Haintz.Media

Bild:
Die Waage der Verdächtigen
Quelle:
KI-generiert

Vom Rechtsstaat zum Misstrauensstaat mit Dobrindts Beweislastumkehr

Bild:
Quelle:

Beitrag teilen:

Mehr aus der Kategorie:

SPD-Ideal gegen CDU-Realität:
Tierleid
Weimer Rücktritt
Alexander Dobrindt verkauft die Pflicht, Vermögen nachzuweisen, als Kriminalitätsbekämpfung, doch der wahre Plan ist die Unterwerfung der Bürger unter staatliche Willkür. Die Unschuldsvermutung wird zur Fußnote, während der Staat sich als Ankläger und Henker aufspielt.
Zusammengefasst

Die Freiheit stirbt nicht laut, sondern mit einem bürokratischen Federstrich. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat einen Plan: Wer Vermögen besitzt, dessen Herkunft nicht glasklar ist, soll künftig beweisen, dass es ehrlich erworben wurde. „Ein Paradigmenwechsel“, nennt er das stolz, als hätte er das Rad neu erfunden. Doch was als Kampf gegen Clankriminalität und Geldwäsche verkauft wird, ist ein Generalverdacht gegen jeden, der mehr als zwei Euro auf dem Konto hat. Willkommen im Präventionsstaat, wo der Bürger nicht mehr frei ist, sondern nur so lange geduldet wird, bis er seine Unschuld lückenlos dokumentiert.

Unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist? Fehlanzeige!

In einem demokratischen Rechtsstaat gilt eigentlich ein einfaches Prinzip: Der Staat muss deine Schuld beweisen. Dies ist auch in der Charta der grundrechte innerhalb der Eu so festgelegt.

»Screenshot | EU Charter«

Doch Dobrindt dreht das um. Plötzlich bist du der Angeklagte, der mit Kontoauszügen wedeln muss, um die Gnade der Behörden zu erbitten. „Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten“, lautet die zynische Beruhigungspille.

Klingt vertraut? Genau diese Logik rechtfertigte schon Überwachungskameras, Impfnachweise und Kontaktverfolgung. Die Beweislastumkehr ist kein juristisches Werkzeug, sondern ein Misstrauenshammer, der Eigentum von einem Grundrecht in eine bürokratische Bewährungsprobe verwandelt. Artikel 14 des Grundgesetzes, der Eigentum garantiert, wird zur Makulatur, wenn der Staat entscheidet, was „sauber“ ist.

»Screenshot | Gesetze im Internet«

Der edle Vorwand: Clankriminalität als Freifahrtschein

Natürlich wird das Ganze, wie immer unter dem Deckmantel hehrer Ziele verpackt. Dobrindt will „mafiöse Strukturen austrocknen“, indem er Vermögen unklarer Herkunft konfisziert. Wer könnte dagegen sein? Niemand stimmt schließlich Drogenhandel oder Geldwäsche zu. Doch der Haken liegt im Lösungs- und Handlungsansatz. Wenn der Staat entscheidet, welches Vermögen „unklar“ ist, öffnet das die Tür für Willkür. Heute sind es die Clans, morgen die Steuerzahler, übermorgen vielleicht die staatlich unerwünschten Kritiker, die sogenannte „Desinformationen“ verbreiten.

»Bundesministerium des Innern | 𝕏«

Juristen warnen bereits: Die Beweislastumkehr kollidiert mit dem Grundgesetz und ist ein gefährlicher Präzedenzfall, der sich auf alles ausdehnen lässt. Dobrindt selbst gibt den Ton vor: Vermögen, das nicht nachweislich legal ist, wird eingezogen, ein „zentraler Schlüssel“, um kriminelle Kreisläufe zu durchbrechen. Doch wer definiert in diesem Fall was „legal“ ist? Der Staat, der gerade so gern mit dem Finger auf „Verdächtige“ zeigt oder einfach so die Grundrechte einkassiert, ohne dies mit dazugehörigen Daten, Zahlen und Fakten zu belegen?

Historische Warnsignale: Von der „Ordnung“ zur Enteignung

Die Geschichte sollte eigentlich lehren, wohin solche Mechanismen führen. Schon in den Hexenprozessen des 16. und 17. Jahrhunderts zeigte sich das Prinzip der umgekehrten Beweislast in seiner reinsten Form: Wer der Hexerei beschuldigt wurde, hatte keine Chance, seine Unschuld zu beweisen. Der bloße Verdacht genügte, um Folter zu rechtfertigen, aus der wiederum „Geständnisse“ gepresst wurden. Die Obrigkeit musste nichts belegen, die Beschuldigten alles und die Scheiterhaufen brannten im Namen der Ordnung.

