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Verzweifelter Mann in JVA
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Menschenunwürdige Behandlung der Tatverdächtigen im sog. „Reichsbürgerprozess“ in Frankfurt

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Demütigungen wie mehrfach tägliche ausgiebige Leibesvisitationen aller Körperöffnungen, Betreten des Gerichtsgebäudes in Handschellen samt Fesselgürtel und Durchsuchungen des Lunchpakets im Zuge der Frankfurter Verfahren veranlassten einen besorgten "Angehörigen" dazu, Kontakt zu HAINTZ.media aufzunehmen.
Zusammengefasst

Wir stellten daraufhin entsprechende Presseanfragen. Antwort erhielten wir nur vom OLG Frankfurt selbst, nicht allerdings von den drei JVA‘s, in denen die Angeklagten untergebracht sind.

Der viel beachtete sog. Reichsbürgerprozess, begleitet von einer aufsehenerregenden Verhaftung und Vorverurteilung in den Medien, führte zu heftiger Kritik seitens der Verteidiger bezüglich des Umgangs mit den Angeklagten durch die Justiz. Die Anwälte von Prinz Reuß wiesen speziell auf die wiederholten demütigenden Leibesvisitationen hin, die ihr Mandant bei jedem Weg zwischen der Justizvollzugsanstalt und dem Gericht über sich ergehen lassen müsse.

Hilferuf aus der JVA

Entsprechend wandte sich jüngst eine Person mit der Schilderung ähnlicher Maßnahmen an uns, der das Vorgehen in Frankfurt bei einem Besuch in der JVA aus erster Quelle beschrieben wurde.

Anmerkung: Namen und geschlechtsspezifische Anreden wurden aus der nachfolgenden Mail durch die Redaktion zwecks Vermeidung von jeglichen Rückschlüssen auf die Person der/des Angeklagten entfernt, um diese keinen weiteren Repressalien in der Justizvollzugsanstalt auszusetzen. Am Ende der Nachricht wurde ein Teil aus rechtlichen Gründen nicht abgedruckt. (Wir bitten um Verständnis bzgl. etwaig erschwerter Lesbarkeit.)

„Ich habe noch ein Anliegen, vielleicht können/wollen Sie mir die Frage beantworten.

Ich, […] stehe […], […] in Frankfurt wegen Terror und Hochverrat angeklagt ist, persönlich sehr nahe.

Ich habe […] heute im Gefängnis besucht. Was […] mir über die Umstände des Transports von der JVA in den Gerichtssaal und zurück heute erzählte, ist ungeheuerlich.

Bei Antritt der Fahrt ins Gericht erfolgt eine intensive Leibesvisitation. Beim Eintreffen im Gericht wird das Lunchpaket, das die JVA den Angeklagten für die Mittagspause mitgibt, auseinandergenommen. Die Angeklagten werden mit einem Fesselgürtel ins Gericht hineingeführt. Beim Verlassen des Gerichts müssen die Angeklagten sich vollständig entkleiden, ihre Bekleidung wird gescannt, sie selbst werden einer intensiven Leibesvisitation unterzogen, mit Inspektion aller Körperöffnungen. [Unter den Angeklagten sind drei Frauen.]

Erklärung: Man wolle jedes Risiko für die SEK-Beamten ausschließen. Dieselbe demütigende Prozedur müssen die Angeklagten beim Eintreffen in der JVA erneut über sich ergehen lassen.
Begründung: Unklare Zuständigkeiten.

Ich glaube, ich lehne mich nicht sehr weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass es so etwas in Deutschland seit 1989 oder sogar womöglich seit 1945 nicht mehr gegeben hat.

Die Tagesschau hat in einem Online-Beitrag geschrieben, dass die Anwälte von Prinz Reuß sich über demütigende Leibesvisitationen ihres Mandanten beschweren. Das trifft, wie ich heute erfahren habe, auf alle neun Angeklagten zu. […] war ja Tag des Grundgesetzes und es wurden salbungsvolle Reden über ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar‘ gehalten. Am […] wurden neun Menschen auf diese unwürdige Weise behandelt. Soviel ist ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar‘ in Wahrheit wert.

Ich bitte, meinen emotionalen Tonfall zu entschuldigen. Das betrifft einen mir sehr lieben Menschen.
(…)

Mit freundlichen Grüßen“

E-Mail an Markus Haintz im Mai 2024

Rücksprache mit einem Verteidiger

Rückfragen unsererseits bei einem der Verteidiger in Frankfurt ergaben, dass der obige Sachverhalt korrekt ist, mit der Einschränkung, dass die Angeklagten nicht mit einem Fesselgürtel ins Gericht geführt werden, sondern nur zum Gericht.

