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Wurzeln des Wandels

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Morgaine & Pata59 über „WURZELN“, stille Netzwerke und die Kraft, Frieden im Inneren zu beginnen.
Zusammengefasst

Im Zuge der Veröffentlichung ihres Songs „WURZELN“ habe ich Morgaine und Pata59 an einem besonderen Ort getroffen: dort, wo auch das atmosphärisch dichte Musikvideo entstanden ist – mitten in der Natur. Die Kulisse war nicht nur Drehort, sondern auch Resonanzraum für das Gespräch, das sich wie von selbst entfaltete.

Während die kurze Video-Interviewfassung bereits einige Facetten beleuchtet, ging unser Austausch an diesem Nachmittag tiefer. Was trägt diese beiden Künstler eigentlich? Woher kommt ihre Kraft, sich so klar, politisch wie spirituell zu positionieren? Und was genau wollen sie mit ihrer Musik in Bewegung bringen?

Musik als Haltung

Morgaine erzählt, dass sie schon mit 15 Jahren gesellschaftskritische Texte schrieb. Ihr Weg birgt sehr viel Tiefe, Prägung, positiv im Endeffekt aber auch gepaart mit Erfahrungen, an denen manch einer zerbrechen würde. Sie spricht offen über ihre Erlebnisse, was in meinen Augen Teil dessen ist, was sie als Aufarbeitung sieht; Trauma-Arbeit und Konfrontation mit allen Tiefen, die durchlebt werden.
Der erste Song, nie veröffentlicht, handelte von Krieg, Kapitalismus und der Vision einer besseren Welt. Geprägt durch ein toxisches Umfeld, Schulmobbing und familiäre Belastungen entwickelte sie ein starkes Gerechtigkeitsempfinden. Schon als Kind sang sie, wurde dabei sogar aufgenommen. Heute verwebt sie dieses Empfinden in eine klare Kritik an Ausbeutung und Ungleichheit.

Eine ihrer späteren aber doch ersten Erfahrungen im Zuge der Friedensbewegung schildert sie wie folgt:
Eine Mahnwache nach den Ereignissen auf dem Maidan 2014.
Verhängnisvoll tauchten dort vier oder fünf Personen auf; nur wenige, aber durch ihr Auftreten und Aussehen unmissverständlich dem extremen Spektrum der Neonazis zuzuordnen. Ausgerechnet an diesem einen Tag war der öffentliche Rundfunk zugegen. Obwohl sie verständlicherweise überfordert war, verspürte Morgaine das Bedürfnis, sich auf der Bühne antifaschistisch zu positionieren, um klarzustellen, dass ein rechtsextremes Weltbild mit echtem Frieden nicht vereinbar ist.
Besonders heftig waren die Reaktionen dennoch in einem autonomen Zentrum, in dem sie regelmäßig verkehrte – einer ursprünglich kapitalismuskritischen, politisch linken, pazifistisch ausgerichteten Einrichtung. Doch plötzlich spielte ihre Herkunft, ihre Haltung keine Rolle mehr.
Man zeigte kollektiv mit dem Finger auf sie, wollte sie der Einrichtung verweisen. Das Ereignis mündete in Morddrohungen, die sie später erhielt. Sie wurde von allen Seiten angegriffen: von rechts, weil sie sich positionierte – von links, weil sie sich auf einer Veranstaltung geäußert hatte, auf der mutmaßliche Neonazis gesichtet und deren Anwesenheit medial verbreitet worden war.

Pata59 begann vor vier bis fünf Jahren Texte zu schreiben – zunächst reflektierend, dann immer politischer. „Geld“ war einer seiner ersten antikapitalistischen Songs. Geprägt von Armut und der Erkenntnis, dass Menschen durch das Geldsystem kontrolliert werden, schärfte sich sein Blick. Er spricht vom Hamsterrad, von einem System, das ablenkt: „Das Wichtigste ist das Bewusstsein. Wir selbst sind Schöpfer unserer Realität.“ Das Doppelspaltexperiment habe ihm die Augen geöffnet – wissenschaftlich fundiert, spirituell aufgeladen.

Die Entstehung von „WURZELN“

Musikalisch stand für Morgaine fest, das Viking-Thema sollte anklingen, ohne in martialische Klischees zu kippen. Viele Beats waren ihr zu kriegerisch, doch sie fand einen, der weich und kraftvoll zugleich war – ein „Universumsgeschenk“, wie sie sagt. Der Beat war günstig, passte perfekt und wurde sofort gekauft. Es entstand die Vorstellung eines unterirdischen Netzwerks, der Vergleich mit der Bewegung, die wie Wurzeln im Verborgenen wächst. „Wir wachsen im Untergrund, halten alles zusammen, sind verankert mit der Erde […] Wir weben Bänder und vereinen unsere Potenziale.“

Hier möchte ich als Autorin selbst einhaken: Ja, die politische Lage ist ernst. Die „autoritäre Entwicklung“ schreitet weiter voran. Wie die NachDenkSeiten im Fall Ulrike Guérot analysieren, zeigt das Muster der Unterdrückung kaum Anzeichen, nachzulassen.

„Unter der Führung von Friedrich Merz dürfte es sich sogar noch verschärfen. Der neue deutsche Bundeskanzler, der für seinen entschiedenen Atlantizismus und seine aggressive Haltung gegenüber Russland bekannt ist, macht keinen Hehl aus seinem Wunsch, Deutschland als führende Militärmacht innerhalb der NATO zu positionieren.“

Fokus auf Vereinigung statt Widerstand

Doch nach all den Demos, all dem politischen Widerstand scheint mir; es ist Zeit, energetisch in eine andere Richtung zu denken. Der dauernde Frust, der dauernde Kampf fühlt sich zunehmend an wie ein Kampf Davids gegen Goliath. Möglich ist aber, die Energien zu bündeln, um gemeinsam etwas Neues, Positives zu schaffen. Es entstehen bereits zarte Netzwerke außerhalb des Hamsterrads, Keimzellen für eine unabhängigere Zukunft.

