Friedrich Merz hat es in Rekordzeit geschafft, was Olaf Scholz über drei Amtsjahre hinweg nur mühsam hinbekommen hat. Der einst scharfe Kritiker des Ex-Kanzlers, der Scholz als Realitätsverweigerer entlarvte, der die Sorgen der Menschen ignorierte und ein Wirtschaftswunder herbeiredete, während das Land in die Rezession schlitterte, ist nun selbst in diese Rolle gerutscht. Merz nennt die Bürger larmoyant und wehleidig, weil sie den harten Fakten nicht mit Jubel applaudieren. Die Wirtschaftswende, die er proklamiert, bleibt aus, und statt Lösungen gibt es Schuldzuweisungen an die Betroffenen. Die Industrie jammert zu viel, die Bürger sind zu negativ, und die Kritik ist ein Übermaß, das den Fortschritt bremst. So entlarvt sich der Kanzler als Meister der Ablenkung, der große Worte stapelt, um die Leere darunter zu kaschieren.
Bittere Lektion: Optimismus per Dekret
Am Freitagabend in Köln bei der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU ließ Merz in einer 40-minütigen Rede die Maske fallen.
»Friedrich Merz beim 17. Bundesmittelstandstag der MIT | CDU YouTube«
Vor den treuen Mitgliedern dieses Parteiverbands, die ihn vom Oppositionsführer zum Kanzler katapultiert hatten, wetterte er gegen die eigene Basis. Merz donnerte, als sei schlechte Laune ein Standortfaktor und nicht bloß die Quittung für eine krachende Wirtschaftspolitik.
„Hören wir doch mal auf, so larmoyant und so wehleidig zu sein in diesem Land.“
Eigentlich reicht ein flüchtiger Blick auf die neuesten Umfrageergebnisse, um zu checken, dass die Leute außerhalb des Elfenbeinturms weder larmoyant noch wehleidig sind, sondern zu Recht wütend. Aber selbst das ist mittlerweile zu viel verlangt.pic.twitter.com/yjtDEIi1hn
— UntergrundBonn (@UntergrundBonn) September 27, 2025
»Schweißgebadet verkaufte er ein fast leeres Glas« als halbvoll und beschwor eine Zuversicht, die angeblich von außen stärker wirken solle als aus der Realität im Inneren. Aus dem Ausland kämen Anrufe, Briefe, Besuche von Persönlichkeiten aus Amerika, dem arabischen Raum und anderswo, die alle in Deutschland investieren wollten. Die schlechte Stimmung der Wirtschaft könne er nicht nachvollziehen.
„Manch einer, der dieses Land von außen betrachtet, sieht es mit größerer Zuversicht als wir, die wir es von innen heraus häufig genug im Übermaß kritisieren.“
»Friedrich Merz | MIT | CDU YouTube«
Er sieht Chancen für die junge Generation in einem Land, in dem sich die Menschen in Freiheit, Frieden und Wohlstand wohlfühlen könnten. Er forderte die Zuhörer auf, dass das Land Leute brauche, die anpacken, dieses Anpacken auch mit Zuversicht verbinden und diese Zuversicht auch nach draußen transportieren. Und dann kam Merz zum Höhepunkt: Er wünschte sich mehr US-amerikanischen Spirit, diese grundsätzlich positive Lebenseinschätzung, wo man sage, es mache Spaß, in diesem Land zu leben, es mache Spaß, in diesem Land zu arbeiten, man wolle es nach vorne bringen und mit Zuversicht die Zukunft gestalten. Er fragte indirekt, ob man sich nicht eine solche Mentalität in Deutschland auch mal angewöhnen könne – als ob der Kapitän eines sinkenden Schiffs die Passagiere zum Tanzen auffordern würde. Auf Social Media reagierten die Nutzer darauf mit beißendem Zynismus.

Die Ironie bestand darin, dass man nun in Echtzeit beobachten konnte, wie Merz sich in einen Scholz-Klon verwandelte.