Presseanfrage an das OLG Frankfurt

Wir haben uns daraufhin mit einer Presseanfrage direkt an das Oberlandesgericht Frankfurt gewandt, um weitere Informationen und Antworten zu den oben genannten Maßnahmen zu erhalten.

„Sehr geehrte Damen und Herren,

(…)

Bezüglich des obigen Sachverhalts habe ich folgende Fragen:

  1. Entspricht der obige Augenzeugenbericht den Tatsachen, falls nicht komplett, inwieweit?
  2. Halten Sie es mit der Menschenwürde für vereinbar, insbesondere aufgrund der Unschuldsvermutung, derartige Leibesvisitationen und sonstige entwürdigende Maßnahmen durchzuführen? Auf welche Rechtsgrundlage stützen Sie dies?
  3. Was passiert, wenn sich die Angeklagten weigern, den Maßnahmen, insbesondere den Leibesvisitationen Folge zu leisten?
  4. Inwieweit geht von den zumeist doch eher betagten Angeklagten eine Gefahr für SEK-Beamte aus? Insbesondere unter dem Aspekt, dass SEK Beamte Mitglieder speziell ausgebildeter Sondereinsatzkommandos sind.
  5. Wird in anderen Verfahren gegen beispielsweise mutmaßliche Mörder, Gewaltverbrecher und Clanmitglieder mit ähnlichen Maßnahmen gearbeitet?
  6. Warum müssen die Angeklagten aufgrund von „unklaren Zuständigkeiten“ dieselbe Prozedur mehrfach durchlaufen?
  7. Werden die „Mitangeklagten“ im Parallelprozess vor dem Oberlandesgericht Stuttgart ähnlichen Prozeduren unterzogen und gibt es zwischen den beiden Oberlandesgerichten diesbezüglich Abstimmungen?
     
    Ich bitte um Rückmeldung bis spätestens […].
     
    Mit freundlichen Grüßen
    Markus Haintz“

Presseanfrage HAINTZ.media an OLG Frankfurt

Das OLG Frankfurt antwortete wie folgt:

„Sehr geehrter Herr Haintz,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Die Thematik wurde bereits in der Hauptverhandlung erörtert. Seitens des Gerichts besteht keine Anordnung, die Angeklagten im unbekleideten Zustand zu durchsuchen. Ebenfalls besteht keine gerichtsseitige Anordnung, die Lunchpakete zu durchsuchen. Die Angeklagten betreten auch ohne jegliche Form von Fesseln den Verhandlungssaal.

Hinsichtlich der Durchsuchungsvorgaben der JVA‘s bzw. des SEK und der dortigen Gefahreneinschätzung wenden Sie sich bitte an die dortigen Stellen; das Gericht kann insoweit nur zu den hier zu verantwortenden Abläufen Stellung nehmen.

Hinsichtlich des Prozesses in Stuttgart und der dortigen Umstände stellte ich anheim, die dortige Pressestelle zu kontaktieren. Abstimmungen bestehen nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Der Präsident
Im Auftrag

Dr. G.F.B.“

Email / Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Presseanfragen an Justizvollzugsanstalten

Aufgrund der Antwort des OLG Frankfurt wandten wir uns direkt an die JVA´s Frankfurt I, Frankfurt III und Weiterstadt, mit einer leicht abgewandelten Presseanfrage bezüglich den Fragen Nummer 7 und 8.

(…)

7. Auf welcher Rechtsgrundlage basieren die obigen Maßnahmen?
8. Wer hat die Maßnahmen angeordnet?

Presseanfrage HAINTZ.media an JVA´s

Eine Antwort erhielten wir von keiner der 3 Justizvollzugsanstalten, dies ist äußerst bedenklich.

Die Menschenwürde gilt auch für Strafgefangene

Eine Untersuchungshaft darf keinesfalls einen strafenden Charakter haben, da dies dem Grundsatz der Unschuldsvermutung widerspricht. Die tatsächliche Behandlung der Inhaftierten steht im klaren Gegensatz zu diesem grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzip. Es ist unerlässlich, die Rechte der Tatverdächtigen zu wahren und eine rechtstaatliche Strafverfolgung zu gewährleisten.

Für Inhaftierte stellt die Untersuchungshaft eine besondere Belastung dar. Sie kann theoretisch jeden treffen, da die Schuldfrage erst noch geklärt werden muss. Der Betroffene wird abrupt aus seinem sozialen Umfeld entfernt und ist nahezu vollständig von der Außenwelt isoliert.