„Die bekannteste Hexenprobe ist die sogenannte Wasserprobe. Hier fesselte man die Angeklagten und warf sie anschließend ins Wasser. Schwamm der Körper an der Oberfläche, handelte es sich um Hexerei, da man davon ausging, dass das reine Element Wasser Hexen abstoße. Bei der Tränenprobe forderte man die Gefangenen auf, zu weinen. Damals ging man davon aus, dass Hexen nicht weinen könnten. Bei der Feuerprobe musste der Verdächtige seine Hand ins Feuer legen. Blieb die Haut unverletzt, heilte schnell oder eiterte sie nicht, galt seine Unschuld bewiesen. Hier ging man von der Annahme aus, dass einem mit Gottes Beistand keine Brandwunden zugefügt werden können. Bei der Wiegeprobe stellte man den Angeklagten auf eine Waage. Wog sie weniger als ein vorher festgelegtes Gewicht, war sie der Hexerei überführt, wog sie mehr, beschuldigte man sie, die Waage verhext zu haben. Damals ging man davon aus, dass Hexen weniger als normale Menschen wiegen müssten, da sie zum einen ja durch die Lüfte flogen und zum anderen ihre Seele an den Teufel übergeben haben.“

»Krematorium Meißen«

Im Dritten Reich begann es mit der Pflicht jüdischer Bürger, ihr Vermögen offenzulegen, ein scheinbar harmloser Verwaltungsakt. Das »Gesetz zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ von 1933« drängte Juden aus dem Staatsdienst, »die „Nürnberger Gesetze“ von 1935« definierten, wer „Jude“ war, und ab 1938 mussten Vermögen über 5.000 Reichsmark gemeldet werden. Das Ergebnis war: »Zwangsverkäufe und Enteignungen«, gefolgt von der „Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ 1941, die das Vermögen deportierter Juden dem Staat zuschlug.

Die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 besagt, dass Menschen jüdischen Glaubens, die sich im Ausland aufhielten, ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren und staatenlos wurden. Gleichzeitig, d.h. mit dem Entzug der Staatsangehörigkeit bzw. ermöglicht durch diesen, verloren sie ihr gesamtes Vermögen, das an das Deutsche Reich fiel. In einem zusätzlichen Runderlass wurde diese Bestimmung auch auf die in die besetzten Gebiete, in Ghettos und Konzentrationslager deportierten Menschen jüdischen Glaubens erweitert.“

»Demokratiezentrum«

Damals wie heute hieß es: Transparenz, Ordnung, Kontrolle. Das Prinzip: Nicht der Staat musste Enteignungen rechtfertigen, sondern die Bürger ihre Existenz. Der Rechtsstaat wurde durch bürokratische Feinarbeit zerlegt, nicht durch laute Umstürze.

Auch in der DDR fand sich diese Logik wieder. Wer als „staatsfeindlich“ galt oder den Westen zu sehr lobte, stand unter Generalverdacht. Die Absicht, das Land zu verlassen, genügte, um als „Republikflüchtiger“ kriminalisiert zu werden, nicht der Staat musste beweisen, dass jemand schuldig war, sondern der Bürger, dass er loyal blieb. Die Beweislast lag beim Untertan, der Verdacht beim System. Kontrolle ersetzte Vertrauen, Misstrauen wurde zur Staatsdoktrin

„Unter dem Vorwurf der „staatsfeindlichen Hetze“ wurden viele Oppositionelle der DDR verhaftet, insbesondere weil die Formulierungen des Paragraphen so offen gestaltet waren, dass beinahe jede kritische Äußerung unter Bezug auf diesen Artikel geahndet werden konnte.“

»Jugendopposition DDR«

Der Misstrauensstaat greift um sich

Dobrindts Vorstoß steht nicht allein. »Bereits 2023 schlug Berlins SPD-Innensenatorin Iris Spranger« die Beweislastumkehr mit ähnlicher Argumentaionsstrategie vor, unterstützt von Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul und damals von Nancy Faeser geprüft. Jan Bauerkamp, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Strafrecht, schrieb »im Verfassungsblog« dazu:

