Ein Beitrag von Felix Feistel, zuerst erschienen bei »Manova«.
Glaubt man einigen esoterischen Systemen, dann steht für die kommenden 20 Jahre der Pluto im Wassermann, was entweder ein Zeitalter der Kulte oder eines der Selbstentdeckung sein kann. Momentan sieht eher alles danach aus, dass wir uns in ein Zeitalter der Kulte bewegen, denn wohin man auch blickt: Jede Idee, jede politische Bewegung und auch jede Opposition dagegen degenerieren innerhalb kürzester Zeit zu einem fanatischen Kult.
Ein Kult ist an sich erst einmal nichts Ungewöhnliches. Denn das Substantiv „Kult“ beschreibt lediglich die Gesamtheit religiöser Praxis und ist deswegen in jeder Religion anzutreffen. Doch ein Kult kann schnell zu einem übertriebenen Zeremoniell mit totaler Überhöhung des im Zentrum des Kults stehenden Glaubens und einer Übersteigerung der Bedeutung degenerieren. Der Kult wird fanatisch, wenn der zentrale Glaube, das zentrale Objekt der Religion unantastbar, unhinterfragbar und absolut gestellt wird. Auch wenn ein Kult für sich die absolute Wahrheit in Anspruch nimmt und einem missionarischen Eifer verfällt, wird aus dem einst harmlosen, religiösen Kult eine gefährliche, degenerierte Version seiner selbst.
Und genau das ist an allen Ecken und Enden zu beobachten. Das begann schon mit dem Coronakult, dem vor allem die gutmeinende, akademische Mittelschicht verfallen ist. Der Kult, der sich hier auftat, kann mit dem Begriff des Kultus des »totalen Guten« beschrieben werden. Wie schon der verstorbene Gunnar Kaiser es in seinem Buch „Der Kult“ beschrieb, wurde aus dem Bestreben, sich vor einer vermeintlichen Gesundheitsgefahr zu schützen, schnell ein fanatischer Kult, der sich um die zentrale Religion einer aus dem Nichts gekommenen, todbringenden Seuche herum formierte.
Definiert wurde der Kult durch die Kulthandlungen des Tragens einer Maske, des ständigen Desinfizierens, des Wahrens von Abstand und des sich zuhause Einschließens. Zentrales Motiv dieses Kultes war die Erlösungsfantasie durch eine gentherapeutische Spritze, von der man sich das Paradies in Form von Unantastbarkeit durch die Krankheit versprach und damit das Wiedererlangen der Freiheit, die man sich zuvor im Grunde selbst genommen hatte.
Verbunden mit diesem Kult war der zentrale Gedanke des Opferns. Man opferte sich selbst, seine Freiheit und seine Lebensfreude in dem Bestreben, Krankheit zu vermeiden und damit die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.
Auch rituelle, symbolische Handlungen, etwa der Hinweis auf das Tragen der Maske, die rituellen Formeln des „Schützen Sie sich und andere“ oder des „Bleiben Sie gesund“ waren das „Amen“ und das „Herr erhöre uns“ des Coronakults. Der Kult wurde, das haben wohl alle gemerkt, schnell zu Fanatismus, er missionierte mit Inbrunst, und die vermeintlich vom Glauben Abgefallenen wurden inquisitorisch verfolgt. Der Kult an sich wäre kein Problem gewesen, wären die Anhänger nicht in den Totalitarismus verfallen, der jeden Kult wohl früher oder später ereilt und der darauf abzielt, alle Menschen in den Kult einzugemeinden, ob sie wollen oder nicht, oder sie anderenfalls zu bekämpfen. Dieser Umstand ist wohl in dem allgemeinen Wahrheitsanspruch jedes Kultes angelegt.
Nachdem nun das irdische Paradies durch die Genspritzen nicht eingetreten ist und die Kultisten drohten, den Kult infrage zu stellen, wechselte dieser schnell sein Objekt und hob den Schutz der Demokratie in seinen Mittelpunkt, der praktischerweise mehrere Erzählungen vereinte, so etwa den Krieg in der Ukraine, welcher in einen Angriff des teuflischen Russlands auf die westliche Demokratie, also auf das gottgegebene Reich, umgedeutet wurde, sowie einen Angriff der satanischen Rechten auf die Demokratie im Inneren. Dazu wurden auch Reichsbürgerputsche inszeniert und überall russische Einflussagenten vermutet. Auch hier grassierte Fanatismus, der durch Großaufmärsche auf den Straßen zur Schau gestellt werden musste. Statt fanatischer Missionierung dominierte der Wunsch, die Ungläubigen auszugrenzen und auszumerzen, eine Vorstellung, die schon den Coronakult beseelte.
