Heute, am 13. Mai 2025, hat die deutsche Staatsmacht zugeschlagen: Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat den Verein „Königreich Deutschland“ (KRD) verboten und dessen Gründer Peter Fitzek sowie drei weitere Männer festnehmen lassen.

Hunderte Polizeibeamte durchsuchten in sieben Bundesländern Gebäude und Wohnungen, um Beweise für verfassungsfeindliche Aktivitäten zu sichern. Doch was steckt hinter diesem Schlag gegen die sogenannten Reichsbürger? Ist es ein legitimer Kampf gegen Extremismus oder ein Versuch, abweichende Lebensentwürfe zu kriminalisieren?
»Bundesinnenminister Alexander Dobrindt zum Verbot / Phoenix YouTube«
Ein „Gegenstaat“ im Visier: Dobrindts Begründung
„Das ‚Königreich Deutschland‘ wurde 2012 in Wittenberg von seinem ‚Obersten Souverän‘ Peter Fitzek ausgerufen und gilt mit nach eigenen Angaben etwa 6.000 Anhängerinnen und Anhängern als derzeit mitgliederstärkste Vereinigung aus dem Spektrum der sog. Reichsbürger und Selbstverwalter in Deutschland.“
»Pressemitteilung / Bundesinnenministerium«

Diese Einschätzung der Behörden ist zentral für das Verbot, doch die Begriffe „Gegenstaat“ und „wirtschaftskriminell“ sind weit gefasst. Zudem würden antisemitische Verschwörungstheorien die Ideologie des Vereins stützen. Eine neutrale Betrachtung muss prüfen, welche konkreten Handlungen diese Vorwürfe belegen, da die offizielle Darstellung allein nicht ausreicht, um die Komplexität der Situation zu erfassen.
Großrazzia in sieben Bundesländern: Der Einsatz
Seit den frühen Morgenstunden des 13. Mai 2025 waren Polizeikräfte in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen aktiv.
Das BMI hat heute Morgen den Verein »Königreich Deutschland« verboten. Kräfte des LKA durchsuchen derzeit fünf Objekte in #Sachsen. Ziel ist die Sicherstellung von Vereinsvermögen & Beweismitteln. Verstöße gegen das Vereinsverbot sind strafbar.
— Polizei Sachsen (@PolizeiSachsen) May 13, 2025
Mehr dazu: https://t.co/jlG9kGzcoL pic.twitter.com/AQ4DzoAENE
Insgesamt 14 Objekte, darunter Vereinsliegenschaften und Privatwohnungen führender Mitglieder, wurden durchsucht. Ziel war es, Vereinsvermögen zu beschlagnahmen und Beweismittel zu sichern, die die verfassungsfeindlichen Aktivitäten des KRD belegen sollen. Laut dem Bundesinnenministerium basiert die Operation auf langwierigen Ermittlungen in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz und anderen Behörden. Auch die Online-Plattformen des Vereins und seiner Teilorganisationen wurden gesperrt.

In Halsbrücke (Sachsen) wurde Peter Fitzek festgenommen, wie Kay Anders, Sprecher des LKA Sachsen, bestätigte. Weitere Durchsuchungen fanden in Leipzig, Dresden, der Sächsischen Schweiz und Döbeln statt und sollten den ganzen Tag andauern. Die Größe des Einsatzes zeigt die Entschlossenheit der Behörden, die Strukturen des KRD zu zerschlagen.
Peter Fitzek: Der „König“ und seine Vision
Peter Fitzek, 59, ist das Gesicht des „Königreichs Deutschland“. 2012 rief der gebürtige Hallenser in der Lutherstadt Wittenberg seinen „Fantasiestaat“ aus und ernannte sich selbst zum „Obersten Souverän“. Als gelernter Koch und Karatelehrer baute er eine Bewegung auf, die laut Behörden Tausende Anhänger anzog. Fitzek führte eigene Banken und Versicherungen ein, die ohne Genehmigung operierten. Sein Konzept: ein steuerfreies, zinsloses Wirtschaftssystem, unabhängig von staatlichen Regeln.

