Erpressung im Machtpoker: Aiwanger knickt ein

Hubert Aiwanger, der 54-jährige Chef der Freien Wähler, hat sich in einem bemerkenswerten Akt der Selbsterhaltung entschieden, seine Prinzipien über Bord zu werfen und das milliardenschwere Schuldenpaket von Union und SPD doch nicht zu torpedieren. Der Mann, der sich gerne als bodenständiger Rebell inszeniert, zeigte nun sein wahres Gesicht: Einer, der lieber mitspielt, als den Heldentod zu sterben. Warum? Weil Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (58, CSU) ihm offenbar die Pistole auf die Brust gesetzt hat. Ein kritischer Blick auf die Hintergründe zeigt: Hier geht es weniger um Überzeugung als um blanken Machterhalt und das auf Kosten der Steuerzahler.

Söders Schatten: Drohung als politisches Druckmittel

Aiwanger macht unmissverständlich klar, wie kritisch die Situation für ihn war. Wäre es sein Wunsch gewesen, würde er jetzt nicht als stellvertretender Ministerpräsident und Minister auftreten, sondern wäre bereits entlassen.

„Es war die Alternative, dann aus der Regierung zu fliegen, ohne etwas bewegt zu haben.“

»Hubert Aiwanger / Augsburger Allgemeine«

Übersetzt: Söder hätte ihn kaltgestellt, hätte er im Bundesrat am Freitag gegen die Grundgesetzänderung gestimmt. Die Erpressung war glasklar und sie hat gewirkt. Statt sich jedoch dagegen zu wehren, hat Aiwanger eingelenkt, obwohl seine Partei noch vergangene Woche lautstark Bedenken gegen das XXL-Finanzpaket äußerte.

„Wir sagen nein. […] Aus jetziger Sicht sehen wir uns nicht in der Lage, dem zuzustimmen.“

»Hubert Aiwanger / Bayrischer Rundfunk«

Was wäre passiert, wenn er standhaft geblieben wäre? Aiwanger selbst liefert die Antwort: „Am Freitag würde ohne mich die Hand gehoben.“ Bayern hätte mit seinen sechs Stimmen im Bundesrat trotzdem zugestimmt, nur säßen dann wohl SPD-Politiker statt Freier Wähler in der Münchner Regierung. Söder, der Machtstratege, hätte kurzerhand die Koalition gekippt und sich neue Partner gesucht. Aiwangers Kapitulation war also kein Akt des Mutes, sondern ein Kniefall vor der Realpolitik.

Ein fauler Deal mit hohem Einsatz

»Die Grundgesetzänderung«, die am heutigen Freitag im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit (46 von 69 Stimmen) benötigt, ist nun dank Bayerns sechs Stimmen durchgegangen. Doch was bedeutet das? Ein milliardenschweres Schuldenpaket ist durchgewunken, das die Freien Wähler eigentlich kritisch sahen. Aiwanger versucht, seinen Sinneswandel zu rechtfertigen:

„Das sinnvolle Einsetzen dieser Gelder zu fordern ist doch allemal besser, als zu sagen, ich bin daran gescheitert.“

»Hubert Aiwanger / WeLT«

Klingt nobel, ist es aber nicht. Denn hinter der rhetorischen Schönfärberei steckt die bittere Wahrheit: Er hat sich für den Machterhalt entschieden, statt für eine echte Alternative zu kämpfen.

Zur Klarstellung: Eine generelle Ablehnung der schwarz-roten Vorschläge im Bundesrat wäre für die FREIEN WÄHLER jedoch NICHT durchsetzbar gewesen und hätte das Ende unserer Regierungsbeteiligung in Bayern noch vor der Sitzung des Bundesrats am Freitag bedeutet, die Vorschläge…

— FREIE WÄHLER Bayern (@fw_bayern) March 17, 2025

»FREIEWÄHLER / 𝕏«

Die Kehrtwende kam nicht aus heiterem Himmel. Noch vor einer Woche hatten die Freien Wähler massive Vorbehalte geäußert. Doch nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses am Montag war plötzlich alles anders: CSU und Freie Wähler einigten sich auf die Zustimmung. Was genau in diesem Hinterzimmer-Deal ausgehandelt wurde, bleibt nebulös. Fest steht: Aiwanger hat seine Skepsis gegen ein Druckmittel eingetauscht und die Wähler dürfen die Zeche zahlen.

„Toter Held“ oder lebender Opportunist?

Aiwangers zynische Frage „Was, wenn ich dann ein toter Held bin?“ legt den Kern seiner Entscheidung offen. Er hatte die Wahl: Entweder als Märtyrer für seine Überzeugungen untergehen oder als Mitläufer überleben. Er wählte Letzteres. Doch diese Entscheidung ist mehr als ein persönlicher Kompromiss, sie ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die von den Freien Wählern eine kritische Haltung gegenüber der Schuldenpolitik erwartet haben. Stattdessen gibt es nun Reformdruck-Light: Aiwanger will „sinnvolle Einsätze“ der Gelder einfordern. Wie das aussehen soll, bleibt vage und genau das macht seinen Kurswechsel so ärgerlich.

Neben der breiten Kritik an Aiwangers opportunistischem Rückzieher meldet sich auch Hans-Georg Maaßen zu Wort. Auf 𝕏 attackiert er Aiwanger scharf und wirft ihm fehlende Standhaftigkeit vor – ein Vorwurf, der angesichts der politischen Wankelmütigkeit des FW-Chefs kaum von der Hand zu weisen ist.

Na und, dann hätte er Sie entlassen. Wenn’s drauf ankommt, ist Ihnen der eigene Job wichtiger als unser Land. Rückgratlos. Das unterscheidet uns.#Aiwanger pic.twitter.com/WRnDj7awed

— Hans-Georg Maaßen (@HGMaassen) March 21, 2025

»Hans-Georg Maaßen / 𝕏«

Macht vor Moral: Ein Lehrstück in Bayerischer Realpolitik

Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack. Aiwanger verkauft seine Zustimmung als strategischen Schachzug, doch in Wahrheit ist es ein Armutszeugnis. Er hat nicht nur seine eigene Partei verraten, sondern auch die Idee, dass Politik mehr sein könnte als ein Spiel um Posten und Pfründe. Söder mag den Ton angeben, aber Aiwanger tanzt brav nach seiner Pfeife und das Grundgesetz wird gleich mit umgeschrieben.

Die Steuerzahler dürfen sich nun auf ein milliardenschweres Experiment einstellen, dessen Nutzen fraglich bleibt. Aiwanger mag seinen Stuhl gerettet haben, doch die Frage bleibt: Zu welchem Preis? Ein „toter Held“ ist er nicht geworden dafür ein lebender Beweis, dass Prinzipien in der Politik oft nur so lange halten, bis die Macht ins Wanken gerät.