Ähnlich wie der fanatische Islam inszenierte sich der Kult durch eine demonstrative Ausgrenzung Andersdenkender, durch Angriffe auf diese in Wort und manchmal auch Tat.
Man nannte die Ungläubigen „Blinddarm“, fabulierte über das Ausschiffen nach Madagaskar und andere Entgleisungen, und immer wieder kam es zu tätlichen Angriffen. Geschah dies zunächst gegenüber den Corona-Ketzern, traf es nach dem Wechsel des Kultobjekts all diejenigen, die irgendwie rechts eingeordnet wurden. Nicht umsonst ist die AfD diejenige Partei, auf deren Mitglieder die meisten Angriffe verübt werden.
Dieser Fanatismus erreichte seinen vorläufigen Höhepunkt bei der vorgezogenen Bundestagswahl, welche die Anhänger des Kults zu einer Wahl zwischen dem Paradies auf Erden durch Rettung der Demokratie und der irdischen Hölle durch eine Regierungsbeteiligung der vermeintlich undemokratischen „Rechten“ aufbauschten. Jeder Kultist war dazu angehalten, sich im Zuge der Wahl zum Kult zu bekennen, an den symbolischen Aufmärschen als Kulthandlung teilzunehmen und Slogans online zu posten oder auf andere Weise in den Medien zu verbreiten.
Der Coronakult wurde, das kann man erkennen, nahtlos in einen anderen Kult überführt. Dabei spielt es keine Rolle, dass zwischendurch die Erzählung wechselt und die Kulthandlungen sich teils widersprechen — so war zunächst Abstand halten das Gebot der Stunde, während im nächsten Augenblick das Zusammenstehen im Demonstrationszug in Solidarität mit der Ukraine die geforderte Kulthandlung wurde.
Denn der Kult wurde durch die Erzählung des Totalen Guten, des auf-der-richtigen-Seite-der-Geschichte-Stehens zusammengehalten.
Dies ist tatsächlich der zentrale Glaube des Kultes. Es ist nicht so sehr die Erzählung eines Virus oder der Bedrohung der Demokratie. Dabei handelt es sich vielmehr um die göttlichen Prüfungen, die den Glauben auf die Probe stellen. Dieser Glaube bezieht sich eher auf die Überzeugung, zu den totalen Guten zu gehören, am Ende der Geschichte ein demokratisches Himmelreich errichtet zu haben, das gegen Angriffe von Außen und Innen, ob übernatürlich, natürlich oder menschlich, zu verteidigen sei. Zu diesem Zweck erlaubt der Kult auch die drastischsten Methoden bis hin zu Krieg und Gewalt, zu denen man eigentlich nie wieder greifen wollte. Doch da es darum geht, das totale Gute zu verteidigen, sind auch diese Mittel erlaubt, ähnlich, wie der Inquisitor foltern und morden durfte — aus Liebe zum Gefolterten und Ermordeten, versteht sich. Es war und ist ein Kult, der hauptsächlich auf undefinierte Angst und wilden Befürchtungen aufbaut — ähnlich jeder degenerierten Religion.
Der Kult wurde angeführt von verschiedenen Gurus, die einander abwechselten. Waren es zunächst die Drostens und Lauterbachs, so wurden diese durch die Kriegstreiber Pistorius und Strack-Zimmermann abgelöst. Es gibt aber auch konstante Gurus, die in der wechselnden Erzählung stets verstehen, sich als weise Instanz zu etablieren — etwa die Böhmermanns und Jokos-und -Klaas’, die immer genau das erzählen, was der Kult gerade von ihnen verlangt, und sich dabei als besonders eifrige Kultisten unter Beweis stellen.
Doch auch auf der anderen Seite taten sich sehr schnell kultische Züge auf. Denn die sich gegen den Coronakult organisierende Opposition war zunächst ein Sammelsurium unterschiedlichster Menschen, die manchmal ihr ganzes bisheriges Umfeld verloren hatten und eine neue Zugehörigkeit suchten. Aus diesen Menschen, die teilweise überhaupt nichts gemein hatten, wurde eine Einheit geschmiedet allein auf der Grundlage eines einzigen Themas: der Ablehnung des Coronakults. Und so bekam dieser Gegenkult schnell ebenfalls etwas Kultartiges. Denn er gründete sich auf die ritualisierte Ablehnung von allem und jedem, was den Coronakult bestimmte. Die Gurus der Gegenseite wurden zu Hassobjekten; auch politische Ideen, die zunächst gar nichts mit dem Coronakult zu tun hatten, aber durch den Gegenkult damit verknüpft wurden, stießen auf breite Ablehnung. So kam es schnell zu einer Homogenisierung des Gegenkults, der ein gemeinsames Set aus politischen Ideen teilte und sich teilweise in absurde, pseudospirituelle Vorstellungen flüchtete.