Die Behörden stufen Fitzek als Reichsbürger ein, doch er selbst lehnt diese Zuschreibung ab. Sein „Königreich“ sei mehr als ein Protest, es sei ein Versuch, eine alternative Lebensweise zu schaffen. Kritiker werfen ihm vor, Anhänger in finanzielle Abhängigkeit zu locken, aber seine Vision zog Menschen an, die staatliche Strukturen als repressiv empfanden. Fitzeks Festnahme in Halsbrücke und sein Transport nach Karlsruhe, wo er einem Ermittlungsrichter vorgeführt wird, markieren einen Tiefpunkt seiner Bewegung.
»Die Anfänge des „Königreichs Deutschland“ / SPIEGEL TV (2012) / SPIEGEL YouTube«
Die Mitstreiter: Wer sind die Festgenommenen?
Neben Peter Fitzek wurden drei weitere Männer festgenommen: Benjamin M., Martin S. und Mathias B. Die beiden Erstgenannten zählten zu den Gründungsmitgliedern des Vereins und bildeten gemeinsam mit Fitzek die Führungsspitze, wobei Martin S. als dessen Stellvertreter fungierte. Mathias B., der 2013 zur Gruppe stieß, war für die finanziellen Angelegenheiten verantwortlich. Die Zugriffe erfolgten in den Bundesländern Sachsen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz. Alle vier sollen am 13. und 14. Mai dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt werden, der über mögliche Haftbefehle entscheiden wird.
Die Bundesanwaltschaft stuft das Netzwerk als kriminelle Vereinigung ein.

Die konkreten Vorwürfe lauten auf illegale Finanzgeschäfte und die Verbreitung antisemitischer Inhalte. Für eine sachliche Bewertung sind jedoch belastbare Beweise notwendig, da die Anschuldigungen bislang eher vage formuliert sind.
Wirtschaftskriminalität oder alternative Ökonomie?
Ein zentraler Vorwurf gegen das KRD ist die Schaffung „wirtschaftskrimineller Strukturen“. Fitzek betrieb ohne »BaFin-Genehmigung« eine »Gemeinwohlkasse« und eine Krankenversicherung unter dem Namen »Deutsche Heilfürsorge«. Diese Institutionen wurden 2023 geschlossen, doch Fitzek setzte seine Aktivitäten fort, was zu weiteren Razzien führte. Die Behörden sehen darin Betrug und Veruntreuung. Seine Anhänger hingegen sahen darin einen Versuch, sich aus staatlichen Zwängen zu befreien.