„Damit erlangt die Entwicklung der vermögensabschöpfungsrechtlichen Debatte ihren vorläufigen […] Tiefpunkt. Eine solche Änderung würde […] umsetzen, wovor die Fachliteratur […] nachdrücklich gewarnt hatte – und was mit einer entsprechenden Auslegung des § 437 StPO zu verhindern versucht wurde: Eine Beweislastumkehr in einem strafrechtlich eingebetteten Eingriffsinstrument. Dass jene dennoch […] Resonanz findet, zeugt von […] Resistenz der politischen Akteure. Es scheint, als sei im Kampf gegen die sog. „Clankriminalität“ […] jedes Mittel Recht.“

»Jan Bauerkamp | Verfassungsblog«

Faeser ging sogar noch weiter: Beamte sollen, seit dem 01. April 2024, beweisen, dass sie verfassungstreu sind, statt dass der Staat ihre Verfassungsfeindlichkeit nachweist.

»Screenshot | Bundesministerium des Inneren«

Was bedeutet das? Der Bürger, ob Beamter oder nicht, wird zum potenziellen Täter, der seine Loyalität ständig unter Beweis stellen muss. Das Berufsbeamtentum, einst Rückgrat der Verwaltung, wird zur Bühne für Gesinnungstests. Die Unschuldsvermutung, das Herzstück europäischer Rechtskultur, wird nicht abgeschafft, sondern ausgehebelt, mit dem freundlichen Hinweis, es diene nur der Sicherheit.

Damit verschiebt sich das Verhältnis zwischen Staat und Individuum grundlegend: Vertrauen wird durch Misstrauen ersetzt, Recht durch Verdacht. Der Bürger wird nicht mehr als Teil der Demokratie gesehen, sondern als Risiko, das überwacht, überprüft, gegebenenfalls aussortiert werden muss. Wer widerspricht, riskiert erst recht einen Verdacht. Nur wer schweigt und sich unterordnet, signalisiert Loyalität. Es entsteht eine Atmosphäre, in der Angst zur Währung politischer Kontrolle wird. Der Staat erhebt sich zum moralischen Richter über Gesinnungen, nicht über Handlungen. Ein gefährlicher Rückfall in Denkweisen, die Europa längst überwunden glaubte.

Bargeld ade, Kontrolle hurra

Und während über Vermögensnachweise diskutiert wird, schleicht sich ein weiterer Verdacht ein. Ist die Beweislastumkehr nicht der perfekte Begleiter für die Bargeldabschaffung? Wenn jede Transaktion digital nachvollziehbar ist, wird der Nachweis „sauberen“ Geldes doch so viel einfacher, für einen Staat der den Hals nicht voll bekommt. Der gläserne Bürger, der jede Ausgabe rechtfertigen muss, wäre kein dystopisches Hirngespinst mehr, sondern die logische Konsequenz.

Zeitgleich arbeitet die Europäische Zentralbank still und stetig »an der Einführung des digitalen Euro«, ein angeblich „ergänzendes“ Zahlungsmittel, das „Freiheit“ und „Vereinfachung“ bringen soll.

„Mit dem digitalen Euro könnten wir die Freiheit zurückgewinnen, jederzeit und überall.“

»Piero Cipollone | Direktori der Europäischen Zentralbank | ECB EU«

In Wahrheit aber öffnet es die Tür zu einer lückenlosen Überwachung des Geldverkehrs. Jede Zahlung, jede Überweisung, jeder Cent wird zur Datenspur im System. Die Notenbank könnte theoretisch festlegen, wofür das digitale Geld ausgegeben werden darf, oder es im Extremfall sogar befristen. Was als technische Innovation verkauft wird, ist der Traum jedes Kontrollstaats: Geld, das sich auf Knopfdruck steuern lässt. Wenn Bargeld verschwindet, verschwindet mit ihm das letzte Stück gelebter Anonymität und die Freiheit, über das eigene Geld wirklich zu verfügen. Die totale Kontrolle kommt nicht offensiv, sondern mit dem sanften Versprechen, es sei der „logische nächste Schritt“, natürlich zu unserem Besten.