Mit dem Wechsel des Coronakults zum Demokratiekult wechselte auch der Gegenkult seine Erzählung. Nun galt es nicht mehr, die Zwangsimpfung zu verhindern oder dem Maskenterror entgegenzutreten, sondern die undemokratischen, diktatorischen Politiker zu stürzen — durch die Etablierung einer anderen, politischen Kraft. Diese wurde aufgeladen mit einer fanatischen Erwartung von Heilsbringern, die das Paradies auf Erden schaffen, indem sie den rot-grünen Terror beenden und die Verantwortlichen hinter Gitter bringen.
Dieser Kult speiste sich auch aus einer Gegenbewegung zum woken Fanatismus, der Teil des Kults der totalen Guten ist, ebenso wie die Klimawandelerzählung, die auch einen kultischen Mythos der total Guten darstellt.
Grundsätzlich benötigt jeder Kult eine Mythologie, und das, was auf der einen Seite die Mythologie der Pandemie, des Schutzes der Demokratie, des menschengemachten Klimawandels oder der totalen Inklusion tausender Geschlechter war, stellte auf der anderen Seite die vermeintlich sozialistische Verschwörung zur Zerstörung des „freien Marktes“ dar.
In der Tat ist die Ideologie des „freien Marktes“ ein in der Gegenbewegung weit verbreiteter Mythos. Man erhofft sich hier die Erlösung durch einen entfesselten Kapitalismus, der angeblich durch den rot-grünen Sozialismus gefesselt werde. Hinzu gesellt sich die mythologische Vorstellung eines geheimnisvollen Agenten, genannt Q, der im Tiefen Staat der USA sitzt und sich daranmacht, diesen zu zerschlagen, wobei Donald Trump eine große Rolle spielen soll. Auch entsprechende Gurus wurden in diesem Gegenkult inthronisiert. Etwa eben Donald Trump und Elon Musk in Übersee, die aber auch in Deutschland als Gurus betrachtet werden; Alice Weidel und diverse AfD-Abgeordnete wurden ebenso zu Gurus wie andere, weniger bedeutende Figuren wie etwa der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen.
Dieser Gegenkult wurde ebenso fanatisch wie der Kult, zu dem er in Opposition steht. Auch er lud die Frage der Bundestagswahl mit der Dichotomie von Paradies und Hölle auf, nur unter umgekehrten Vorzeichen; auch er sah sich im absoluten Recht und begann ab einem gewissen Punkt mit Abgrenzung zum anderen Kult, mit Missionierungsversuchen und schließlich mit der Bekämpfung der Kultisten der totalen Guten.
Das Kultische ist gerade in den USA besonders gut zu beobachten, wo die Trump-Anhänger sich von Anfang an eine paradiesische Erlösung versprachen, und auch nach den ersten Wochen seiner Amtszeit noch über die offenkundigen Absichten, die wesentlichen Punkte der demokratischen Politik fortzuführen, »etwa die Anwendung der mRNA-Technologie« großzügig hinwegsahen. Die Anhänger dieses Kults lassen ebenso wenig Kritik an ihren Gurus und den Inhalten ihres Kults zu wie die Anhänger des Kults der totalen Guten. Wer kritisiert und infrage stellt, dem begegnet blinder Fanatismus, und er wird aus den Reihen des Kultes ausgeschlossen — eine Reaktion, die man zunächst aus dem Coronakult kannte, insbesondere in vermeintlich linken Kreisen. Wer auf die offenkundigen Widersprüche hinweist, wird schnell zum Feind abgestempelt, als vermeintlicher Anhänger des feindlichen Kults bekämpft.