Die KRD-Strukturen, einschließlich einer eigenen Währung und Immobilienkäufen in Sachsen, zeigen den Anspruch, eine parallele Gesellschaft zu schaffen. Für den Staat ist dies ein Angriff auf sein Monopol, für Fitzeks Anhänger ein Akt der Selbstbestimmung. Die Wahrheit liegt vermutlich in einer Grauzone: Während einige Anhänger finanziellen Schaden erlitten, war das Modell für andere ein Hoffnungsschimmer.
„In dieser Tradition sieht sich das ‚Königreich Deutschland‘ als angeblich völkerrechtswirksam gegründeter ‚Gegenstaat‘ unter monarchisch-absolutistischer Führung Fitzeks, der sich durch Sezession von der Bundesrepublik Deutschland abgespalten habe. Nach außen hin reklamiert es aggressiv eigene Staatlichkeit – untermauert etwa durch eigene Verfassungs- und Gesetzgebung – und stellt das Gewaltmonopol der Bundesrepublik infrage, indem er beispielsweise selbst ‚Recht spricht‘ oder eine eigene ‚Garde‘ mit Exekutivbefugnissen unterhält. Durch aktiv beworbene sog. Zustiftungen von Liegenschaften aus dem Kreis der Anhänger und Sympathisanten an das ‚Königreich Deutschland‘ soll das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland kontinuierlich geschmälert werden.“
»Pressemitteilung / Bundesinnenministerium«
Antisemitismus-Vorwürfe
Das Bundesinnenministerium wirft dem KRD vor, antisemitische Verschwörungstheorien zu verbreiten, um seinen Herrschaftsanspruch zu legitimieren. Dieser Vorwurf ist schwerwiegend, da er den Verein in die Nähe rechtsextremer Ideologien rückt. Allerdings bleiben konkrete Belege wie etwa öffentliche Äußerungen oder Dokumente bislang ungenannt. Eine neutrale Betrachtung muss diese Anschuldigungen prüfen, ohne sie automatisch zu bestätigen oder abzuweisen. Der Vorwurf lautet:
„Dies ist eingebettet in eine antisemitisch konnotierte verschwörungstheoretische Verächtlichmachung von staatlichen Institutionen Deutschlands und anderer Länder. Sie werden als satanisch unterwandert bzw. von jüdischen Clans gelenkt portraitiert. Durch die fortwährende Propagierung solcher Narrative wird die Menschenwürde von Jüdinnen und Juden verletzt und werden staatliche Institutionen in verfassungswidriger Weise delegitimiert.“
»Pressemitteilung / Bundesinnenministerium«
Die Reichsbürgerszene ist zweifellos kritisch zu betrachten. Eine objektive Auseinandersetzung ist zweifellos geboten, doch pauschale Bewertungen greifen zu kurz. Die Szene setzt sich aus sehr unterschiedlichen Akteuren und Bestrebungen zusammen, deren Motive, Ideologien und Zielsetzungen teils erheblich variieren. Umso wichtiger ist eine differenzierte Analyse, die zwischen tatsächlichen Gefährdungen und bloßer Systemkritik unterscheidet. Nur so lassen sich voreilige Schlüsse und undifferenzierte Zuschreibungen vermeiden.
Dobrindts Offensive: Kontinuität oder Eskalation?
Das Verbot des KRD reiht sich in frühere Maßnahmen gegen die Reichsbürger-Szene ein. 2022 leitete Dobrindts Vorgängerin Nancy Faeser eine Razzia gegen die Gruppe um Heinrich Prinz Reuß, die einen gewaltsamen Umsturz plante. Nancy Faeser spach von einem „Abgrund terroristischer Bedrohung“.
„Militante Reichsbürger verbindet der Hass auf die Demokratie, auf unseren Staat und auf Menschen, die für unser Gemeinwesen einstehen. […] Diese harte Gangart werden wir fortsetzen.“
»Nancy Faeser / ZEIT ONLINE«
Dobrindt hält an dieser Linie fest, indem er das KRD als „größte Vereinigung“ der Szene bezeichnet und entschlossen gegen sie vorgeht. Die Operation unterstreicht den politischen Willen, alternative Strukturen zu unterbinden. Aber warum geschieht dies ausgerechnet jetzt? Die Reichsbürger-Szene wächst seit Jahren, und Fitzek war den Behörden längst bekannt. Das Timing, kurz nach Dobrindts Amtsantritt, deutet auf einen Versuch hin, sich als harter Verfechter der staatlichen Ordnung zu profilieren. Gleichzeitig könnte die Eskalation ein Signal an andere alternative Bewegungen sein: Der Staat duldet keine Parallelstrukturen. Ob dies langfristig die Szene schwächt oder radikalisiert, bleibt offen.
Die Zukunft des „Königreichs“
Mit dem Verbot und der Festnahme Fitzeks steht das „Königreich Deutschland“ vor einer ungewissen Zukunft. Die Sperrung der Online-Plattformen und die Beschlagnahmung von Vermögen zielen darauf ab, die Strukturen zu zerschlagen. Doch Ideen wie Unabhängigkeit, Selbstbestimmung oder Kritik am Staat, die Fitzek für viele seiner Anhänger verkörpert, könnten weiterleben. Die Szene ist heterogen, und repressive Maßnahmen könnten sowohl abschrecken als auch neue Unterstützer mobilisieren, die im Verbot eine Bestätigung ihres Misstrauens sehen.
„Das KRD wirbt kontinuierlich um neue Mitglieder und besonders offensiv um Gewerbetreibende und Geldgeber.
So wird regelmäßig zum ‚Tag der offenen Tür‘ sowie zu Seminaren und Vortragsveranstaltungen in einer eigenen Liegenschaft in Halsbrücke (Sachsen) eingeladen. Hierzu gehören auch sogenannte Unternehmerseminare, bei denen Unternehmern der Wechsel in den ‚Rechtskreis des KRD‘ angeboten wird, in dem angeblich keine Mehrwertsteuer anfalle. Bei diesen Gelegenheiten versucht das KRD, Interessierten die ‚Reichsbürger‘- und ‚Selbstverwalter‘-Ideologie näherzubringen und sie zu einem ‚Übertritt‘ in das KRD zu animieren.“
»Bundesamt für Verfassungsschutz«
Gleichzeitig zeigt der Fall, wie schwierig es ist, alternative Lebensmodelle innerhalb eines rigiden Systems zu etablieren. Fitzeks Traum vom „Königreich“ mag gescheitert sein, doch die Fragen, die er aufwarf, bleiben relevant: Wie viel Freiraum lässt der Staat für Andersdenkende? Und wo verläuft die Grenze zwischen Freiheit und Anarchie?
Kommentar: Ein komplexer Konflikt
Das Verbot des „Königreichs Deutschland“ und die Festnahme von Peter Fitzek sind mehr als ein Polizeieinsatz. Sie sind ein politisches Statement. Dobrindt und die Behörden wollen die Reichsbürger-Szene eindämmen. Fitzeks Bewegung war zweifellos problematisch, aber die Darstellung als kriminelle Bedrohung könnte übertrieben sein, um staatliche Kontrolle zu legitimieren.
Eine kritische Perspektive verlangt, die Narrative beider Seiten zu hinterfragen: Weder ist Fitzek ein Held der Freiheit noch ist der Staat ein neutraler Hüter der Demokratie. Der Fall zeigt, wie tief die Spannungen zwischen Individuum und System reichen und wie wenig Raum für echte Alternativen bleibt