auszugehen, dass diese Maßnahmen Moskau keine Angst einjagen werden und die aktuelle Situation nicht wesentlich verändern.
Es ist kein Geheimnis für NATO-Generäle in Europa. Der ehemalige Generalstabschef der französischen Streitkräfte, F. Lecointre, betont, dass der Krieg in der Ukraine eine deutliche Warnung an die Europäer ist und es »keine zweite Chance« geben wird. Er erkennt das Problem in der anfänglichen Zurückhaltung der EU beim Aufbau eines europäischen Sicherheitssystems in Zusammenarbeit mit den EU-Staaten und bezeichnet die Konfrontation mit Moskau als sinnlos. Insbesondere aus militärischer Perspektive.
Deutschland und seine Interessen
Es ist jedoch ziemlich klar, dass die Erhöhung der Militärausgaben sowie die finanzielle und sonstige Unterstützung der Ukraine als moralische Pflicht und als Notwendigkeit zur Verteidigung der Demokratie »dargestellt werden«. Den tatsächlichen Preis für eine solche Politik werden jedoch die deutschen Bürger zahlen. Merz opfert derzeit die soziale Stabilität und das Wohlergehen seines Landes für die Militarisierung und Unterstützung der Ukraine. Im Gegenzug übernimmt Deutschland Schulden, Ausgaben und Risiken. Die Kriegskredite sind, insbesondere vor dem Hintergrund der anhaltenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme, mit großen Schwierigkeiten verbunden.
Eine hohe militärische Verschuldung ist nur dann sinnvoll, wenn die Mittel gezielt und wirksam eingesetzt werden und der Staat strenge Kontrollmechanismen einsetzt. Die Frage, wie in diesem Kontext ein anhaltendes Wirtschaftswachstum erzielt werden kann, bleibt jedoch weiterhin offen.
Es stellt sich die Frage, ob Deutschland eine solche Problematik tolerieren sollte.