Dafür braucht es zuerst Frieden in uns selbst. Sinngemäß bringt Morgaine im Interview zum Ausdruck, dass Krieg dort entsteht, wo wir unsere innere Gewalt nicht transformieren. Und genau dort beginnt auch der Wandel; nicht mit weiteren Parolen oder Anklagen, sondern mit dem Loslassen dessen, was uns täglich runterzieht. Statt Hass, Rechthaberei oder ständiger Empörung braucht es eine bewusste Hinwendung zu friedlichen Empfindungen. Niemand muss jeden Menschen lieben, aber wir alle können uns im Alltag mit mehr Wertschätzung und Respekt begegnen, auch dann, wenn wir nicht einer Meinung sind.

Wie viel Negatives entsteht allein dadurch, dass wir Konflikte eskalieren lassen, statt innezuhalten, zu reflektieren oder uns, wenn nötig einfach in Frieden voneinander zu lösen. Vielleicht ist das auch gemeint, wenn Morgaine über innere Arbeit spricht; dass Frieden nicht durch äußere Systeme verordnet wird, sondern dadurch, dass wir die Bereitschaft entwickeln, ihn selbst zu leben. Diese innere Haltung ist der Nährboden für das Netzwerk, von dem sie auch im Song sprechen, das im Verborgenen bereits wächst.

Frauenrechte und Wandel

Was Hoffnung macht, dass Morgaine spürt, dass ein Wandel geschieht; mehr Offenheit für Spiritualität, Meditation, Selbstliebe. Besonders Frauen stärken sich gegenseitig, nicht in Abgrenzung, sondern in würdevoller Selbstachtung. Dabei geht es Morgaine, wie sie im Gespräch andeutet, nicht um eine Abwertung von Männlichkeit oder ein Gegeneinander der Geschlechter, sondern um eine Rückbesinnung auf weibliche Kraft, Intuition und Selbstwert. Sie beobachtet, dass immer mehr Frauen sich von möglicher Unterdrückung oder Diskriminierung befreien, sich mit Themen wie Selbstliebe und Selbstbewusstsein beschäftigen und dadurch auf ganz neue Weise in ihre Stärke finden.

Dieser Wandel sei spürbar, leise, aber stetig und könne langfristig zu einem Gleichgewicht beitragen, das nicht auf Konfrontation, sondern auf gegenseitigem Respekt fußt. Dabei geht es ihr um Gegenbewegungen zum herrschenden Narrativ, verankert in kritischem Denken, das sie zum Teil auch bei der Jugend sieht. Ihre Hoffnung gründet auch auf denjenigen, die in den letzten Jahren aufgestanden sind; in der Corona-Zeit, im friedlichen Widerstand, in der Kunst. Es war nicht die Mehrheit, aber es handelt sich um eine nicht unerhebliche Zahl. Das dürfen wir uns durchaus bewusst machen. Neben denjenigen, die sichtbar und laut waren, gibt es noch zahlreiche weitere Menschen, die stillen Widerstand geleistet haben. Es existiert jede Menge Potenzial, das vereint Grundlegendes verändern kann.

Bis 1997 war es in Deutschland nicht strafbar, die eigene Ehefrau zu vergewaltigen, ein Umstand, der vielen heute kaum mehr bewusst ist. Bedenklich ist, welche Politiker diese Gesetzeslage beibehalten wollten und heute mehr Macht denn je besitzen. Friedrich Merz etwa stimmte damals gegen die Abschaffung des §177 StGB. Doch bei allem berechtigten Verdruss über die herrschenden Parteien darf man nicht vergessen, dass es auch mutige Stimmen in der Politik gab; Petra Kelly, Rita Süssmuth und Ulla Schmidt setzten sich maßgeblich dafür ein, dass dieses Gesetz gekippt wurde.

Dieser Rückblick zeigt, dass Wandel möglich ist. Es geht dabei weniger um politische Mehrheiten, sondern um Bewusstseinsarbeit. Das Wichtigste ist, frei von Herrschaft einen Gegenpol zu bilden und das gelingt nur, wenn wir beginnen, positive Energien zu nutzen, wie es das Resonanzgesetz beschreibt.

Zukunftsvisionen

Pata59 wünscht sich eine Gesellschaft, in der Menschen Verantwortung wieder selbst übernehmen, statt sie an Systeme abzugeben. Morgaine formuliert es so: „Ich glaube daran, dass eine Zeit kommen wird, in der die Menschen wieder voll in ihrer Kraft leben und die Welt frei von Herrschaft sein wird, dass die Menschheit wirklich auf Augenhöhe und in Selbstverantwortung lebt.“
Ein kommendes Projekt bestätigt diese Vision; ein neuer Friedenssong, gemeinsam mit einer israelischen und einer palästinensischen Sängerin, aufgenommen auf Hebräisch, Arabisch und Deutsch. Musik als Brücke zwischen Kulturen, Überzeugungen und Herzen und vor allem als Friedensbotschaft.
Das ist ihre Überzeugung; Musik erreicht, was Worte allein oft nicht können. Sie löst Empfindungen aus, die tief berühren, transformieren und verbinden. Vielleicht ist genau das der Anfang; Wurzeln schlagen, dort wo der Friede beginnt.

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Annika Hoberg

Annika Hoberg hat einen Magister in Germanistik, Anglistik und Philosophie. Sie arbeitet als Lehrerin und setzt sich als Aktivistin für Frieden, freiheitliche Werte und das Prinzip der Menschheitsfamilie ein.

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