Dabei ist es nur naheliegend, dass die Erfüllung der Heilsversprechen ausbleiben wird. Denn all die Gurus, welche jeder Kult auf Podeste hebt und anbetet, sind nichts anderes als Menschen. Sie sind damit gar nicht in der Lage, das Paradies auf Erden zu schaffen, sondern in der Regel bestrebt, ihre eigenen ideologischen Vorstellungen durchzusetzen. Ein Paradies auf Erden ist auch überhaupt nicht vorgesehen, selbst wenn alle Kulte dies versprechen. Die Kulte, die letztlich ohne einen Gott auskommen und die Metaphysik früherer Glaubensvorstellungen abgelegt haben, müssen das Versprechen auf ein Paradies ins Diesseits verlagern, weil der tief in den Menschen verankerte Materialismus kein Jenseits zulässt, auch wenn viele im Gegenkult sich in der ein oder anderen esoterischen Spielart rühmen, ein angebliches Jenseits für sich entdeckt zu haben. Doch ihr Fanatismus in Bezug auf die Gurus und Kultobjekte sprechen eine andere Sprache.
Letztlich geht es in beiden Kulten um den hedonistischen Materialismus. Hat das Fußvolk des der Coronakultes sich noch durch die sogenannte Pandemie und die Feinde der Demokratie um seinen hedonistischen Konsum betrogen gesehen und daher alles darangesetzt, die Umstände dieses Konsums so schnell wie möglich wiederherzustellen — wie viele haben sich die Genspritze abgeholt, um wieder feiern gehen oder reisen zu können? —, so sieht sich der Gegenkult um seinen hedonistischen Konsum durch die Zerstörung der wirtschaftlichen Basis und damit eines irgendwie gearteten Wohlstandes durch den grünen Ökosozialismus und die Migranten betrogen. Auch dieser Kult strebt danach, die Basis für seinen hedonistischen Konsum wiederherzustellen, in der Regel durch den Versuch der Rückkehr zu einem längst ausgemusterten Geschäftsmodells des deutschen Exportkapitalismus.
Beide Kulte gelangen in ihrem Streben nicht über den reinen Hedonismus, den reinen Konsum hinaus, auch wenn beide ihre Überzeugungen mit einem vermeintlich moralischen Anstrich versehen. In Wirklichkeit geht es beiden nur um sich selbst.
Es handelt sich also um Kulte des totalen Egoismus, der auf das Jenseitige, das Höhere zugunsten eines diesseitigen Konsumparadieses verzichtet. Die Idealvorstellungen beider Seiten erschöpfen sich tatsächlich in diesem billigen Materialismus, den zu transzendieren die Anhänger dieser Kulte nicht mehr in der Lage sind. Daran zeigt sich, dass die Ideologie des Materialismus, und damit die Grundlage unserer heutigen Wissenschaft, verheerende und nachhaltige Schäden im menschlichen Geist angerichtet hat, über die der Mensch kaum mehr hinweggehen kann.
Somit sieht alles danach aus, dass diese Zeit des Pluto im Wassermann bislang eine Zeit der Kulte und Wahnvorstellungen ist. Doch noch ist das Potenzial für uns alle nutzbar. Die Kulte werden früher oder später zwangsweise enttäuschen, da sie ihre Versprechungen nicht erfüllen können, wie der Coronakult bereits bewiesen hat, dessen paradiesische Erwartungen sich nicht erfüllt haben.
Wenn die Enttäuschung in großem Ausmaß um sich greift, besteht die Möglichkeit, aus dem materiellen, kultischen Denken auszuscheren und sich der Entwicklung des Selbst zu widmen.
Denn diese Zeiten, in die wir nun eingetreten sind, bieten uns immer wieder die Gelegenheit, die eigene Programmierung zu durchschauen und aus ihr auszubrechen.
Unsere Konditionierungen entpuppen sich als Schein, als Lüge und Täuschung, und es wird stets offensichtlicher, dass unsere ganze Weltanschauung auf Illusion beruht. Es ist an jedem Einzelnen, nicht wieder in die Täuschung zu fliehen und sie durch eine andere Täuschung zu ersetzen, sondern mutig voranzugehen, die Welt der Täuschungen und Lügen hinter sich zu lassen und zu seiner eigenen Wahrheit, seinem wahren Selbst zu finden.
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Felix Feistel, Jahrgang 1992, studierte Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Völker- und Europarecht. Schon während seines Studiums war er als Journalist tätig; seit seinem Staatsexamen arbeitet er hauptberuflich als freier Journalist und Autor. So schreibt er für »manova.news«, »apolut.net«, die »freie-medienakademie« sowie auf seinem eigenen Telegram-Kanal. Eine Ausbildung zum Traumatherapeuten nach der Identitätsorientierten Psychotraumatheorie und -therapie (IoPT) erweiterte sein Verständnis von den Hintergründen der Geschehnisse auf der Welt.