Wie der Staat im Namen der Gerechtigkeit den Rechtsstaat abschafft

Ein demokratischer Rechtsstaat dürfte jedoch niemals die Freiheit der Unschuldigen opfern, um jeden Schuldigen zu erwischen. Doch genau das geschieht hier, getarnt als moralisch einwandfreie Maßnahme gegen „kriminelles Geld“. Dobrindt erklärt, solches Geld werde in neue Verbrechen investiert, also müsse der Staat es einziehen. Das klingt auf den ersten Blicknachvollziehbar, bis man erkennt, dass diese Logik das Fundament des Rechtsstaats untergräbt. Denn wenn Eigentum nicht mehr als unveräußerliches Recht gilt, sondern als Gnade, die man sich durch Nachweise und Wohlverhalten verdienen muss, ist der Bürger kein freier Mensch mehr. Er wird zum Bittsteller vor einer Obrigkeit, die nach Belieben entscheiden kann, wem sie Besitz und Würde zugesteht.

Die Umkehr der Beweislast bedeutet, dass der Staat nicht mehr Schuld beweisen muss, sondern der Bürger muss seine Unschuld beweisen. Das ist nicht Rechtsstaat, sondern Misstrauensstaat. Es verschiebt das Machtverhältnis grundlegend: vom Bürger, dem Rechte garantiert sind, hin zum Staat, der sie gewährt – oder entzieht. Wer das akzeptiert, verabschiedet sich vom Prinzip der Freiheit als Grundlage des Rechts. Denn wo das Eigentum unter Generalverdacht steht, steht am Ende der Mensch selbst unter Generalverdacht.

Wenn Ausnahmen die Regel werden

Jede Ausnahme im Rechtssystem trägt den Keim ihrer Ausweitung bereits in sich. Was heute als sogenannter Ausnahmefall verkauft wird, wird morgen vielleicht zum Standard. Dobrindt spricht von kriminellen Clans, doch die Beweislastumkehr ist nicht nur ein gezieltes Instrument gegen organisierte Kriminalität, sondern kann ebenso zu einem universell einsetzbaren Machtwerkzeug ausgebaut werden. Heute betrifft es die Vermögen von unliebsamen Clankriminellen, aber übermorgen jeden, der zum Staatsdelegetimierer gekrönt wurde.Wer also seine Konten nicht offenlegt, könnte bald nicht mehr als Bürger mit Rechten gelten, sondern als „Verdächtiger, oder gleich als „Desinformationsverbreiter“ und als Feind der „Unsere Demokratie“. Die Schwelle ist niedrig, die Versuchung des Staates, sie weiter zu senken, unbegrenzt.

Wenn eine Regierung betont, eine Maßnahme richte sich „nur gegen eine bestimmte Gruppe“, sollte man besonders aufmerksam werden. Denn staatliche Eingriffe beginnen selten dort, wo sie enden sollen. Was heute mit moralischer Empörung legitimiert wird, kann morgen zum Werkzeug der Kontrolle für alle werden. Und die Realität lehrt: Was der Staat einmal in der Hand hält, gibt er nicht mehr her.

Unschuldig? Beweise dich!

Dobrindts Beweislastumkehr ist kein harmloser Verwaltungsakt, sondern ein Angriff auf die Grundpfeiler des Rechtsstaats und der Grundrechte jedes einzelnen Bürgers. Die reine Existenz wird zur Bewährungsprobe und mit ihr die Freiheit zur Ausnahme. Die Unschuldsvermutung, einst Garant der Menschensrechte, wird durch bürokratische Raffinesse ausgehebelt. Der Staat, der seine Bürger zwingt, ihre Unschuld zu beweisen, ist kein Beschützer mehr, sondern ein Ankläger. Und während man sich mit „Clankriminalität“, einem sogenannten Feindbild ablenken lassen, baut sich ein System auf, in dem jeder Verdächtige ist, bis er das Gegenteil beweist. Wohin das führt, sollte man eigentlich nicht erklären müssen. Es ist an uns, zu entscheiden, ob wir das hinnehmen.

Beitrag teilen:

Unterstützen Sie uns!

Helfen Sie mit, freien Journalismus zu erhalten

5

10

25

50

No posts found
Picture of Janine Beicht

Janine Beicht

Janine Beicht ist gelernte Kommunikationsdesignerin, arbeitet aber seit 2020 im Gesundheits- und Sozialwesen. Als Aktivistin engagiert sie sich besonders auf dem Gebiet der Psychologie unter dem Aspekt der jeweiligen politischen Machtinteressen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

No posts found

Buch-Empfehlung

911