Eine derartig demütigende Behandlung, wie sie uns geschildert und durch Aussagen der Verteidiger bestätigt wurde, missachtet die Menschenwürde. Die meisten Strafgefangenen erdulden derartige rechtswidrige Behandlungen, um in der Haft nicht noch weitere Nachteile zu erleiden.

Da alle drei Justizvollzugsanstalten bezüglich der obigen Maßnahmen – soweit bekannt – sehr ähnlich agieren, muss es hier eine Anweisung oder Absprache geben. Bis heute sind die Zuständigkeiten und Rechtsgrundlagen für die Maßnahmen jedoch nicht geklärt.

Aus dem Parallelverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart sind derartige menschenunwürdige Maßnahmen nicht bekannt, was die Frage aufwirft, warum Gefangene in Frankfurt entwürdigt werden „müssen“, wenn dem in Stuttgart nicht so ist.

Die Menschenwürde ist unantastbar und gilt für jeden, auch für Strafgefangene. Offenbar sehen das einige der Verantwortlichen rund um den sog. „Reichsbürgerprozess“ anders. Die demütigenden Durchsuchungsmaßnahmen in Frankfurt müssen umgehend beendet werden!

Ich appelliere an die jeweiligen Verteidiger, dieses Thema auch öffentlich anzusprechen und eine gerichtliche Klärung der Rechtmäßigkeit dieser entwürdigenden Maßnahmen herbeizuführen.

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Markus Haintz

Markus Haintz ist Journalist und Rechtsanwalt mit dem juristischen Schwerpunkt in den Bereichen Medien- und Äußerungsrecht. Journalistisch befasst er sich vor allem mit den Themen Meinungsfreiheit, Recht sowie Innen- und Außenpolitik.

4 Antworten

  1. Sehr geehrter RA Haintz,
    Ich schliesse mich mit meinem Dank an die anderen Kommentierenden an.
    Darf ich bitte darauf hinweisen, dass RA Fuellmich zwar nicht ganz genau so aber doch erschreckend ungebührlich behandelt wird, Handschellen, Bauchgürtel usw
    Am unwürdigsten war seine Isolierung fuer 3 Tage Anfang Mai OHNE Erlaubnis, Anwälte oder Ehefrau usw zu kontaktieren. Abgesehen davon, dass es sich meiner Meinung nach an einen an den Haaren herbeigezogenen Stummhaltungs-Fall handelt, ihn seit mehr als 7 Monaten in U-Haft zu halten.
    LG – und Dank im voraus, wenn Sie hier irgendwie tätig sein koennen

  2. Indignante, e improcedente…!
    Debe investigarse a fondo, cuidando de no exponer a los detenidos. Que informen y declaren a conciencia, y bajo juramento. De ser verdad, tienen que tener derecho a protección y defensa de sus abogados, sean ó no, inocentes. Y, de serlo, peor aún, ya que son violaciones gravísimas en todas las dimensiones, además, que pueden ser ex profeso, contaminados y hasta envenenados por esas vías sometidas. Aberrante..! No les interesa la recuperación del individuo. Subhumano, criminal, y pervertido proceder, si fuera así, de autoridades superiores, y de las cárceles/correccionales. Según el escrito de O. Wilde, “ Balada de la cárcel de Ridding“, al menos, un guardián, tuvo compasión y trato humano hacia él. En éste caso, al parecer, ya ninguno. Evolución en el siglo XXI? Quizás sólo tecnológica. Hijos de Dios? Cristianos? Seguro que no.

    1. Übersetzung: „„Ungeheuerlich und unangemessen…!
      Es muss gründlich untersucht werden, wobei darauf zu achten ist, dass die Inhaftierten nicht bloßgestellt werden. Sie sollen nach bestem Wissen und Gewissen und unter Eid aussagen. Wenn es wahr ist, müssen sie das Recht auf Schutz und Verteidigung durch ihre Anwälte haben, ob sie nun unschuldig sind oder nicht. Und wenn sie unschuldig sind, ist es noch schlimmer, denn es handelt sich um schwerwiegende Verstöße in allen Dimensionen, außerdem könnten sie durch diese unterdrückten Mittel absichtlich kontaminiert und sogar vergiftet werden. Das ist abscheulich…! Sie sind nicht an der Genesung des Einzelnen interessiert. Untermenschliches, kriminelles und perverses Verhalten, wenn das der Fall ist, von höheren Behörden und von Gefängnissen/Vollzugsanstalten. Nach O. Wildes „Ballad of Ridding’s Prison“ hatte“

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