Die Harte Wahrheit: Zahlen, die nicht lügen
Während Merz von Zuversicht schwärmt, prasseln die Realitätsgranaten unaufhaltsam auf das Regierungsviertel ein. Von August 2024 bis August 2025 sind »in der deutschen Industrie« rund 114.000 Stellen abgebaut worden. Allein die Automobilbranche hat innerhalb eines Jahres 51.500 Jobs gestrichen, das sind fast sieben Prozent der Belegschaft.
„Insgesamt lag die Zahl der Industriebeschäftigten zum 30. Juni 2025 bei 5,42 Millionen Menschen. Das waren 2,1 Prozent weniger als zwölf Monate zuvor. Binnen eines Jahres wurden damit in der Industrie etwa 114.000 Stellen gestrichen, so die Studie, die auf Daten des Statistischen Bundesamts basiert.“
»heise online«
»Bei Bosch fallen 13.000 Stellen weg«, die Umsätze der Industrie sinken weiter. »Drei Millionen Arbeitslose« zählen die Ämter, so viele wie seit 15 Jahren nicht mehr. Olaf Scholz hatte eine sogenannte »Zeitenwende« ausgerufen, die nie kam, und Merz proklamiert nun Wachstum, auf dem all seine Pläne fußen, obwohl nichts dafür spricht. Und als wären diese Zahlen bloße Launen, schiebt er die Verantwortung auf die Bürger und die Wirtschaft, indem er behauptet, sie seien schuld, weil sie zu negativ seien und zu wenig anpacken. Gleichzeitig betont er, er sei fest entschlossen, Widerstände zu überwinden und Deutschland wieder an die Weltspitze zu führen, als ob dieses große Ziel nicht vor allem auf dem Bauplan beruht, den er selbst tagtäglich ignoriert.
.@bundeskanzler @_FriedrichMerz bei der @MIT_bund: „Ich bin fest entschlossen, auch Widerstände zu überwinden und Widerspruch zu ertragen, ohne einzuknicken. Und ich bin fest entschlossen, mit den Sozialdemokraten zusammen, eine wirklich gute Wirtschaftspolitik und eine… pic.twitter.com/gIvpov7sIX
— CDU Deutschlands (@CDU) September 26, 2025
Scholz hatte Klagen als »das Lied des Kaufmanns« abgetan. Merz flüchtet in eine Einstellungsfrage und zeigt auf die Miesepeter, die ihn und seine Politik nicht bejubeln. Früher kritisierte Merz Scholz genau dafür, dass er den Anschluss an die Realität der Unternehmen verloren hatte, mit hohen Staatsausgaben, gelöster Schuldenbremse und wirtschaftlicher Stagnation. Nun trägt Merz diese Last selbst, und die Verweigerung hat das Niveau seines Vorgängers längst erreicht.
Versprechen im Wind
Merz‘ Glaubwürdigkeit bröckelt schneller als ein alter Betonwall. Im Wahlkampf hatte er »massive Verschuldung ausgeschlossen«, nun ist sie Realität. »Die Stromsteuersenkung« wurde verschoben, und »die Aktiv-Rente«, die 2026 kommen wird, ist eine Farce. In der Migrationspolitik ist von den ausnahmslosen Zurückweisungen am ersten Tag wenig übrig. Merz tat so, als ginge es um die Rettung von Freiheit, Frieden und Wohlstand, und bagatellisierte Details wie den Zeitpunkt der Aktiv-Rente, während seine Politik in Wahrheit das Land schwächt und die Probleme vergrößert, die er angeblich lösen will.
„Wir werden in zehn Jahren nicht danach gefragt, ob wir am 1. Januar oder am 1. April die Aktivrente eingeführt haben. Wir werden danach gefragt, ob wir die richtigen und notwendigen Entscheidungen getroffen haben, um die Freiheit und den Frieden und den Wohlstand dieses Landes… pic.twitter.com/UToHLlZG4A
— CDU Deutschlands (@CDU) September 26, 2025
Seine Außenpolitik ist vor allem Show: Er inszeniert sich als den großen Macher, während konkrete Resultate hinter den Kulissen verpuffen. Peinlichkeiten wie gebrochene Versprechen sind ihm egal. Kritik wird abgewatscht. Was früher als legitime Kontrolle der Politik galt, diffamiert er als lästiges Herumnörgeln. Laut Merz wird ein Wahlprogramm ohnehin nur dann zum Regierungsprogramm, wenn die CDU im Bundestag die absolute Mehrheit hat, der Rest, sprich die Bürger, soll gefälligst stillhalten, brav CDU wählen und notfalls noch tiefer in die Tasche greifen, damit seine großen Pläne überhaupt finanzierbar sind. Nur noch eine Minderheit glaubt, dass die Koalition aus Union und SPD Deutschland gut regieren kann. Der Kanzler weiß das und will erklären, warum es seiner Regierung so schlecht geht: An der schlechten Politik sind natürlich die Wähler schuld.
