Haintz.Media

Bild:
Anwaltliche Intelligenz
Quelle:
KI-generiert

„Auf den Anwaltsroboter müssen wir noch ein bisschen warten“

Bild:
Quelle:

Beitrag teilen:

Mehr aus der Kategorie:

Katar nach dem Angriff Israels auf die Hamasführung
Interview polnischer Historiker
Alarm in der Nachtstadt
Künstliche Intelligenz hält auch in den Bereich der Juristerei Einzug, kann sie aber den Anwalt ersetzen?
Zusammengefasst

Ein Kommentar von Prof. Dr. Martin Schwab:

„Liebe Community,

Es fehlt nicht an Unkenrufen, denen zufolge die juristischen Berufe bald überflüssig sein werden, weil die Künstliche Intelligenz in der Rechtspflege das Ruder übernehmen wird. Ich teile diese Prognose nicht in vollem Umfang. Ich kann aktuell auf die folgenden Erfahrungen zurückblicken:

1. Mit Wirkung zum 1.1.2023 wurde das Recht der Personengesellschaften (Gesellschaft bürgerlichen Rechts, OHG, KG) grundlegend neu geregelt. Zum früheren Recht war streitig gewesen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst Trägerin von Rechten sein, klagen und verklagt werden kann. Ich habe spaßeshalber ChatGPT gefragt, wie diese Frage zu beantworten ist  – und ChatGPT spuckte mir eine Leitentscheidung des BGH aus dem Jahr 2001 (!), also zum alten Recht aus. Die neuen Vorschriften (nach denen ich freilich nicht gezielt gefragt hatte) hatte ChatGPT offenbar überhaupt noch nicht auf dem Radar.

2. Kürzlich habe ich eine Mandantin in einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit einer Behörde beraten. Jene Mandantin hatte sich mithilfe einer KI (ich weiß nicht, welcher) einen Schriftsatz gebastelt, der an das „Verwaltungsgericht Detmold“ gerichtet war. In Detmold gibt es aber gar kein Verwaltungsgericht. Auch die Klageanträge waren allenfalls semiprofessionell formuliert. Ich habe mich dann eingeschaltet und versucht, ohne KI-Hilfe einen halbwegs brauchbaren Schriftsatz zu verfassen. Und zwar adressiert an das richtige Gericht. Der Rechtsstreit ist aktuell dort anhängig.

3. Ambitionierter war schon die Antwort von ChatGPT auf meine Frage, ob der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet war, in § 56 IfSG einen Entschädigungsanspruch für Quarantäne-bedingten Verdienstausfall vorzusehen. ChatGPT bejahte dies mit einer sehr profunden Begründung, stützte diese Ansicht aber auf Gerichtsentscheidungen, die diese Aussage nicht hergeben. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages steht in seiner Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 100/20 übrigens auf dem gegenteiligen Standpunkt: § 56 IfSG beruhe auf einer gesetzgeberischen Billigkeitsentscheidung.

4. Ein Anwalt aus meiner Region hatte ein verwaltungsrechtliches Mandat in zweiter Instanz vor dem OVG Münster zu betreuen. Der Mandant hatte in erster Instanz verloren und mittels KI einen Antrag auf Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 4 VwGO) entworfen. Jener Anwalt berichtete mir, zwei Drittel dieses Textes habe er gebrauchen können.

Fazit: Gewiss wird die KI immer mehr Fortschritte machen – auch im Bereich der Juristerei. Als Arbeitserleichterung werden wir KI durchaus verwenden können. Aber ganz ohne natürliche Intelligenz wird die Rechtspflege auch in Zukunft nicht auskommen.

Analoge Grüße
Ihr und Euer
Martin Schwab“

Beitrag teilen:

Unterstützen Sie uns!

Helfen Sie mit, freien Journalismus zu erhalten

5

10

25

50

No posts found
Picture of Redaktion

Redaktion

Redaktionelle Beiträge aller Art z.B. von Agenturen, Lesern oder anderweitigen Quellen außerhalb unserer Redaktion, markieren wir entsprechend.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

No posts found

Buch-Empfehlung

ichhabemitgemacht