„Von den Vorstellungen, die im Februar in diesem Jahr zur Wahl standen, ist keine mit einer absoluten Mehrheit im Deutschen Bundestag ausgestattet worden.“
»Friedrich Merz | FOCUS«
Kompromisse als Drohung
Ein Wahlprogramm wird also nur dann komplett zum Regierungsprogramm, wenn man 50 Prozent holt, so erklärt Merz die Misere. Natürlich mussten Kompromisse mit den Sozialdemokraten gemacht werden, und es werde weiter Kompromisse geben. Das klingt nach Drohung, finster und unverhohlen. Die SPD hat mit Sozialdemokratie längst nichts mehr zu tun. Sie bestimmt die Richtung, und die CDU folgt, weil Merz aus Angst vor innerparteilichen Konflikten keine andere Konstellation riskieren will. Der Schwanz wedelt mit dem Hund, und Merz lässt es zu, um seinen Traum zu wahren. Alice Weidel hatte den Wählern kurz vor der Bundestagswahl genau dieses Szenario vorhergesagt: Mit der SPD an der Macht könne die CDU keines ihrer Versprechen einlösen.
Merz hat sich in linker Politik einzementiert.
— _horizont_ (@hori_____zont) August 9, 2025
Alice Weidel hatte es den CDU-Wählern kurz vor der Bundestagswahl gesagt >>>pic.twitter.com/ULmPJLCL5B
Wer sich so erpressbar macht, wird erpresst, und Zugeständnisse der SPD an die Vernunft sorgen nur dafür, dass lupenrein linke Ideologie siegt. Der Herbst der Reformen, den Merz ausgerufen hat, verpufft bereits. Fraktionsvorsitzender »Jens Spahn fordert Abgeordnete auf«, ihre Erwartungen an Reformen herunterzuschrauben. Die Kommissionen tasten sich voran, und spürbare Änderungen beim Sozialstaat kommen erst im Herbst 2026, wie ein führender Unionspolitiker andeutet. Vor 2027 tut sich nichts – wenn überhaupt.
Steuern als Waffe
Ganz wie schon in der Ampelregierung unter Olaf Scholz treibt die SPD die Koalition weiter in die ideologische Sackgasse, und Merz folgt brav. »Die Diskussion um das Ehegattensplitting« flammt auf: Die Sozialdemokraten wollen es abschaffen, was Millionen Haushalten eine massive Steuererhöhung von bis zu 20.000 Euro im Jahr einbrockt. Paare veranlagen ihre Einkommen gemeinsam, die Steuern werden addiert und halbiert, was in ungleichen Ehen eine willkommene Entlastung bringt. Die SPD hält das für aus der Zeit gefallen und will Frauen damit in den Arbeitsmarkt drängen. Auch eine Erhöhung der Erbschaftssteuer pushen sie, mit Unterstützung aus der Unionsfraktion.
„Das Ehegattensplitting begünstigt Alleinverdiener-Ehen. […] Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, ein völlig überholtes Rollenbild sowie Ungleichheit zu fördern, was für Frauen vor allem in Abhängigkeit münden kann. Vor diesem Hintergrund sehen wir bei diesem Thema grundsätzlich einen Reformbedarf.“
»Wiebke Esdar | Hasepost«
Merz verkündete vor und auch nach seiner Wahl vollmundig, »mit ihm gebe es keine Steuererhöhungen«, doch wer das glaubt, erinnert sich an seine beherzte Abschwörung der Massenverschuldung. Er sieht die Bevölkerung in Verantwortung, mehr arbeiten zu müssen. Im Sommerinterview verkündet er:
„Mit einer Vier-Tage-Woche werden wir den Wohlstand nicht erhalten können.“
»Friedrich Merz | Handelsblatt«
Alle sollten sich mehr ins Zeug legen, aber wenn Merz gleichzeitig die wirtschaftsfeindlichen Sozialdemokraten schützt und Steuererhöhungen im Raum stehen, wirkt der Aufruf hohl. Vizekanzler »Lars Klingbeil hatte geklagt«, „wir“ redeten uns selbst klein und sollten aus dem „Alles ist immer kritisch“-Modus rauskommen. Merz, der Bruder im Geiste, streichelt diese wunde Seele mit gleicher Gesundbeterei, appelliert an Optimismus, ohne Gründe zu nennen, und untersagte sogar jede Kritik an Klingbeil, »weil dieser so sensibel sei.«
Aber in einem Land mit Hausdurchsuchungen bei missliebiger Meinung, wo Steuern und Abgaben das Einkommen aufzehren, während das Geld für ideologische Projekte in die ganze Welt verschleudert wird, und wo Betriebe für ideologische Ziele schließen, bleibt der Spaßfaktor ein Witz.
Verbrenner-Krieg: Merz‘ letzter Strohhalm
Beim „Schwarz Ecosystem Summit“ in Berlin positionierte sich Merz vor Unternehmern gegen Brüssel und verkündete, »er wolle das Verbrenner-Aus kippen«, eine Ansage, die seine eigene Partei nicht teilt.
„Ich werbe auch unter den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union dafür, ich werbe gegenüber der EU-Kommission dafür, dass wir dieses Verbrennerverbot aufheben“
»Friedrich Merz | FOCUS«
Deshalb werde er Brüssel »Stöckchen in die Räder halten«, so gehe das nicht weiter. Doch schon bei früheren markigen Forderungen zog er bei leisem Widerspruch den Stachel und relativierte sie ins Gegenteil.
"Wir wollen NICHT zurück zum alten Verbrenner!" Während unsere Autoindustrie inklusive Zulieferern mit Volldampf an die Wand fährt, rutscht Kanzler Merz sein wahres Ziel heraus. pic.twitter.com/1WLULfIYY5
— Gr@ntlɘr 🥨🍺 (@oida_grantler) September 27, 2025
Auch der Koalitionspartner SPD widerspricht schon scharf. Sebastian Roloff, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD, sagte die Autoindustrie brauche Rückenwind für die klimaneutrale Zukunft, keinen Anker in der Vergangenheit.
„Wer den Ausstieg aus dem fossilen Verbrenner infrage stellt, gefährdet die langfristige Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und verunsichert die Wirtschaft.“
»Sebastian Roloff | Tagesspiegel«
Solche Perlen passen zu einem SPD-Sprecher, der die Krise ignoriert, die nicht vom Verbrenner-Aus kommt, sondern von sinnloser Energiepolitik, strangulierender Bürokratie und Regulierungen. Die Industrie steckt in der Schieflage, und Merz wird nachgeben, weil der Koalitionspartner ihn diktiert. Dann heißt es wieder: Kompromisse mit den Sozialdemokraten, damit Deutschland sich weiter ruiniert.
Leere Rhetorik
Genau wie seine Vorgänger ruft Merz zu Optimismus und guter Stimmung auf, ohne einen einzigen Grund zu liefern. Er hat nur große Worte, dahinter klafft die Leere. Der frühe Merz trat nach, nun schimpft er auf alle, die mäkeln, und schröpft die Bürger, um seine Sphären zu finanzieren. Die Politik, die er versprach, ist erpresst und verdünnt. Die Herrschaftsmeinungen, die er einst infrage stellte, schützt er nun als Komplize. Der Kanzler fliegt losgelöst durch die Welt, landet kurz in Deutschland und plappert Ampel-Sprüche. Die Wähler, die ihn einst trugen, starren fassungslos in die Leere, während die Realität Stück für Stück explodiert.
Aber hey, keine Sorge: Ihr werdet nichts besitzen und sollt trotzdem glücklich sein.